Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Mehraufwand für Verpflegung als Betriebsausgabe bei selbständig Tätigen.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (Bg.) ist Helfer in Steuersachen. Er machte in seiner Einkommensteuererklärung für 1951 einen Betrag von 475 DM für Verpflegung außerhalb des Hauses als Betriebsausgaben geltend. Das Finanzamt ließ diesen Abzug nicht zu; auch der Steuerausschuß wies den Einspruch des Bg. zurück. Seine Berufung hatte dagegen Erfolg. Das Finanzgericht erkannte den Abzug der geltend gemachten Verpflegungsaufwendungen in voller Höhe an und legte entsprechend den Angaben in der Einkommensteuererklärung die Einkünfte des Bg. aus selbständiger Arbeit in Höhe von 20.302 DM zugrunde. Die Einkommensteuer ermäßigte sich dadurch von 7.080 DM auf 6.855 DM.
In der Berufungsinstanz trug der Bg. erstmals vor, er habe von den geltend gemachten 475 DM einen Teilbetrag von 175 DM an seinen Sohn gezahlt, der bei ihm als Assistent tätig sei. Das Finanzgericht ließ diesen Betrag als Teil der an den Sohn als Arbeitnehmer gezahlten Bezüge zum Abzug zu, lehnte es aber ab, die vom Bg. beantragte Entscheidung darüber zu treffen, ob diese Zuwendung bei dem Sohn lohnsteuerfrei oder lohnsteuerpflichtig ist, da hierfür im vorliegenden Rechtsstreit kein Raum sei. Hinsichtlich der auf den Bg. selbst entfallenden Aufwendungen für Verpflegung außerhalb des Hauses in Höhe von 300 DM bejahte das Finanzgericht ebenfalls die Abzugsfähigkeit. Es führte dazu aus, daß die bisherige Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, die die Abzugsfähigkeit derartiger Aufwendungen verneine, nicht mehr aufrechtzuerhalten sei. Eine Typisierung sei bei der Entscheidung dieser Frage abzulehnen. Es komme nach § 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) allein darauf an, ob derartige Ausgaben im Einzelfall betrieblich oder beruflich bedingt seien, ohne daß die Dauer der Abwesenheit von der Wohnung für die rechtliche Beurteilung Bedeutung habe. Entscheidend sei im vorliegenden Falle, daß der Bg. infolge der beruflichen Inanspruchnahme - wie dies bei großstädischen Verhältnissen vorwiegend der Fall sei - sich mittags nicht nach Hause begeben könne und deshalb für das auswärtige Mittagessen Aufwendungen machen müsse; es könne dem Bg. nicht zugemutet werden, auf das Mittagessen zu verzichten oder es in einer seine Gesundheit und seine Arbeitsleistung beeinträchtigenden Weise zu verschieben. Da die vom Bg. für 200 Tage mit je 1,50 DM geltend gemachten Aufwendungen für beruflich bedingte Verpflegungskosten außerhalb des Hauses der Höhe nach angemessen seien, sei der Berufung in vollem Umfange stattzugeben.
Der Vorsteher des Finanzamts hat gegen diese Entscheidung Rechtsbeschwerde (Rb.) eingelegt und zur Begründung ausgeführt, daß die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Mahlzeiten außerhalb des Hauses zu den nach § 12 Ziff. 1 EStG nicht abzugsfähigen Kosten der privaten Lebenshaltung gehörten. Der Bundesfinanzhof habe zwar bei Arbeitnehmern, die ungewöhnlich lange - nämlich länger als 12 Stunden - von ihrer Wohnung aus beruflichen Gründen abwesend sein müßten, die Berücksichtigung von Mehraufwendungen für Verpflegung zugelassen. Beide Voraussetzungen lägen aber bei dem Bg. nicht vor. Es gehöre zu den Eigentümlichkeiten einer modernen Großstadt, daß sich das Geschäftsleben immer mehr in der Innenstadt konzentriere, und die Wohnungen mehr in die Vorstadt gedrängt würden. Dadurch vergrößere sich zwangsläufig die Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Die in der Großstadt Berufstätigen hätten auf diese Weise einerseits höhere Lebenshaltungskosten, andererseits aber auch gegenüber den in der Kleinstadt Beschäftigten die größeren Aussichten auf eine höhere Vergütung ihrer Arbeitsleistung. Es sei nicht angängig, von dem Erfordernis der Abwesenheit von mehr als 12 Stunden abzugehen. Ein Abweichen von dieser durch den Bundesfinanzhof vorgenommenen Typisierung würde dazu führen, daß nur die wirtschaftlich Bessergestellten sich ein Mittagessen außerhalb ihrer Wohnung leisten und eine entsprechende steuerliche Berücksichtigung erhalten würden, die Minderbemittelten dagegen nicht.
