Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zum Begriff der Beförderungen auf Wasserstraßen.
Normenkette
UStG § 4 Ziff. 9; UStDB § 35 Abs. 1 Ziff. 1; UStG § 4/6/a
Tatbestand
Der Bf., der sich in seiner Steuererklärung teils als Schiffsmakler, teils als Schiffsmakler und Frachtenvermittler bezeichnete, befaßte sich in den Streitjahren hauptsächlich mit der Verfrachtung von Waren auf dem Wasserwege von der Bundesrepublik nach West-Berlin und umgekehrt, und zwar als Hauptfrachtführer im Sinne des § 432 HGB, d. h. er schloß Frachtverträge mit den Ladungsbeteiligten ab und ließ die Beförderung durch andere Frachtführer (sogenannte Unterfrachtführer) ausführen.
Eine weitere Tätigkeit des Bf. bestand darin, daß er im Auftrage von Reedern, die als Hauptfrachtführer Waren (insbesondere Ruhrkohle) aus der Bundesrepublik nach West-Berlin beförderten, die in Berlin eintreffenden Schiffe an ihre Ziele weiterleitete. Der Bf. war in den Ladescheinen als "Meldestelle" bezeichnet. Die Schiffsführer hatten sich bei ihm zu melden. Der Bf. meldete die eintreffenden Schiffe mit Kohlenladungen an die X-GmbH in West-Berlin weiter, die die Ruhrkohle nach einem Schlüssel auf die empfangsberechtigten Firmen verteilte. Der Bf. teilte sodann den Schiffsführern Empfänger und Löschstelle mit, unterrichtete die Warenempfänger und sonstigen Verfügungsberechtigten von dem Eintreffen der Waren und sorgte dafür, daß Schiffe ohne eigene Antriebskraft von der Firma Y an die Löschstelle geschleppt wurden. Schließlich leistete er Schlichtungshilfe, wenn beim Abschleppen der Schiffe oder an der Löschstelle Schwierigkeiten entstanden. Er erhielt für diese Tätigkeit von den Reedereien eine als "Provision" oder "Abfertigungsgebühr" bezeichnete Vergütung je nach der Warenart von 3 bis 50 Pfennig je Tonne.
Streitig ist, ob der Bf. (neben seiner unstreitig umsatzsteuerfreien Hauptfrachtführertätigkeit) wegen seiner weiteren Tätigkeit umsatzsteuerpflichtig ist. Der Bf. hielt sie für steuerfrei gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 UStDB und setzte die dafür erhaltenen Entgelte in den Umsatzsteuererklärungen für 1951 bis 1954 von den Entgelten für steuerbare Umsätze ab. Auf Grund einer Betriebsprüfung zog das Finanzamt den Bf. gemäß § 222 AO durch Berichtigungsveranlagungen mit den streitigen Umsätzen zur Umsatzsteuer heran. Nach erfolglosem Einspruch wies die Vorinstanz die Berufung mit der Begründung zurück, die in Streit befangene Tätigkeit sei keine Frachtführertätigkeit und stelle daher weder eine Beförderung auf Wasserstraßen noch ein Schleppen von Schiffen im Sinne des § 35 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB dar; auch § 4 Ziff. 17 UStG finde keine Anwendung, weil der Bf. insoweit keine Maklertätigkeit ausübe. Mit der Rb. wird geltend gemacht, unter die nach § 35 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB umsatzfreien Beförderungen fielen alle Leistungen, die erforderlich seien, die Frachtgüter vom Einladeort bis zum Ausladeort zu befördern. Hierzu gehörten auch die in Streit befangenen Leistungen des Bf. Es sei gleichgültig, ob diese Leistungen vom Hauptfrachtführer, vom Unterfrachtführer oder von einem anderen Unternehmer erbracht würden. Diese Ausdehnung der Ausnahmevorschrift für die Beförderung von Gütern auf dem Wasserwege folge aus den besonderen Gegebenheiten der Verfrachtung von Gütern zu Wasser. Schiffer seien selbst oft nicht in der Lage, das Frachtgut vom Absender in Empfang zu nehmen. Das werde ihnen vielmehr von einer Schiffahrtsgesellschaft, Schiffergenossenschaft oder Güterverteilungsstelle abgenommen. Die Tätigkeit des Bf. sei auch deshalb umsatzsteuerfrei, weil er erforderlichenfalls dafür sorge, daß die Schiffe an die Löschplätze geschleppt würden. Die Steuerfreiheit des Schleppens von Schiffen erstrecke sich auch auf den sogenannten Schleppagenten. Der Bf. beruft sich für die Richtigkeit seiner Ansicht außer auf Ausführungen in Umsatzsteuer-Kommentaren auf die Entscheidung des Reichsfinanzhofs V A 533/33 vom 27. Oktober 1933 (RStBl 1934 S. 587). Er bemängelt, daß sich die Vorinstanz mit diesem Urteil nicht auseinandergesetzt habe.
