Leitsatz (amtlich)
Hat ein nach dem Recht des Staates New York beerbter Erblasser verfügt, daß der nach Erfüllung bestimmter Legate (legacies) verbleibende Reinnachlaß (residual estate) auf einen Trust zu übertragen ist, so ist derjenige, dem der Erblasser eine lebenslängliche Berechtigung an den Erträgnissen des Trustvermögens (life estate) zugewendet hat, berechtigt, einen entsprechenden Teil der auf das Trustvermögen (als Auslandsvermögen) entfallenden Nachlaßsteuern der USA und des Staates New York von der deutschen Erbschaftsteuer abzuziehen. Das Ausmaß des Abzuges richtet sich nach dem Verhältnis des Wertes des Rechts auf die Erträgnisse zum Trustvermögen, jeweils bewertet nach den Vorschriften des deutschen Bewertungsrechts.
Normenkette
ErbStG 1959 § 9 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der US-Bürger A (Erblasser), Bruder der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), verstarb 1972 in New York, seinem letzten Wohnsitz. Er hinterließ Auslandsvermögen i. S. von § 9 Abs. 2 Nr. 2 des Erbschaftsteuergesetzes (ErbStG 1959). Durch letztwillige Verfügung hatte er bestimmt, daß aus seinem Nachlaß Legate geleistet werden sollten und das nach Abzug von Schulden, Kosten, Steuern und Legaten verbleibende Vermögen (residual estate) an einen Trust fallen sollte. Der Reinertrag des Trustvermögens stand nach dem Willen des Erblassers der Klägerin als life interest auf Lebenszeit zu. Darüber hinaus sollte der Trustee befugt sein, in bestimmten Notfällen nach seinem Gutdünken der Klägerin aus dem Stamm des Trustvermögens über die Erträgnisse hinaus Beträge zuzuwenden. Nach dem Tode der Klägerin sollte das dann noch vorhandene Trustvermögen an die vier Kinder der Klägerin (remaindermen) bzw. an die vom Erblasser bestimmten Ersatzerben ausgekehrt werden.
Gegen den Nachlaß wurden in den USA eine Nachlaßsteuer des Bundes (federal estate tax) und eine Nachlaßsteuer des Staates New York (New York estate tax) endgültig festgesetzt. Die Steuern wurden von den Legataren und dem Trust anteilig getragen.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte die Erbschaftsteuer gegen die Klägerin als Erstbegünstigte durch Bescheid vom 16. Januar 1974 vorläufig, durch Einspruchsentscheidung vom 21. März 1978 endgültig fest. Dabei ging das FA davon aus, daß der Klägerin aus dem Trustvermögen jährliche Nettoeinkünfte zufließen würden, deren Wert gemäß § 14 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes i. d. F. der Bekanntmachung vom 10. Dezember 1965 (BewG 1965) anzusetzen sei. Den Antrag der Klägerin auf Anrechnung von amerikanischen Nachlaßsteuern lehnte es ab. Zur Begründung führte es aus:
Das von der Klägerin erworbene Nutzungsrecht am Trustvermögen habe nicht der amerikanischen Erbschaftsteuer unterlegen. Weil diese nicht die Bereicherung des Bedachten erfasse, sondern auf der Substanz des Nachlasses liege, sei das Nutzungsrecht der Klägerin, welches nicht Teil der Substanz sei, auch nicht mit amerikanischer Steuer belastet. Ferner ergebe sich auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise keine Belastung der Klägerin, weil ihr Anspruch von vornherein nur auf die Erträge des um die amerikanische Erbschaftsteuer geminderten Restnachlasses gerichtet sei. Die ausländische Erbschaftsteuer dürfe schließlich aus dem Grunde nicht auf den Erwerb der Klägerin angerechnet werden, weil es sonst zu einer doppelten Anrechnung komme; denn auch der Substanzerbe habe einen Anspruch auf Anrechnung der vollen ausländischen Steuer.
Das Finanzgericht (FG) hat der auf Aufhebung des Steuerbescheids in der Gestalt der Einspruchsentscheidung gerichteten Klage stattgegeben. Sein Urteil ist auszugsweise in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 82 veröffentlicht worden.
Das FA hat Revision eingelegt und beantragt, die Klage unter Aufhebung des FG-Urteils abzuweisen.
Seine Revision ist unbegründet.
Entscheidungsgründe
Dem FG ist darin zu folgen, daß nach der zulässigen Anrechnung eines Teiles der rechtskräftig festgesetzten Nachlaßsteuern der USA und des Staates New York nach § 9 Abs. 1 ErbStG 1959 eine deutsche Erbschaftsteuer nicht mehr verbleibt.
Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 ErbStG 1959 ist dann, wenn in den Fällen des § 8 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1959 zu dem steuerpflichtigen Erwerb Auslandsvermögen gehört, auf Antrag die dafür rechtskräftig festgesetzte ausländische Erbschaftsteuer in bestimmtem Umfang auf die deutsche Erbschaftsteuer anzurechnen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind erfüllt.
Die Klägerin war Inländerin, ihr Erwerb bestand nur aus Auslandsvermögen. Hieran ändert auch der Umstand nichts, daß ihr nach dem maßgebenden Erbrecht des Staates New York als erster Berechtigter nicht die Substanz des Trustvermögens zustand, sondern lediglich eine lebenslängliche Ertragsberechtigung, während der Trustee treuhänderischer Eigentümer wurde. Auch die Ertragsberechtigung an einem Auslandsvermögen ist i. S. des § 9 Abs. 1 ErbStG 1959 Auslandsvermögen. Für dieses Auslandsvermögen ("dafür") ist auch eine ausländische Erbschaftsteuer rechtskräftig festgesetzt worden.
