Leitsatz (amtlich)
1. Fossilien als Sammlungsstücke der Tarifnr. 99.05 GZT müssen einen paläontologisch-wissenschaftlichen Wert aufweisen; ein bloßes Sammlerinteresse genügt dafür nicht.
2. Fossilien nicht selten vorkommender Arten, die Gegenstand des einschlägigen Fachhandels sind, sind keine Sammlungsstücke von paläontologischem Wert i.S. der Tarifnr. 99.05 GZT, auch wenn sie sich durch Besonderheiten auszeichnen.
Normenkette
GZT Tarifnr 99.05; GZT Tarifnr 68.02 Tarifst A-3-a; GZT Tarifnr 68.16 Tarifst B
Tatbestand
I. Die Oberfinanzdirektion (OFD) erteilte dem Kläger, der einen Fachhandel mit Mineralien und Fossilien betreibt, verbindliche Zolltarifauskünfte (vZTA) über verschiedene, bereits eingeführte Fossilien, die sie den Tarifstellen 68.02 A III a --Waren aus Kalksteinen, bearbeitet, jedoch ohne Bildhauerarbeit-- (fossile Tiere) und 68.16 B --"andere" Ware aus mineralischen Stoffen-- (fossiles Holz) des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zuwies.
Die gegen die vZTA gerichteten Einsprüche des Klägers, mit denen dieser die Zuweisung der Waren zu Tarifnr. 99.05 GZT --Sammlungsstücke von paläontologischem Wert-- begehrte, blieben erfolglos.
Mit den Klagen wird geltend gemacht, aus den englischen und französischen Sprachfassungen des GZT ergebe sich, daß an den in Tarifnr. 99.05 GZT erfaßten Sammlungsstücken nicht unbedingt ein wissenschaftliches Interesse bestehen müsse, daß vielmehr ein paläontologisches Sammlerinteresse genüge. Jedes der tarifierten Stücke sei auf seine Weise einmalig, zumindest extrem selten. Er --Kläger-- betreibe einen Spezialhandel außerhalb des üblichen Handels mit ähnlichen Gebrauchsgegenständen. Alle Einfuhren würden zunächst interessierten Museen oder Universitäten angeboten. Für die Zuweisung zu Tarifnr. 99.05 GZT sei jedoch nicht erforderlich, daß die Stücke endgültig in Museen oder wissenschaftlichen Sammlungen gezeigt würden. Die Bergung der Stücke --Millionen Jahre alte Fossilien-- erfordere einen hohen Aufwand; sowohl im Einkauf als auch im Verkauf würden hohe Preise gezahlt, die Einkaufswerte ständen in keinem Verhältnis zu den Materialwerten. Es sei zu eng, wenn für die Anwendung der Tarifnr. 99.05 GZT eine ganz besondere Rarität vorausgesetzt werde, zumal sich dann ergebe, daß vZTA jeweils nur Aussagen über das gerade vorgelegte Einzelstück als Rarität machen könnten. Gleichwohl werde rein vorsorglich geltend gemacht, daß es sich bei allen Stücken um Raritäten handele. Zwischen Einzel- und Belegstücken gebe es keine taugliche Abgrenzung. Die strenge Auffassung der OFD nehme der Tarifnr. 99.05 GZT ihren Sinn. In anderen europäischen Ländern werde diese Auffassung nicht vertreten.
Der Kläger stützt seine zolltarifliche Beurteilung auf ein Gutachten von Prof. Dr. H vom Geologisch-Paläontologischen Institut und Museum der Universität H.
Die OFD wiederholt die in den Einspruchsentscheidungen vertretene Auffassung, daß es sich --auch nach der Beurteilung durch einen Wissenschaftler der S Gesellschaft-- nicht um besondere Einzelstücke handele, die zur Tarifnr. 99.05 GZT gehörten, auch wenn jedes Stück als solches ein Unikat sei. Die Stücke seien nicht mehr nur Gegenstand eines Spezialhandels; auch in Kaufhäusern seien heute zahlreiche Stücke aus dem geologischen Bereich erhältlich.
