Leitsatz (amtlich)
Zur Grundsteuerpflicht eines außerhalb einer Kaserne liegenden Offiziersheims der Bundeswehr.
Normenkette
GrStG § 4 Nr. 1 Buchst. a, §§ 5-6; GrStDV § 23 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist, ob das der Steuerpflichtigen gehörende Grundstück in vollem Umfang von der Grundsteuer zu befreien ist.
Auf dem der Steuerpflichtigen gehörenden Grundstück steht ein älteres Gebäude, das als sogenanntes Offiziersheim genutzt wird. Das Grundstück liegt etwa 500m von der Kaserne entfernt im Wohngebiet der Stadt. Es diente nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz am Bewertungsstichtag 1. Januar 1961 im einzelnen folgenden Zwecken:
a) als Kasino (Klubraum, Bar, Getränkekeller, Garderobe, Ablage, Raum für Tischtennis, Wintergarten mit Musikzimmer u. ä.),
b) der Ausbildung und Weiterbildung (Speisesaal, Lesezimmer und Klubraum, die jedoch überwiegend für Besprechungen, Planspiele und Vorträge genutzt werden),
c) zwei Offzieren als Wohnung (2 Zimmer, 2 Toiletten, Flur),
d) als Wohnung für eine Offiziersfamilie (Wohnzimmer, Kinderzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad, Balkon, Keller),
e) Flure, Treppen, Heizungskeller u. ä.
Das FA (Revisionskläger) bewertete das Grundstück zum 1. Januar 1961 als "sonstiges bebautes Grundstück" mit einem Einheitswert von 58 500 DM. Den Grundsteuermeßbetrag setzte es auf 468 DM fest. Der Einspruch hatte zum Teil Erfolg. Das FA ging nunmehr davon aus, daß das Gebäude zum Teil, nämlich wie oben unter b) dargestellt, unmittelbar für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch genutzt werde. Diese Nutzfläche betrage etwa 25 v. H. der in der obigen Aufstellung unter a) bis d) genannten Räume. Deshalb seien 25 v. H. dieser Nutzflächen von der Grundsteuer zu befreien. Ebenso seien 25 v. H. der in der Aufstellung unter e) genannten Nutzflächen grundsteuerbefreit, weil diese Flächen anteilig für die steuerbefreiten Zwecke genutzt würden. Das FA stellte den Einheitswert danach auf 43 900 DM fest. Den Grundsteuermeßbetrag setzte es auf 351,20 DM fest.
Mit der Klage machte die Steuerpflichtige geltend, das Offiziersheim werde in erster Linie unterhalten, um einen geregelten Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten. Es diene insbesondere der Kontaktpflege der Offiziere und solle ihr außerdienstliches kameradschaftliches Zusammenleben fördern. Ferner sollten hier Kontakte zu den Reserveoffizieren und zu den Angehörigen der alliierten Streitkräfte hergestellt werden. Die gleichzeitige Eigenschaft des Offiziersheims als Betreuungseinrichtung (Einnahme von Speisen) stelle ein unentbehrliches Hilfsmittel für die hoheitliche Tätigkeit dar. Die Wohnquartiere für Offiziere seien Gemeinschaftsunterkünfte für kasernierungspflichtige Offiziere. Die Vermietung an eine Offiziersfamilie sei nur vorübergehender Art gewesen, was die Steuerbefreiung nicht beeinträchtige.
Das FG gab der Klage statt. Es führte aus, der gesamte Grundstückskomplex sei von der Grundsteuer zu befreien; deshalb sei auch kein Einheitswert festzustellen. Das FG begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt: Die Kaserne und das Offiziershaus bildeten eine Einheit. Lediglich aus Geländemangel seien die Räumlichkeiten getrennt. Das Offiziersheim und die Kantine, die das Essen aus der Kaserne beziehe, dienten dem gleichen öffentlichen Zweck wie die Kaserne selbst. Bei den Offiziersquartieren handele es sich um Gemeinschaftsunterkünfte; denn für die ledigen Offiziere sei Kasernierungspflicht vorgeschrieben. Für die Wohnräume werde auch keine Miete gezahlt. Die von der Offiziersfamilie bewohnten Räume seien ebenfalls von der Grundsteuer zu befreien, weil sie nur vorübergehend einem nicht öffentlichen Zweck zugeführt worden seien. Erst eine jahrzehntelange Nutzung durch eine Offiziersfamilie stelle eine endgültige Zweckentfremdung dar.