Entscheidungsgründe
Nach § 4 Ziff. 9 UStG sind u. a. die unter das Beförderungsteuergesetz fallenden Umsätze umsatzsteuerfrei. Die Beförderungen auf Wasserstraßen und das Schleppen von Schiffen und Flößen fallen nicht unter das Beförderungsteuergesetz. Sie sind jedoch durch § 27 a UStDB 1936 (jetzt § 35 UStDB 1951) von der Umsatzsteuer befreit worden.
In Anlehnung an die Begriffsbestimmung in § 4 der Beförderungsteuer-Durchführungsverordnung (BefStDV) vom 8. Oktober 1955 ist unter "Beförderung" eine im Rahmen eines Unternehmens stattfindende Tätigkeit zu verstehen, die auf Fortbewegung von Personen oder Gütern gerichtet ist. Dabei ist Voraussetzung, daß die Fortbewegung Selbstzweck oder Hauptzweck der Tätigkeit ist und daß die Tätigkeit unter eigener Verantwortung des Unternehmers ausgeübt wird. Eine Beförderung für Dritte liegt nur vor, wenn die Leistung nicht für eigene Zwecke des Unternehmens bewirkt wird.
Der Begriff der "Beförderung auf Wasserstraßen" in § 35 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB ist nach dem Sinn und Zweck dieser Bestimmung eng auszulegen. Soweit es sich um die Beförderung von Gütern handelt, ist darunter die Fortbewegung dieser Güter auf schiffbaren natürlichen oder künstlichen Wasserwegen vom Einladeort bis zum Ausladeort durch einen Frachtführer oder sonstigen Güterbeförderer zu verstehen. Frachtführer ist außer demjenigen, der gewerbsmäßig die Beförderung der Güter selbst ausführt (ß 425 HGB) auch derjenige, der zur Ausführung der von ihm gewerbsmäßig übernommenen Beförderung das Gut einem anderen Frachtführer übergibt (sogenannter Hauptfrachtführer, § 432 HGB). Außer der in der Fortbewegung der Güter bestehenden eigentlichen Güterbeförderung sind - entsprechend einem allgemeinen Grundsatz des Umsatzsteuerrechts - auch die damit in Zusammenhang stehenden notwendigen Nebenleistungen umsatzsteuerfrei, soweit sie der Güterbeförderer selbst bewirkt. Nach dem Beförderungsteuerrecht, das insoweit für die Beförderung auf Wasserstraßen analog anzuwenden ist, sind als Beförderung dem Umfange nach alle Leistungen anzusehen, für die der Beförderungspreis gezahlt wird (vgl. § 16 BefStDV 1955). Darunter fallen aller Verrichtungen, die dazu dienen, beladene Schiffe nach den dafür bestehenden Bestimmungen oder nach den Vereinbarungen mit den Schiffseigentümern in Fahrt zu setzen oder bis zum Löschplatz in Fahrt zu halten. Der Ersatz der Kosten dieser Verrichtungen durch den Besteller des Transports gehört mit zum Beförderungspreise, auch wenn sie neben der eigentlichen Fracht als Frachtzuschlag berechnet werden. Erledigt ein Frachtführer nach der Beladung und von der Entladung seines Schiffes notwendige Formalitäten bei Behörden, stellt er Ermittlungen über die Person des Empfängers der Ladung und über Zeit und Ort ihrer Löschung an und besorgt er sich erforderlichenfalls Schlepphilfe, so sind diese Maßnahmen zur Beförderung (= Fortbewegung) der Güter auf der Wasserstraße notwendig. Sie sind aber nur dann umsatzsteuerfrei, wenn sie Nebenleistungen zu umsatzsteuerfreien Hauptleistung sind, d. h. mit dieser zusammen von ein und demselben Unternehmer bewirkt werden. Werden Leistungen dieser Art von einem anderen Unternehmer bewirkt, so tritt Steuerfreiheit nicht ein, es sei denn, daß eine besondere Befreiungsvorschrift zur Anwendung käme (wie das z. B. für bestimmte Leistungen der Schiffsmakler in Seehafenplätzen gemäß § 28 Abs. 1 Ziff. 4 UStDB der Fall ist). Da die umstrittene Tätigkeit des Bf. weder eine Beförderung im eigentlichen Sinne noch eine vom Unternehmer der Hauptleistung bewirkte Nebenleistung darstellt, muß die Steuerfreiheit nach § 35 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB versagt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 409520 |
BStBl III 1959, 492 |
BFHE 1960, 622 |
BFHE 69, 622 |