Leitsatz (amtlich)
Sind die im Betrieb eines Gestüts durch die Art der Bewirtschaftung in den ersten acht Jahren entstandenen Verluste so hoch, daß der Steuerpflichtige davon ausgehen mußte und auch davon ausgegangen ist, daß diese Verluste im Laufe der Gesamtentwicklung des Betriebs durch spätere Gewinne einschließlich möglicher Veräußerungsgewinne auch nicht annähernd ausgeglichen werden können, so sind die Verluste nichtsteuerbare Einkünfte aus Liebhaberei (Anschluß an die Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 25.Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751).
Normenkette
EStG § 2 Abs. 1-2, § 13
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war in den Streitjahren Kaufmann. Er betreibt auf einem gepachteten Gut ein Gestüt.
Auf dem Gutshof nahm der Kläger erhebliche Neubauten, Neuanlagen und Umbauten sowie Restaurierungsarbeiten vor. Eingerichtet wurde ein umfangreiches Gestüt mit allen erforderlichen Anlagen.
Die Beteiligten streiten um die steuerliche Anerkennung der Verluste aus dem Gestüt.
Mit der Klage vertrat der Kläger die Auffassung, bei den Betriebsergebnissen des Gestüts handle es sich um steuerlich zu berücksichtigende Einkünfte. Die bisherigen Verluste seien als Anfangsverluste zu behandeln. Die Voraussetzungen für den Begriff einer Liebhaberei lägen beim Gestüt nicht vor. Streitig sei lediglich das Kriterium der Gewinnerzielungsabsicht. Ein solches sei bei ihm vorhanden und habe sich auch objektiv unter Berücksichtigung außergewöhnlicher Fakten durch Gewinn bestätigt.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.
Es vertrat die Auffassung, der Kläger habe das Gestüt in sämtlichen streitigen Wirtschaftsjahren nicht mit Gewinnerzielungsabsicht unterhalten. Er habe großzügig investiert und hohe Verluste in Kauf genommen, da ihm aus anderen Quellen entsprechende Mittel zur Verfügung gestanden hätten. Dem Kläger habe von Anfang an klar sein müssen, daß bei dem von ihm eingerichteten, unterhaltenen und geförderten Gestüt Gewinne nicht zu erzielen gewesen seien. Ein Vergleich der Einnahmen und der Ausgaben in den Streitjahren ergebe, daß die Einnahmen fast in jedem Jahr ganz erheblich unter 50 v.H. der Ausgaben gelegen seien.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 2, 4 und 13 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie die Nichtbeachtung des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6.März 1980 IV R 182/78 (BFHE 131, 18, BStBl II 1980, 718). Der Kläger weist darauf hin, daß dieses Urteil gegenüber früheren Urteilen eine Verbesserung für die Anerkennung von negativen Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft gebracht habe, weil nicht mehr gefordert werde, daß aus den später zu erzielenden Gewinnen auch die früheren Verluste abgedeckt werden müßten. Eine achtjährige Anlaufzeit werde in diesem Urteil nicht für ungewöhnlich angesehen. Es müsse nur die Möglichkeit bestehen, in späteren Jahren nachhaltig Gewinne zu erzielen, auch wenn sie noch so gering seien. Der Beweis, daß bescheidene Gewinne erzielt werden könnten, sei durch das Gutachten eines vereidigten Sachverständigen erbracht worden. Einen Gegenbeweis habe das FG jedoch nicht erbracht.
Außerdem rügt der Kläger die Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und festzustellen, daß die geltend gemachten Verluste aus Land- und Forstwirtschaft steuerlich berücksichtigt werden müssen. Hilfsweise beantragt er, unter Aufhebung der Vorentscheidung eine angemessene Anlaufzeit für das Gestüt festzustellen und für diese Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft anzuerkennen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 25.Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) sind im betrieblichen Bereich unter einer gewöhnlich als Liebhaberei bezeichneten Betätigung, die nicht Grundlage der Einkünfte im Sinne der Einkunftsarten des § 2 Abs.3 Nrn.1 bis 3 EStG sein kann, zunächst solche Tätigkeiten zu verstehen, die ohne Gewinnerzielungsabsicht ausgeübt werden, oder, allgemeiner ausgedrückt, nicht der Erzielung positiver Einkünfte dienen, sondern aus persönlichen, nicht wirtschaftlichen Gründen der Lebensführung betrieben werden. Dabei geht der Große Senat davon aus, daß auf die fehlende Gewinnerzielungsabsicht als innere Tatsache nur aus den objektiven Umständen und Verhältnissen geschlossen werden kann.