Das FA machte mit der Revision geltend, die Kasinoräume dienten nicht überwiegend einem öffentlichen Zweck. Sie seien aus einer gewissen Fürsorge eingerichtet worden. Soweit das FG die Kasinoräume von der Grundsteuer befreie, weil die Verpflegung der Offiziere zu den öffentlichen Einrichtungen der Bundeswehr gehöre, habe es übersehen, daß das FA selbst den Speisesaal, Klubzimmer und ein Lesezimmer als steuerbefreit anerkannt habe. Das sei allerdings nur im Hinblick darauf geschehen, daß diese Räume aus anderen Gründen - also nicht wegen der Einnahme von Speisen - überwiegend einem öffentlichen Zweck dienten. Die Einzelräume für zwei Offiziere seien keine Gemeinschaftsunterkünfte. Den Offizieren hätten gemeinsam ein großes Wohnzimmer, ein Schlafzimmer und Neben- sowie Vorräume zugestanden. Von einer kasernenmäßigen Unterbringung könne deshalb keine Rede sein. Es verstoße gegen den Akteninhalt, wenn das FG davon ausgehe, die in dem Offiziersheim befindliche Wohnung sei nur vorübergehend an Offiziersfamilien vermietet worden. Seit 1949 werde diese Wohnung von Privatpersonen und später - zumindest bis Ende des Jahres 1965 - von Offizieren des Bundesgrenzschutzes und der Bundeswehr als Familienwohnung genutzt.
Das FA beantragte, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage gegen die Einspruchsentscheidung zurückzuweisen.
Die Steuerpflichtige stellte keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist begründet.
1. Es bestehen Bedenken, ob das FA die Sach- und Rechtslage insofern zutreffend beurteilt hat, als es 25 v. H. der Räume, die in der obigen Aufstellung unter a) bis d) genannt sind, und insbesondere 25 v. H. der Aufgänge, Treppen und Flure von der Grundsteuer freistellte. Der Senat kann jedoch hierzu nicht Stellung nehmen, weil er über das Revisionsbegehren des FA nicht hinausgehen darf (§§ 121, 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).
2. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz sind die Räume des Offiziersheims, die überwiegend dem Kasinobetrieb dienen (vgl. obige Aufstellung a), nicht grundsteuerbefreit.
Rechtsgrundlage für eine Grundsteuerbefreiung kann im Streitfall nur § 4 Nr. 1 Buchstabe a in Verbindung mit §§ 5, 6 GrStG sein. Hiernach ist u. a. der Grundbesitz des Bundes von der Grundsteuer befreit, wenn er von dem Eigentümer unmittelbar für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt wird und nicht Wohnzwecken dient. Unter öffentlichem Dienst oder Gebrauch ist dabei nach § 4 Abs. 1 GrStDV die Ausübung der öffentlichen Gewalt (hoheitliche Tätigkeit) oder der Gebrauch durch die Allgemeinheit zu verstehen. Als Ausübung der öffentlichen Gewalt sieht die Rechtsprechung eine Tätigkeit an, durch die eine öffentlich-rechtliche Körperschaft Aufgaben erfüllt, die ihr in ihrer Eigenschaft als Träger der öffentlichen Gewalt eigentümlich und vorbehalten sind (vgl. Urteil des BFH III 379/60 U vom 11. Oktober 1963, BFH 77, 686, BStBl III 1963, 571, und die dort angeführten Entscheidungen). Hierzu gehört die Ausbildung der Bundeswehr und ihrer Offiziere.