Entscheidungsgründe
II. Die Klagen sind nicht begründet.
1. Die Waren, die die OFD in den angefochtenen vZTA tarifiert hat, sind keine Sammlungsstücke von paläontologischem Wert im Sinne der Tarifnr. 99.05 GZT. Was unter zolltariflichen Sammlungsstücken zu verstehen ist, hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) durch Urteile vom 10.Oktober 1985 Rs.200/84 und Rs.252/84 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1986, 431; Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern 1986, 14) unter Berücksichtigung der Fassung der vorbezeichneten Tarifnummer in allen (damaligen) Amtssprachen der Gemeinschaft und der Erläuterungen zum Zolltarif (ErlZT; hier zu Kapitel 99 Teil I Rdziff.9 und 10) entschieden. Sammlungsstücke sind danach zur Aufnahme in eine Sammlung geeignete Gegenstände, nämlich solche, die
- verhältnismäßig selten sind;
- normalerweise nicht ihrem ursprünglichen Verwendungszweck gemäß genutzt
werden;
- keine üblichen Handelsobjekte, sondern Gegenstand eines Spezialhandels
außerhalb des üblichen Handels mit ähnlichen Gebrauchsgegenständen sind;
- einen hohen Wert haben.
Diese Auslegungsgrundsätze gelten nicht nur für Sammlungsstücke von geschichtlichem oder völkerkundlichem Wert (dazu Senat, Urteil vom 29.Oktober 1986 VII R 110/82, BFHE 148, 90; vgl. auch Wolff-Diepenbrock, Sammeln, Sammlung und Steuern, Deutsches Steuerrecht, Beilage zu Heft 12/1987 Seite 10), sondern für alle Sammlungsstücke der Tarifnr. 99.05 GZT (Senat, Urteil vom 2.April 1987 VII R 105/84, BFHE 150, 97), mithin auch für geologische Sammlungsstücke zum Studium fossiler Wesen (vgl. ErlZT zu Tarifnr. 99.05 Teil I Rdziff.11). Ferner müssen sich Sammlungsstücke aller Art durch einen (fachlich) spezifischen Wert auszeichnen. Dies hat der Senat in seinem Urteil in BFHE 150, 97 für zoologische Sammlungsstücke bereits entschieden (erneut in den Urteilen vom 2.Juli 1987 VII R 106/84 und VII R 116/84; beide nv.). Für Sammlungsstücke aus dem Bereich der Paläontologie ergibt sich dieses Erfordernis bereits aus dem Wortlaut der Tarifnummer (paläontologischer-wissenschaftlicher Wert). Entgegen der Ansicht des Klägers genügt ein bloßes Sammlerinteresse nicht. Die Begriffe "interet" und "interest" in den französischen und englischen Sprachfassungen sind in gleichem Sinne zu verstehen wie "Wert" in der deutschen Fassung (vgl. auch Urteile des EuGH Rs.200/84 und 252/84) zu Sammlungsstücken von geschichtlichem oder völkerkundlichem "Wert").
Ob die in den angefochtenen vZTA behandelten Stücke jeweils den erforderlichen paläontologisch-wissenschaftlichen Wert aufweisen, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Denn jedenfalls entsprechen sie, auch soweit sie sich durch besondere Qualitäten auszeichnen, nicht den Anforderungen, die an Sammlungsstücke im zolltariflichen Sinne zu stellen sind. Alle diese Waren sind nicht "verhältnismäßig selten" (vgl. zu diesem Erfordernis auch Urteil in BFHE 148, 90, 93), auch stehen sie nicht --mit dem Merkmal der Seltenheit zusammenhängend-- außerhalb des üblichen Handels mit Fossilien.
Der Senat verkennt nicht, daß nach der Rechtsprechung des EuGH für die Annahme der Seltenheit ein gewisser Seltenheitswert, das Vorhandensein --nur-- einiger weniger Exemplare genügt (vgl. auch ErlZT zu Kapitel 99 Teil I Rdziff.9). Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, daß es von den hier zu beurteilenden tierischen und pflanzlichen Fossilien --gattungs- bzw. artbezogen--jeweils nur einige wenige Exemplare gibt. Auch der Kläger scheint davon auszugehen, daß gleichartige Fossilien aufgefunden und eingeführt werden. Jedenfalls wäre sonst für seine Anträge auf Erteilung von vZTA ein berechtigtes Interesse nicht erkennbar.
