Entscheidungsstichwort (Thema)

Nachträgliche Vereinnahmung von Entgelt

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Leistung in Entgeltserwartung ist auch dann steuerbar, wenn der Leistungsempfänger einseitig seiner Zahlungsverpflichtung nicht nachkommen will.

2. Wird bei einer solchen Leistung das Entgelt nachträglich entrichtet, ist es gemäß § 17 UStG der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Es liegt dann kein nichtsteuerbarer Schadensersatz vor.

 

Normenkette

UStG 1973/1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1; UStG 1973/1980 § 10 Abs. 1; UStG 1973/1980 § 17

 

Tatbestand

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), ein Elektrizitätsunternehmen, duldete aufgrund besonderer Umstände die weitere Stromentnahme durch ihre Vertragspartnerin, obwohl sich diese über Jahre hin weigerte, die Rechnungen der Klägerin zu bezahlen, und eine zwangsweise Durchsetzung der Ansprüche nicht möglich war. Nach mehreren Jahren erhielt die Klägerin doch noch Leistungen für ihre Stromlieferungen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte darauf Umsatzsteuer fest. Die Klägerin war demgegenüber der Ansicht, es handle sich um nichtsteuerbaren Schadensersatz. Die Revision der Klägerin gegen das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts (FG) blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FA hat den streitigen Umsatzsteuerbetrag gegen die Klägerin zu Recht nach § 1 Abs. 1 Nr.1 i.V.m. § 17 Abs. 2, § 10 Abs. 1 UStG 1973/1980 festgesetzt.

a) Nach § 1 Abs. 1 Nr.1 UStG 1973/1980 in den für die Jahre 1978 bis 1983 geltenden Fassungen unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland/Erhebungsgebiet gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Die Steuerbarkeit entfällt nicht, wenn der Umsatz aufgrund gesetzlicher oder behördlicher Anordnung ausgeführt wird.

Die Annahme einer Leistung gegen Entgelt erfordert eine zum Zweck der Entgeltserzielung erbrachte Leistung (Leistungsaustausch); es muß ein zweckgerichtetes Handeln des Leistenden gegeben sein, das sich auf eine gewollte, erwartete oder erwartbare Gegenleistung richtet. Der Tatbestand des Leistungsaustausches setzt danach zwar voraus, daß eine Leistung, nicht aber auch, daß das Entgelt tatsächlich erbracht wird. Letzteres ist zwar der Regelfall; wie § 17 UStG 1973/1980 aber erweist, steht es der Annahme eines Leistungsaustausches nicht entgegen, daß der Leistende die gewollte, erwartete oder erwartbare Gegenleistung, das Entgelt, nicht oder nicht in dem erwarteten Umfang erhält, sei es, daß sich die begründete Entgeltserwartung nicht erfüllt, sei es, daß das Entgelt uneinbringlich wird oder sich nachträglich mindert. Hierdurch wird nicht die Entgeltlichkeit der Leistungsbewirkung i.S. des § 1 Abs. 1 Nr.1 Satz 1 UStG 1973/1980, sondern die Bemessungsgrundlage des steuerbaren und steuerpflichtigen Umsatzes i.S. des § 10 Abs. 1 UStG 1973/1980 berührt (Senatsurteil vom 22.Juni 1989 V R 37/84, BFHE 158, 144, BStBl II 1989, 913). Einer Entgeltserwartung steht gleich, wenn der leistende Unternehmer eine Leistung erbringt, die ihrer Art nach üblicherweise vergütet wird, und zumindest bereit ist, eine Gegenleistung entgegenzunehmen (Senatsurteil vom 7. Mai 1981 V R 47/76, BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495).

b) Nach § 17 Abs. 2 Nr.1 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr.1 UStG 1973/1980 hat der Unternehmer den geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung oder sonstige Leistung uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, ist der Steuerbetrag erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr.1 Satz 2 UStG 1973/1980). Die Berichtigung ist für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem das Entgelt uneinbringlich geworden ist bzw. nachträglich vereinnahmt wird (§ 17 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 UStG 1973 / § 17 Abs. 2 Nr.1 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 UStG 1980).

c) Das FG hat die Stromlieferungen der Klägerin zu Recht als entgeltlich i.S. des § 1 Abs. 1 Nr.1 Satz 1 UStG 1973/1980 behandelt. Es hat revisionsrechtlich einwandfrei die Entgeltserwartung der Klägerin daraus hergeleitet, daß sie auch ab 1978 Rechnungen an . . . (ihre Vertragspartnerin) ausstellte und ihre Ansprüche beim Landgericht. . . einklagte.

Die Klägerin ist bei ihren Steuererklärungen zunächst selbst davon ausgegangen, daß ein Leistungsaustausch i.S. des § 1 Abs. 1 Nr.1 Satz 1 UStG 1973/1980 vorliege, und hat nach Ausbleiben der Zahlungen . . . (ihrer Vertragspartnerin) eine Berichtigung nach § 17 UStG vorgenommen.

Die Verpflichtung der Klägerin, die Stromlieferungen nicht ohne Zustimmung der . . . (eines Hoheitsträgers) einzustellen, steht der Steuerbarkeit nicht entgegen (§ 1 Abs. 1 Nr.1 Satz 2 UStG 1973 / § 1 Abs. 1 Nr.1 Satz 2 Buchst. a UStG 1980).

Somit sind die Zahlungen aufgrund des . . . (Vertrags) nachträglich vereinnahmtes Entgelt und kein Schadensersatz. Im übrigen zeigt auch die Formulierung in Nummer 16 des . . . (Vertrags), daß . . . (die Vertragspartnerin) der Klägerin ,,einen Ausgleich" für den Strombezug aus deren Netzen leisten und nicht einen der Klägerin zugefügten Schaden ersetzen wolte.

2. Keine Anhaltspunkte bestehen, daß die Höhe der festgesetzten Umsatzsteuer unzutreffend sein insbesondere nicht den im jeweiligen Leistungszeitpunkt geltenden Umsatzsteuersatz berücksichtigen könnte.

 

Fundstellen

Haufe-Index 418503

BFH/NV 1993, 131

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