Diese Grundsätze, die in wesentlichen Punkten der bisherigen Rechtsprechung des BFH zur Liebhaberei entsprechen, haben aber dadurch eine neue Perspektive erhalten, daß der Große Senat --im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung, auf die sich der Kläger beruft-- die Gewinnerzielungsabsicht als Streben nach Betriebsvermögensmehrung in Gestalt eines Totalgewinns, d.h. eines positiven Gesamtergebnisses des Betriebs von der Gründung bis zur Veräußerung, Aufgabe oder Liquidation definiert. Diese für Gewerbebetriebe eingeführte Definition gilt auch für die freien Berufe und für die Land- und Forstwirtschaft. Danach kann bei hohen Anfangsverlusten, unabhängig von den Gründen ihrer Entstehung, eine Gewinnerzielungsabsicht nur bejaht werden, wenn der Steuerpflichtige aufgrund von Erwägungen, die sich durch objektive Umstände begründen lassen, davon ausgehen konnte, daß im Laufe der Gesamtentwicklung des Betriebs Periodengewinne in einer Gesamthöhe erwirtschaftet werden, die nicht nur die bisher angefallenen Verluste ausgleichen, sondern darüber hinaus zu einer echten Mehrung des Betriebsvermögens führen.
Eine so verstandene Gewinnerzielungsabsicht hat der Kläger zu keinem Zeitpunkt behauptet. Der Kläger und der von ihm bestellte Gutachter haben vielmehr stets vorgetragen, daß nach der Umstellung des Betriebs bescheidene Gewinne zu erwirtschaften seien, die jedoch nicht ausreichen würden, die entstandenen Verluste auszugleichen. Dabei ging der Kläger von der bisherigen Rechtsprechung aus, die keinen allgemeinen Grundsatz kannte, wonach bei über Jahre hin mit Verlusten arbeitenden Betrieben die steuerliche Berücksichtigung dieser Verluste stets voraussetze, daß sie durch diese in der Zukunft in Aussicht stehenden Gewinne rechnerisch nicht nur ausgeglichen werden, sondern daß darüber hinaus Gewinne erzielt werden können. Für die Berücksichtigung solcher Verluste genügte hier die Feststellung, daß in Zukunft nachhaltige, wenn auch bescheidene Gewinne erwirtschaftet werden können, wobei das Gewicht auf der Nachhaltigkeit der Gewinne, nicht auf ihrer Höhe lag (vgl. Urteil in BFHE 131, 18, BStBl II 1980, 718).
Der erkennende Senat hat nunmehr bei seiner Entscheidung von den Grundsätzen des Beschlusses in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 auszugehen, an den er gebunden ist und auf den sich auch der Kläger beruft, weil er meint, das Voranstellen der Gewinnerzielungsabsicht durch den Großen Senat beweise die Richtigkeit seiner eigenen Auffassung. Nach dem festgestellten unstreitigen Sachverhalt gelangt der Senat zu dem Ergebnis, daß der Kläger zu keinem Zeitpunkt eine Gewinnerzielungsabsicht im Sinne der Entscheidung des Großen Senats haben konnte.
Die Pachtzeit betrug 22 Jahre. Der Verpächter räumte dem Kläger für weitere 5 Jahre ein Vorpachtrecht ein und für die Zeit des Pachtverhältnisses ein Vorkaufsrecht. Als Gesamtbetriebszeit des Pachtbetriebs kann daher bei Beurteilung eines möglichen Totalgewinns höchstens von einem Zeitraum von 27 Jahren ausgegangen werden.
Wie das FG unbestritten festgestellt hat, erklärte der landwirtschaftliche Sachverständige A, der den Kläger beriet, anläßlich einer Vorbesprechung zur Schlußbesprechung der Betriebsprüfung, daß es unmöglich sei, die ausgewiesenen Verluste jemals durch Gewinne aufzuholen. Die Richtigkeit dieser Feststellung läßt sich selbst dann zur Gewißheit erhärten, wenn man von den Berechnungen im Gutachten des vom Kläger bestellten Sachverständigen B ausgeht, die eine optimale Entwicklung des Betriebs prognostizieren. Nach diesen Berechnungen betrugen die ausgewiesenen Verluste des Klägers bis einschließlich des Wirtschaftsjahres 1979/80 ... Millionen.