Zu den ausländischen Erbschaftsteuern in diesem Sinne gehören nicht nur ausländische Erbanfallsteuern, sondern auch ausländische Nachlaßsteuern, wie im vorliegenden Fall die federal estate tax der USA und die estate tax des Staates New York. Auch Nachlaßsteuern sind auf den Übergang des Vermögens des Erblassers gelegt (vgl. z. B. SEC.2001 Internal Revenue Code). Die Nachlaßsteuern werden somit im Ergebnis auch für den Erwerb des Nachlaßvermögens gezahlt, wenn auch Steuerschuldner der executor ist. Diese Auffassung entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. die Urteile vom 26. Juni 1963 II 196/61 U, BFHE 77, 227, BStBl III 1963, 402, und vom 28. Februar 1979 II R 165/74, BFHE 127, 432, BStBl II 1979, 438).
Da die Nachlaßsteuer gegen den executor in einer Summe festgesetzt wird, ist sie für die Anrechnung auf die einzelnen Berechtigten aufzuteilen. Diese Aufteilung wird im allgemeinen nicht problematisch sein. Besonderheiten ergeben sich aber, wenn der Erblasser Vermögen in Trust gegeben und aufeinanderfolgende Berechtigungen angeordnet hat.
Grundsätzlich ist auch die ausländische Nachlaßsteuer abzugsfähig, die auf das Trustvermögen entfällt. Zum Abzug berechtigt sind diejenigen, die hinsichtlich des Trustvermögens materiell berechtigt sind. Hierzu gehört auch der Erstberechtigte. Auch wenn er gegenüber dem Trustee nur einen Anspruch auf die Erträge hat, so ist er während des Bestehens seiner Berechtigung der einzige, dem gegenwärtige materielle Rechte gegenüber dem Trustvermögen zustehen. Dies rechtfertigt es, ihm einen Anspruch auf Abzug der ausländischen Nachlaßsteuer zuzugestehen.
Für dieses Ergebnis spricht auch folgende Überlegung: Würde in den USA keine Nachlaßsteuer, sondern eine Erbanfallsteuer erhoben werden, so wäre die Klägerin als Erstberechtigte auch mit einer ausländischen Erbanfallsteuer belastet worden, die sie auf ihre deutsche Erbschaftsteuer hätte anrechnen können. Es ist nicht einsichtig, warum diese Anrechnungsmöglichkeit allein deshalb entfallen sollte, weil in den USA der Nachlaß als solcher versteuert wird, an dem die Klägerin kraft ihres life interest für ihre Lebenszeit materiell rechtlich beteiligt ist. Daß diese Überlegung richtig ist, zeigt sich auch darin, daß das Nachlaßvermögen ggf. zwischen dem Vorberechtigten und dem remainderman aufzuteilen ist, z. B. dann, wenn nach dem Nachlaßsteuerrecht Steuerfreiheit lediglich hinsichtlich des remainders besteht (vgl. hierzu § 2031-10 der United States Treasury Regulations, Federal Register vom 4. Dezember 1970, Volume 35, Number 235, page 18461).
Die Frage, inwieweit die Klägerin als Erstberechtigte die ausländischen Nachlaßsteuern im vorliegenden Fall anrechnen kann, ist dahin zu beantworten, daß das Ausmaß des Abzuges von der erbschaftsteuerrechtlichen Behandlung ihres Erwerbes abhängt. Da ihr Erwerb nicht mit dem vollen Wert des Trustvermögens, an dem sie berechtigt ist, angesetzt wird, sondern nur mit dem Kapitalwert der voraussichtlichen Erträge (vgl. das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 12. Mai 1970 II 52/64, BFHE 105, 44, 47, BStBl II 1972, 462), ist auch der Abzug der auf den Trust entfallenden Nachlaßsteuern nur in diesem Ausmaß zulässig. Insoweit ist die Abzugsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 ErbStG 1959 verbraucht. Jedenfalls hinsichtlich dieses Betrages sind die remaindermen nicht mehr zu einem späteren Abzug berechtigt.
Ob für die remaindermen noch eine Abzugsmöglichkeit verbleibt, braucht in diesem Zusammenhang nicht entschieden zu werden (vgl. zum Recht ab 1. Januar 1974 § 21 Abs. 1 Satz 4 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes - ErbStG 1974 -, ferner Art. 12 Abs. 3 des Abkommens vom 3. Dezember 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Nachlaß-, Erbschaft- und Schenkungsteuern und die Ausführungen der Denkschrift zum Abkommen zu Art. 12, BT-Drucks 9/1357, 14, 22). Es bleibt auch unerörtert, welche Konsequenzen sich hinsichtlich der Anrechnung möglicherweise daraus ergeben, daß nach dem Tax Reform Act von 1976 während des Bestehens des Trusts oder bei Auflösung des Trusts möglicherweise eine zusätzliche generation skipping transfer tax erhoben wird.
Die Höhe der anrechenbaren ausländischen Nachlaßsteuer ergibt sich aus dem Verhältnis des Steuerwertes des Erwerbes der Klägerin zum Steuerwert des Trustvermögens, jeweils bewertet nach den Vorschriften des deutschen Bewertungsrechts. Daraus folgt, daß die anrechenbaren ausländischen Nachlaßsteuern höher sind als die gegen die Klägerin festgesetzte Erbschaftsteuer.
Fundstellen
Haufe-Index 74336 |
BStBl II 1982, 597 |
BFHE 1983, 133 |