Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerb eines Fertighauses und des Grund und Bodens als Erwerb eines bebauten Grundstücks
Leitsatz (amtlich)
1. Gegenstand des Erwerbsvorgangs bei Fertighäusern.
2. Schließt jemand zunächst Verträge über die Errichtung eines Fertighauses und des dazu notwendigen Kellers ab, erwirbt er dann erst das von vornherein zur Bebauung vorgesehene Grundstück von einem Veräußerer, der auch am Abschluß der vorangegangenen Verträge zumindest als Vermittler beteiligt war, und ist er deswegen zum Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufs in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" einer Bebauung nicht mehr frei, so ist Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand (vgl. BFH-Entscheidungen vom 18.Oktober 1989 II R 85/87 und II R 143/87, BFHE 158, 483, 477, BStBl II 1990, 181, 183).
3. Wird bei einer derartigen Fallgestaltung das Grundstück von zwei beim Erwerb in bewußtem und gewollten Zusammenwirken handelnden Erwerbern als Miteigentümer zu gleichen ideellen Anteilen erworben, so ist für beide Erwerber Gegenstand des Erwerbsvorgangs das bebaute Grundstück auch dann, wenn aus den zuvor abgeschlossenen Verträgen über die Errichtung des Gebäudes nur einer von ihnen berechtigt und verpflichtet ist. Im Ergebnis entsteht für beide Erwerber die Grunderwerbsteuer in derselben Höhe.
Normenkette
GrEStG 1983 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 4
Tatbestand
I. Den Klägern --einem Ehepaar-- wurde am 31.Januar 1983 eine "Kostenzusammenstellung" über ein Fertighaus eines bestimmten Typs der Firma X unterbreitet. In der Zusammenstellung waren auch Beträge von 86 460 DM für "Grundstück einschließlich Erschließungskosten" und von 61 820 DM für den Kellerbau ausgewiesen. Am selben Tag unterzeichnete der Kläger einen Vertragsantrag, in dem die Kläger als Käufer und die X-GmbH & Co. als Verkäuferin bezeichnet wurden. Der Vertrag sollte die GmbH & Co. zur Lieferung eines Fertighauses zum Preis von 217 208 DM verpflichten. Auf die Kostenzusammenstellung vom selben Tag wurde Bezug genommen. Als Bauplatz wurde ein Grundstück in Z angegeben. Herr A unterzeichnete als Fachberater. Der Vertrag bedurfte der schriftlichen Bestätigung durch die Verkäuferin. Am 8.Februar 1983 unterzeichneten der Kläger und Herr A einen "Kellervertrag" über einen Keller eines bestimmten Typs. Auch dieser Vertrag sollte nach Zugang der schriftlichen Bestätigung seitens des Verkäufers gültig sein. Als Verkäufer war A ausgewiesen, der seiner Unterschrift den Stempel "X-Haus, Gebietsvertretung, A" beigefügt hatte. Als Gesamt- und Festpreis war eine Summe von 66 320 DM, einschließlich Umsatzsteuer, vereinbart worden. Am 25.Februar 1983 erwarb Herr A das in dem Fertighausvertrag als Bauplatz bezeichnete Grundstück. Durch notariell beurkundeten Vertrag vom 27.April 1983 erwarben die Kläger von Herrn A als Miteigentümer je zur Hälfte aus diesem Grundstück eine noch zu vermessende Teilfläche. Der Kaufpreis betrug nach Messungsanerkennung 85 800 DM. Herr A hat als "Fachberater für X-Haus" Fertighäuser mit Grundstücken in Inseraten angeboten. Das von ihm am 25.Februar 1983 erworbene Grundstück wurde in drei Parzellen aufgeteilt, wovon eine die Kläger erwarben. Diese drei Parzellen sowie ein weiteres anschließendes Grundstück sind mit X-Häusern bebaut worden. Auf dem Grundstück der Kläger ist das X-Fertighaus an der gemeinsamen Grenze zum Nachbargrundstück errichtet worden und schließt dort ebenfalls an ein X-Fertighaus an.
Das beklagte Finanzamt (FA) setzte durch vorläufige Bescheide gegen jeden der Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von je 3 693 DM fest. Es behandelte die Aufwendungen der Kläger aus allen drei Verträgen als Gegenleistung.
Hiergegen richtete sich die Klage. Mit dieser machten die Kläger geltend, daß nur der Kaufpreis für das Grundstück zu besteuern sei. Die drei Verträge seien keine Einheit. Sie hätten bei einer Baufirma durch Vermittlung von Herrn A die Erstellung eines Kellers in Auftrag gegeben. Das Fertighaus sei bei der Firma X bestellt worden. Hierbei sei Herr A Vermittler gewesen. Nur das Grundstück hätten sie von diesem erworben. Im übrigen hätten sie zusammen mit Herrn A bei ihren Kaufgesprächen auch eine konventionelle Bauweise in Erwägung gezogen.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage überwiegend stattgegeben. Nur der Kaufpreis für das Grundstück und für den Keller seien Gegenleistung, nicht aber die Aufwendungen für das Fertighaus. Für das Fertighaus liege eine einheitliche und mit dem Grundstückserwerb zusammenhängende Verschaffungspflicht nicht vor. Grundstücksvertrag und Fertighausvertrag seien kein einheitlicher Vertrag i.S. des § 139 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Der Grundstücksveräußerer habe den Fertighausvertrag nur vermittelt. Er habe das Fertighaus in Typenvarianten angeboten. Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß Herr A das streitbefangene Grundstück von vornherein nur mit einem bestimmten Fertighaus zusammen angeboten habe. Grundstückskaufvertrag und Fertighausvertrag seien in ihrem rechtlichen Bestand nicht verknüpft gewesen. Die Kläger hätten nach der Teilung des Grundstücks die für sie geeignete Teilfläche heraussuchen können. Es seien nachträglich Vertragsänderungen in Höhe von 10 000 DM vereinbart worden.