Auch unter Berücksichtigung der unterstellten Verbesserung der Ertragslage des Betriebs gelangt der Gutachter nur zu einem erzielbaren Jahresgewinn von 25 000 DM. Dabei kommt er für das Gestüt trotz Rationalisierung weiterhin zu einem Verlust von 232 000 DM pro Jahr, der durch Gewinne im Pensionspferdebetrieb und aus anderen Nebeneinkünften mit einem Überschuß von 25 000 DM ausgeglichen werden soll.
Nach den Einwänden des FA gegen die Einnahmeprognosen des Gutachtens für die Pferdeverkäufe und für die Pensionspferdehaltung, die sich auf die bisher tatsächlich erzielten Einnahmen stützen, könnten in Zukunft nicht einmal die vom Gutachter berechneten bescheidenen Gewinne von 25 000 DM pro Jahr erzielt werden. Auch das FG hält die Einnahmeprognosen des Gutachters für zweifelhaft, weil sie auf einer Modellrechnung unter Zugrundelegung einer denkbar besten Nutzung beruhen, die tatsächlich nicht erreicht wurde.
Ob die Einwände des FA berechtigt sind, braucht nicht entschieden zu werden. Denn auch dann, wenn die Prognosen des Gutachters haltbar wären, könnte mit den berechneten geringen laufenden Gewinnaussichten während der voraussichtlichen Betriebszeit nicht einmal ein Zehntel der Verluste ausgeglichen werden. Ein nur annähernder Ausgleich, selbst ein Ausgleich nur zur Hälfte, wäre auch dann nicht möglich, wenn man --entsprechend dem Beschluß in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751-- mögliche Veräußerungsgewinne beim lebenden und toten Inventar in die Prognose noch einbeziehen würde, da es sich beim Betrieb des Klägers um einen Pachtbetrieb auf fremdem Grund und Boden handelt. Dagegen läßt sich nicht einwenden, bei den Streitjahren handle es sich um sog. Anlaufjahre des Betriebs, bei denen nach der Rechtsprechung des Senats Verluste nur dann steuerlich nicht anerkannt werden, wenn eindeutig feststeht, daß der Betrieb, so wie er geführt wurde, von vornherein nicht in der Lage war, nachhaltige Gewinne zu erzielen. Denn nachhaltige Gewinne im Sinne der Entscheidung in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 heißt hier, nachhaltige Gewinne in Gestalt eines Totalgewinns, und das Nichterreichen eines solchen Totalgewinns stand nach der Art des Betriebs des Klägers und seiner Betriebsführung vor allem in der Anfangsphase von vornherein fest. Das ergab sich schon aus der Höhe der Investitionen, bei der für jeden erfahrenen Kaufmann nicht zweifelhaft sein konnte, daß sie im aufwendigen Betrieb einer Pferdezucht mit Nebenbetrieben durch Gewinne nicht ausgeglichen werden konnte. Das Streben konnte danach von Anfang an nicht auf Gewinn gerichtet sein, sondern nur darauf, die Verluste in einer tragbaren Höhe zu halten. Inwieweit der Aufbau des Betriebs eine Fehlmaßnahme war, kann dabei dahingestellt bleiben.
Die Schlußfolgerung des FG, daß der Kläger das Gestüt und den dazugehörigen Betrieb von Anfang an nicht mit Gewinnerzielungsabsicht, sondern aus persönlicher Neigung als Freund des Reitsports sowie der Pferdezucht und damit im Rahmen seiner privaten Lebensführung eingerichtet und unterhalten hat, ist daher zutreffend. Sie konnte auch mit der Revision nicht widerlegt werden. Die streitigen Verluste des Klägers sind daher keine Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, sondern nichtsteuerbare Einkünfte, die steuerlich nicht berücksichtigt werden können. Das FA hat es daher mit Recht abgelehnt, die Verluste des Klägers in den Streitjahren im Rahmen einer gesonderten Gewinnfeststellung festzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 61043 |
BStBl II 1985, 399 |
BFHE 143, 361 |
BFHE 1985, 361 |
BB 1985, 1244-1244 (LT) |
DB 1985, 1671-1672 (ST) |
DStR 1985, 445-445 (L) |
HFR 1985, 410-411 (ST) |