Die in der Aufstellung unter a) genannten Räume dienen, wie die Steuerpflichtige selbst ausführte, vor allem der Kontaktpflege der Offiziere und Reserveoffiziere. Darin ist keine tatsächliche und unmittelbare Nutzung für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch zu erblicken. Der Senat hat in dem Urteil III 379/60 U (a. a. O.) entschieden, Postkantinen dienten unmittelbar einem öffentlichen Dienst. Die Fürsorgepflicht für die Beamten und Angestellten sei zwar kein Befreiungsgrund des Grundsteuerrechts. Sie bestehe für jeden öffentlichen und privaten Betrieb. Die Kantinen müßten jedoch in erster Linie unterhalten werden, um einen geregelten Postbetrieb aufrechterhalten zu können. Sie seien ein unentbehrliches Hilfsmittel, ohne das die Bundespost ihre hoheitliche Tätigkeit heute nicht mehr erfüllen könne. Das Kasino dagegen kann nicht als ein derartiges unentbehrliches Hilfsmittel angesehen werden. Der Kontakt und die Kameradschaft unter den Offizieren und Reserveoffizieren sowie das Verständnis mit den alliierten Streitkräften sind zweifellos zweckmäßig und der Zusammenarbeit im Dienst förderlich. Die Räume, in denen dies gefördert werden soll, sind jedoch deshalb noch kein unentbehrliches Hilfsmittel für die hoheitliche Tätigkeit der Steuerpflichtigen. Sie dienen nicht unmittelbar dem öffentlichen Dienst oder Gebrauch. Mit der Zurverfügungstellung dieser Räume kommt die Steuerpflichtige vielmehr ihrer Fürsorgepflicht gegenüber den genannten Personen nach. Räume, die die Steuerpflichtige aber in Erfüllung dieser Pflicht zur Verfügung stellt, dienen nicht unmittelbar der hoheitlichen Tätigkeit.
Auch aus § 23 Abs. 2 GrStDV kann die Grundsteuerbefreiung der hier streitigen Räume nicht hergeleitet werden. Diese Bestimmung befreit nur solche "sonstige gemeinschaftliche Aufenthaltsräume", die mit Gemeinschaftsräumen im Sinne des § 5 Nrn. 1 bis 4 GrStG im Zusammenhang stehen (vgl. Urteil III 379/60 U, a. a. O., 1. Absatz unter III). Wie anschließend noch ausgeführt wird, sind im Streitfall aber Gemeinschaftsräume im im Sinne der genannten Vorschrift nicht vorhanden.
3. Unstreitig dienen die den beiden Offizieren zur Verfügung stehenden Räume (obige Aufstellung unter c) Wohnzwecken. Sie könnten deshalb nur dann von der Grundsteuer befreit werden, wenn sie sich auf dem Kasernengrundstück befänden und kasernierungspflichtigen Bundeswehrangehörigen als Unterkunft dienten und damit unmittelbar für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch benutzt würden bzw. als unentbehrliches Hilfsmittel dafür anzusehen wären (§ 4 Nr. 1 Buchstabe a GrStG) oder wenn sie Gemeinschaftsunterkünfte im Sinne von § 5 Nr. 1 GrStG wären. Beides ist indessen nicht der Fall.
Das Offiziersheim befindet sich außerhalb der Kaserne. Es bildet mit dieser schon wegen der großen räumlichen Entfernung keine Einheit. Die Gründe, weshalb das Offiziersheim nicht innerhalb des Kasernengeländes errichtet ist, sind entgegen der Auffassung des FG für die Grundsteuerpflicht ohne Belang.
Das Offiziersheim selbst ist auch kein Kasernengrundstück. Der Begriff Kaserne erfordert ein Gebäude, das der - aus Gründen der Dienstzucht gemeinschaftlichen und geschlossenen - Unterkunft einer Gliederung der Wehrmacht oder der ihr angegliederten Ausbildungsanstalten und dergleichen dient (Urteil des RFH III 231/39 vom 30. November 1939, RStBl 1940, 348). Das streitige Offiziersheim erfüllt diese Voraussetzungen schon deshalb nicht, weil es nur in ganz untergeordnetem Maß der Unterkunft von Offizieren und Offiziersanwärtern dient.