Die Ammoniten --fossile Kopffüßer-- und das fossile Holz sind als solche nicht (verhältnismäßig) selten; fossile Fische wie der tarifierte versteinerte Rochen sind zwar weniger häufig überliefert, doch kann selbst nach dem vom Kläger vorgelegten Gutachten nicht angenommen werden, daß nur wenige fossilisierte Exemplare der betreffenden Gattung (Stachelrochen) erhalten sind. Der Kläger räumt selbst ein, daß schon früher ähnliche Versteinerungen gefunden wurden. Auch die Besonderheiten der Stücke, die der Kläger hervorhebt, reichen nicht aus, um diese als (verhältnismäßig) selten im zolltariflichen Sinne zu beurteilen. Insoweit wäre erforderlich, daß Stücke mit den Besonderheiten der hier tarifierten Waren wenn nicht Einzelexemplare, so doch nur in sehr geringer Anzahl vorhanden sind. Daß dies in den Streitfällen gegeben ist, läßt sich nach Ansicht des Senats nicht auf den Erhaltungszustand stützen, in dem die Waren vorliegen, weil nicht ersichtlich ist, daß dieser einmalig oder nur bei einigen wenigen Exemplaren anzutreffen ist. Ob die Orte, an denen die Stücke gefunden wurden, als Fundorte weniger oder gar nicht bekannt sind, kann für die zolltarifliche Behandlung gleichfalls keine Rolle spielen, denn es läßt sich nicht erkennen, daß der Fundort die Beschaffenheit der Stücke in zolltariflich erheblicher Weise beeinflußt. Das wissenschaftliche Interesse, das nach dem vom Kläger vorgelegten Gutachten an den Stücken besteht (Möglichkeit paläozoologischer, palökologischer und paläoklimatologischer Aussagen), vermag nicht die erforderliche Seltenheit zu belegen, denn der wissenschaftliche Wert muß neben der Seltenheit usw. vorliegen, wenn die Tarifnr. 99.05 GZT anwendbar sein soll. Auch die Eigenart der Ware ... ("Schaustück" mit kleinen Ammoniten) reicht nicht aus, um dem (großen) Ammoniten, so, wie er sich darstellt, den erforderlichen Seltenheitswert zuzusprechen. Alle diese Besonderheiten mögen für die Qualität der Stücke sprechen und das Kaufinteresse an ihnen begründen oder fördern; sie ergeben indessen nicht die Seltenheit des betreffenden Fossils. Auch die Eignung des einen oder anderen Stücks als "Museumsexponat" genügt noch nicht, um es als selten zu beurteilen (vgl. auch EuGH-Urteil Rs.200/84, das die Frage des vorlegenden Gerichts, ob Museumseignung für die Zuweisung zu der Tarifnr. 99.05 GZT genüge, durch den Hinweis auf die tarifierungserheblichen Kriterien --Seltenheit usw.-- beantwortet). Denn in Museen werden auch andere als seltene Stücke ausgestellt, etwa als Beleg- oder Ergänzungsstücke. Exponate dieser Art ("andere Stücke") sind bei Vorliegen der Voraussetzungen --Verwendung durch bestimmte Museen usw.; ohne Verkaufsabsicht-- zollfrei nach Art.51 in Verbindung mit Anhang II B der Verordnung (EWG) Nr.918/83 des Rates vom 28.März 1983 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen (ABlEG L 105/1; Vorschriftensammlung Bundesfinanzverwaltung --VSF-- Z 0210), nicht dagegen tariflich zollfrei als Sammlungsstücke der Tarifnr. 99.05 GZT.
Daß die präparierten oder sonst bearbeiteten Stücke allein durch die Art ihrer Herrichtung (Aufmachung; vgl. ErlZT zu Tarifnr. 99.05 Teil I Rdziff.1, dazu Senat in BFHE 150, 97) ein (besonderes) Interesse begründen könnten, ist nicht ersichtlich.