Mit der Revision rügt das FA sinngemäß unrichtige Anwendung des § 1 Abs.1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983. Es beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage als unbegründet abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat unzutreffend als Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück nur mit dem ausgebauten Keller angesehen. Dementsprechend hat es zu Unrecht die Aufwendungen für das Fertighaus nicht als Gegenleistung i.S. von § 9 Abs.1 Nr.1 GrEStG 1983 behandelt.
1. Der notariell beurkundete Vertrag vom 27.April 1983 über den Erwerb der Miteigentumsanteile an dem (noch zu bildenden) Grundstück ist ein (jeweils) nach § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG 1983 der Grunderwerbsteuer unterliegender Rechtsvorgang. Die Steuer dafür bemißt sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs.1 GrEStG 1983). Als Gegenleistung gelten bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs.1 Nr.1 GrEStG 1983).
Zur Gegenleistung rechnet jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt gewährt für den Erwerb des Grundstücks in dem Zustand, in dem es Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (ständige Rechtsprechung; vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21.Dezember 1988 II B 47/88, BFHE 155, 419, BStBl II 1989, 333).
Das GrEStG bestimmt nicht, was unter der Gegenleistung begrifflich zu verstehen ist. Es entspricht ständiger Rechtsprechung, daß diese Begriffsbestimmung zwar von dem bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung ausgeht, sich aber darin nicht erschöpft (so z.B. Entscheidung des BFH vom 5.November 1980 II R 28/75, BFHE 132, 111, BStBl II 1981, 174).
Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird zunächst durch das den Steuertatbestand erfüllende (zivilrechtliche) Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ist Gegenstand der kaufvertraglichen Übereignungsverpflichtung das Grundstück in bebautem Zustand, so ist das Grundstück in diesem Zustand auch grunderwerbsteuerrechtlich Gegenstand des Erwerbsvorgangs. Ergibt sich die Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks und zur Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich zwar aus zwei (oder mehreren) an sich selbständigen Verträgen, sind diese Verträge jedoch aufgrund ihres rechtlichen Zusammenhangs zivilrechtlich als einheitlicher Vertrag anzusehen, so ist grunderwerbsteuerrechtlich Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 4.Mai 1983 II R 6/82, BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609).
Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist das Grundstück in bebautem Zustand schließlich auch dann, wenn die Verträge zwar nicht durch den Willen der Parteien rechtlich verknüpft sind, zwischen den Verträgen jedoch ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, daß der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise als einheitlichen Leistungsgegenstand (vgl. dazu BFH-Entscheidungen vom 29.Juni 1988 II R 258/85, BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898, und vom 18.September 1985 II B 24-29/85, BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627) das bebaute Grundstück erhält. Dies ist der Fall, wenn der Veräußerer aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht ganz konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung (vgl. dazu BFH-Entscheidungen in BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627, und in BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609) ein ganz bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot als einheitliches annimmt oder nur insgesamt annehmen kann.
Zur Begründung dieser Auslegung des grunderwerbsteuerrechtlichen Begriffs des Gegenstands des Erwerbsvorgangs wird verwiesen auf die Entscheidungen des Senats vom 18.Oktober 1989 II R 85/87 und II R 143/87 (BFHE 158, 483, 477 BStBl II 1990, 181, 183).
Die für die Frage nach dem Gegenstand des Erwerbsvorgangs gebotene objektive Betrachtungsweise hat --wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt-- in erster Linie auf den Erwerber abzustellen. Entscheidend ist daher, ob dieser bei objektiver Betrachtungsweise ein unbebautes Grundstück oder als einheitlichen Leistungsgegenstand ein bebautes Grundstück erhält.
Auf der Veräußererseite können auch mehrere Personen als Vertragspartner auftreten (vgl. BFH-Urteil vom 23.Juni 1982 II R 155/80, BFHE 136, 427, BStBl II 1982, 741). Es ist dabei nicht ausschlaggebend, daß der Grundstücksübereignungsanspruch und der Anspruch auf Errichtung des Gebäudes sich zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend ist vielmehr, daß (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht mit einbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Leistungsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen (vgl. Entscheidung in BFHE 155, 419, BStBl II 1989, 333).
Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist nach den dargelegten Grundsätzen im Einzelfall unter Heranziehung aller relevanten Umstände zu bestimmen. Nach dem vom FG festgestellten Sachverhalt, an den der Senat nach § 118 Abs.2 FGO gebunden ist, ist dies im Streitfall das mit einem Fertighaus bebaute Grundstück.
Der Kläger hat bereits vor Abschluß des Kaufvertrags über das Grundstück Verträge über die Errichtung eines Fertighauses und den Ausbau des Kellers zu einem im wesentlichen feststehenden Preis abgeschlossen. Diese Verträge (und das zu errichtende Haus) waren zugeschnitten auf das danach erworbene Grundstück. Im Zeitpunkt der Annahme des Angebots zum Abschluß des Grundstückskaufs durch die Kläger stand daher objektiv fest, daß sie dieses Grundstück bebaut mit einem ganz bestimmten Gebäude zu einem bestimmten Preis erhalten würden. Die Entscheidung über das "Ob" und "Wie" einer Bebauung stand aufgrund der bereits bestehenden zivilrechtlichen Bindung nicht mehr in ihrem freien Belieben. Auf die Tatsache, daß sie zum Abschluß des Grundstückskaufvertrags rechtlich nicht verpflichtet waren, kommt es bei diesem Geschehensablauf daher nicht an. Der projektanbietende Grundstücksveräußerer war nach den Feststellungen des FG selbst zum Ausbau des Kellers verpflichtet. Für den Fertighaushersteller war er als Vermittler tätig. Aufgrund dieser Verbindung war er zu einer Vorplanung in der Lage, die es ihm ermöglichte, den Klägern das Grundstück mit einem Gebäude zu einem im wesentlichen feststehenden Preis anzubieten. Durch die Reihenfolge des Abschlusses der Verträge haben die Kläger das Interesse des projektanbietenden Grundstücksveräußerers an einem Abschluß aller Verträge tatsächlich hingenommen und so den Zugang zum Grundstück erhalten. Zwischen den Verträgen bestand nach alldem ein so enger sachlicher Zusammenhang, daß die Kläger objektiv gesehen als einheitlichen Leistungsgegenstand das mit einem Fertighaus bebaute Grundstück erhielten. Das FA hat daher zu Recht die Aufwendungen für die Errichtung des Gebäudes in die Gegenleistung miteinbezogen. Dabei ist es nach Auffassung des Senats unerheblich, wenn die nur vom Kläger unterzeichneten Verträge über das Fertighaus und über den Keller auch nur den Kläger berechtigen und verpflichten sollten, nicht aber zugleich auch seine das Grundstück zur ideellen Hälfte miterwerbende Ehegattin (die Klägerin). Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs kann --zumindest in einem derartigen Fall, bei dem die Erwerber das Grundstück in bewußtem und gewollten Zusammenwirken erwarben-- für beide Erwerber der Miteigentumsanteile nur derselbe sein. Beide können das Grundstück notwendigerweise nur in demselben Zustand erhalten, da die Errichtung des Gebäudes sachenrechtlich jedem ideell am Grundstück Mitberechtigten zu Gute kommt. Der aus den Verträgen über die Errichtung des Gebäudes nicht selbst Verpflichtete wendet allerdings --ungeachtet möglicher zivilrechtlicher Ausgleichsansprüche-- selbst für das Gebäude nichts auf. Für seinen Erwerb sind jedoch die über den eigenen Anteil am Grundstück (und damit auch am noch zu errichtenden Gebäude) hinaus gehenden Aufwendungen des anderen Miteigentümers eine Leistung eines Dritten i.S. § 9 Abs.2 Nr.4 GrEStG 1983. Im Ergebnis führt dies dazu, daß für beide als Miteigentümer erwerbenden Ehegatten dieselbe Grunderwerbsteuer anfällt.
Diesem Entscheidungsergebnis widerspricht es nicht, daß eine Leistungsstörung in dem Fertighausvertrag sich zivilrechtlich (möglicherweise) auf den Grundstückskaufvertrag nicht ausgewirkt hätte. Derartige nachträglich möglicherweise sich ergebenden, aber keinesfalls von Beteiligten eingeplanten Umstände wären grunderwerbsteuerrechtlich insoweit erst zu berücksichtigen, wenn sie tatsächlich einträten. Das Entscheidungsergebnis wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß der projektanbietende Grundstücksveräußerer für das Grundstück eine Bebauung mit gewissen Varianten anbieten konnte. Aufgrund des vorherigen Abschlusses der Verträge über das Fertighaus und den Keller stand jedenfalls bei Abschluß des Grundstückskaufvertrages im wesentlichen fest, welche Bebauung vorgenommen wird. Die danach vereinbarten Änderungen überschreiten nicht das Ausmaß, wie sie beim Kauf eines Grundstücks mit noch zu errichtendem Gebäude üblich sind.
2. Die Entscheidung des FG beruht auf anderen Grundsätzen. Sie ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 62782 |
BFH/NV 1990, 28 |
BStBl II 1990, 443 |
BFHE 159, 368 |
BFHE 1990, 368 |
BB 1990, 1122 |
BB 1990, 1122-1123 (LT) |
DStR 1990, 350 (KT) |
HFR 1990, 435 (LT) |
StE 1990, 131 (K) |