Weder das Offiziersheim als Ganzes noch Teile dieses Gebäudes sind als Gemeinschaftsunterkunft nach § 5 Nr. 1 GrStG anzusehen. Eine solche Unterkunft erfordert u. a. , daß die Räume einer Gemeinschaft dienen und dazu auch bestimmt sowie eingerichtet sind. Die Räume müssen also ein geregeltes Gemeinschaftsleben fördern. Die gemeinschaftlichen Unterkünfte müssen ferner als Hauptzweck der Verstärkung und ständigen Bereithaltung des Schutzdienstes, also dem öffentlichen Dienst, dienen. Dieser Zweck muß den Wohnzweck überragen (vgl. Scholz, Grundsteuergesetz, Kommentar, 2. Auflage, § 5 Anm. 8). Das ergibt sich daraus, daß nach § 5 Nr. 1 GrStG nur Gemeinschaftsunterkünfte bestimmter Schutztruppen, die also hoheitliche Aufgaben haben, befreit sind und daß weiter die Vorausetzungen des § 4 GrStG erfüllt sein müssen. Auch die Fassung des § 5 Nr. 1 GrStG 1936 spricht für diese Auslegung. Danach waren ursprünglich "Kasernen- und Lagerunterkünfte der Wehrmacht" usw. von der Grundsteuer befreit. Das GrStG 1951 hat die Worte "Kasernen", "Lager", "Wehrmacht" usw. gestrichen und dafür die Begriffe "Gemeinschaftsunterkünfte" sowie "Schutzdienst" eingeführt. Damit sollten jedoch nur die seit dem Zusammenbruch eingetretenen Veränderungen berücksichtigt werden (vgl. amtliche Begründung zur Änderung des Grundsteuergesetzes, Deutscher Bundestag, 1. Wahlperiode, Drucksache Nr. 1787, S. 10). Es ist demnach lediglich eine begriffliche und keine sachliche Änderung des § 5 Nr. 1 GrStG herbeigeführt worden.
Die im Streitfall vorhandenen Räume für die beiden Offiziere dienen nach ihrer Ausgestaltung jedoch mehr dem Wohnbedürfnis als der ständigen Bereithaltung der Offiziere für ihren Dienst, wofür vor allem auch die Entfernung zu der Kaserne spricht. Soweit das FG demgegenüber von Gemeinschaftsunterkünften lediglich deshalb ausging, weil die Offiziere hierfür keine Miete zahlen mußten und weil sie kasernierungspflichtig seien, stimmt ihm der Senat nicht zu. Die vom FG angeführten Tatsachen mögen zwar eine gewisse Bedeutung haben. Allein deshalb kann eine Wohnung für zwei Offiziere jedoch nicht als Gemeinschaftsunterkunft angesehen werden.
4. Dem FG ist auch nicht darin zu folgen, die am Bewertungsstichtag 1. Januar 1961 von einer Offiziersfamilie genutzte Wohnung sei von der Grundsteuer befreit. Die Wohnung dient unstreitig nicht unmittelbar einem öffentlichen Dienst oder Gebrauch. Nicht entscheidend ist auch, daß die Räume später für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch genutzt werden sollen; denn die Grundsteuerbefreiungen nach § 4 GrStG kommen nur in Betracht, wenn der Steuergegenstand dem steuerbegüntigten Zweck tatsächlich zugeführt worden ist (BFH-Urteil III 173/64 vom 30. Juni 1967, BFH 89, 390, BStBl III 1967, 659). Das war bezüglich der Wohnung, die der Offiziersfamilie zur Verfügung stand, am Bewertungsstichtag 1. Januar 1961 nicht der Fall. Ob eine vorübergehende Nutzung zu einem nichtsteuerbegünstigten Zweck die Steuerbefreiung nicht ausschließt, wie das FG meint, braucht im Streitfall nicht entschieden zu werden; denn die streitige Wohnung war, worauf das FA zutreffend hinweist, nicht nur vorübergehend einem nichtsteuerbegünstigten Zweck zugeführt worden. Es wäre aber mindestens erforderlich gewesen, daß die Wohnung wenigstens vor und nach dem Stichtag steuerbegünstigten Zwecken gedient hätte. Vor dem Stichtag ist die Wohnung jedoch noch nie steuerbegünstigten Zwecken zugeführt worden. Das war allenfalls in Aussicht genommen.
Die Vorentscheidung war deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Einspruchsentscheidung des FA ist nach dem Vorstehenden im Ergebnis nicht zu beanstanden. Auf die Revision des FA wird deshalb die Berufung (Klage) der Steuerpflichtigen gegen die Einspruchsentscheidung abgewiesen.
Fundstellen
Haufe-Index 68162 |
BStBl II 1968, 719 |
BFHE 1968, 162 |