Die hier vertretene Tarifauffassung läßt sich nicht durch den Hinweis entkräften, sie führe dazu, daß aus der zolltariflichen Behandlung als Sammlungsstück keine Schlüsse auf eine entsprechende Behandlung ähnlich erscheinender Stücke gezogen werden können. Daß solche Schlüsse tatsächlich nicht möglich sind, ergibt sich notwendig aus der Einzigartigkeit oder verhältnismäßigen Seltenheit des Sammlungsstücks. Hier kann sich nur die Frage stellen, ob eine vZTA im Hinblick auf die künftige zollamtliche Behandlung einer "tariflich gleichen Ware" im Sinne von § 23 Abs.2 Satz 1 des Zollgesetzes (zum Begriff: Senat, Urteil vom 31.Januar 1978 VII R 12/77, BFHE 124, 401, 406) überhaupt in Betracht kommt. Jedenfalls hängt die Auslegung des zolltariflichen Begriffs "Sammlungsstücke" (Tarifnr. 99.05 GZT) nicht von der praktischen Bedeutung ab, die über solche Stücke erteilte vZTA haben könnten.
Der Umstand, daß die zu tarifierenden Waren im Fachhandel angekauft und verkauft werden, macht sie im übrigen auch nicht zu Gegenständen außerhalb des üblichen Handelsverkehrs. Abgesehen davon, daß gewisse Versteinerungen auch außerhalb des Fachhandels feilgeboten werden, ist der Fachhandel mit Fossilien kein "Spezialhandel außerhalb des üblichen Handels", sondern vielmehr Teil des normalen Handels (vgl. auch Senatsurteil in BFHE 150, 97 für den Fachhandel mit ausgestopften Tieren). Weder aus den ErlZT zu Kapitel 99 Teil I Rdziff.10 noch aus den EuGH- Urteilen Rs.200/84 und 252/84 kann hergeleitet werden, daß der Fachhandel dem übrigen Handel gegenüber privilegiert sein soll. Im übrigen kann von "Spezialhandel außerhalb des üblichen Handels mit ähnlichen Gebrauchsgegenständen" nur gesprochen werden, wenn es jeweils beide Handelsformen gibt. Das trifft für Antiquitäten zu (vgl. ErlZT, a.a.O.), ebenso für gebrauchte Kraftwagen (EuGH-Urteil Rs.200/84 - "Oldtimer") und Waffen (EuGH-Urteil Rs.252/84), nicht dagegen für Versteinerungen, die als solche Gegenstand des Handelsverkehrs sind.
Auch bei der den angefochtenen vZTA zugrundeliegenden Auslegung des zolltariflichen Begriffs "Sammlungsstücke von paläontologischem Wert" verliert die Tarifnr. 99.05 GZT insoweit nicht, wie der Kläger anzunehmen scheint, ihren Sinn. Sie bleibt vielmehr anwendbar auf Stücke, die die in der Rechtsprechung des EuGH herausgestellten Anforderungen erfüllen. Auch die Verwaltung geht hiervon aus (vgl. die die Gerichte nicht bindenden Dienstanweisungen in ErlZT zu Kapitel 99 Teil IV Rdziff.3 --Zoll-- und VSF Z 8212-1 Abs.95 --Einfuhrumsatzsteuer--).
2. Da die Tarifnr. 99.05 GZT, wie ausgeführt, nicht in Betracht kommt (vgl. auch Vorschrift 4a zu Kapitel 99 GZT; dazu Senat, Urteil in BFHE 148, 90, 94), ebenso eine andere --spezifischere-- Tarifposition nicht besteht, bleibt nur eine Tarifierung nach stofflicher Beschaffenheit übrig. Dabei wird nicht übersehen, daß sich die Erzeugnisse von "gewöhnlichen" Waren der in Betracht kommenden Stoff-Positionen durch besondere Qualitäten unterscheiden, doch müssen letztere, da sie eine Zuordnung zu Tarifnr. 99.05 GZT nicht zu begründen vermögen, zolltariflich außer Betracht bleiben.
Die Waren ... sind mit Rücksicht auf ihre Beschaffenheit (vgl. auch Vorschrift 2 zu Kapitel 68) und ihren Bearbeitungszustand der Tarifstelle 68.02 A III a GZT zuzuweisen. Auch die Ware ... gehört, da (weitergehend) bearbeitet, zu Kapitel 68, dort jedoch entsprechend ihrer Zusammensetzung zu Tarifstelle 68.16 B GZT.
In diesem Sinne hat die OFD --richtig-- tarifiert.
Fundstellen
Haufe-Index 61606 |
BFHE 151, 266 |