Entscheidungsgründe
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung des Falles zugelassene Rb. ist zum Teil begründet.
Die Rb. kann keinen Erfolg haben hinsichtlich des vom Finanzgericht zugelassenen Abzugs der an den Sohn des Bg. gezahlten 175 DM. Wenn der Bg. auf Grund des mit seinem Sohn geschlossenen Arbeitsvertrages, dessen Rechtswirksamkeit vom Finanzamt nicht angezweifelt wird, an diesen Zuschüsse zu den durch eine Verpflegung außerhalb des Hauses entstehenden Kosten leistet, so handelt es sich hierbei um Zahlungen an einen Arbeitnehmer auf Grund des Arbeitsverhältnisses, die nach § 4 Abs. 4 EStG bei der Gewinnermittlung des Bg. abzugsfähig sind. Ob diese Aufwendungen bei dem Sohn des Bg. dem Lohnsteuerabzug zu unterwerfen sind, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites, wie das Finanzgericht zutreffend ausgeführt hat.
Der Vorentscheidung ist dagegen nicht beizutreten, soweit sie die vom Bg. für seine eigene Verpflegung außerhalb des Hauses geltend gemachten Mehrkosten in Höhe von 300 DM als Betriebsausgaben anerkannt hat. Die Aufwendungen für die Ernährung gehören zu den nach § 12 Ziff. 1 EStG nicht abzugsfähigen Kosten der privaten Lebensführung. Nur soweit private Gründe bei den Aufwendungen für die Verpflegung ausscheiden, steht § 12 Ziff. 1 EStG dem Abzug derartiger Aufwendungen nicht entgegen. Die Aufwendungen für das Essen zu Hause, in einer Gaststätte oder einer Kantine sind daher grundsätzlich sowohl bei Arbeitnehmern als auch bei selbständig Tätigen und Gewerbetreibenden nicht abzugsfähige Kosten der privaten Lebenshaltung. Bei Arbeitnehmern, die regelmäßig ungewöhnlich lange, nämlich länger als 12 Stunden, aus ausschließlich beruflichen Gründen von ihrer Wohnung abwesend sein müssen, sind die dadurch notwendigen zusätzlichen Verpflegungskosten nur deshalb zu den Werbungskosten zu rechnen, weil sie ausschließlich beruflich bedingte Aufwendungen sind (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 119/53 U vom 17. September 1953, Slg. Bd. 58 S. 81, Bundessteuerblatt - BStBl - 1953 III S. 322; IV 393/54 U vom 3. Februar 1955, Slg. Bd. 60 S. 283, BStBl 1955 III S. 109; IV 589/54 U vom 10. Februar 1955, Slg. Bd. 60 S. 287, BStBl 1955 III S. 110). Es kann dem Finanzgericht nicht gefolgt werden, wenn es bei selbständig Tätigen die Kosten eines auswärtigen Essens bereits deshalb als Betriebsausgaben ansieht, weil es für den Steuerpflichtigen zweckmäßig ist, sich mittags nicht nach Hause zu begeben, sondern in einer Gaststätte zu essen. Wie das Finanzamt in seiner Rechtsbeschwerde demgegenüber zutreffend ausführt, ist insbesondere in Großstädten die Einnahme des Mittagessens außerhalb der häuslichen Gemeinschaft für einen so großen Kreis von Erwerbstätigen üblich geworden, daß die Aufwendungen hierfür als Kosten der allgemeinen Lebensführung anzusehen sind. Eine andere Beurteilung ist nur gerechtfertigt, wenn ein Steuerpflichtiger aus beruflichen Gründen gezwungen ist, eine Mahlzeit in einer Gaststätte einzunehmen, in der er sonst nicht zu essen pflegt. Es können ihm hierdurch Mehrkosten gegenüber den sonst notwendigen Aufwendungen entstehen, die als ausschließlich beruflich bedingt anzusehen sind, und denen deshalb das Abzugsverbot in § 12 Ziff. 1 EStG nicht entgegensteht. Diese Voraussetzung wird regelmäßig bei Dienst- oder Geschäftsreisen vorliegen. Derartige Mehraufwendungen können aber auch entstehen, wenn ein Steuerpflichtiger innerhalb der politischen Gemeinde des Ortes seiner Tätigkeit gezwungen ist, in einer Gaststätte zu Mittag zu essen oder eine andere Mahlzeit einzunehmen, in der er sonst nicht zu essen pflegt. Dies wird der Fall sein, wenn er aus beruflichen Gründen in einer solchen Entfernung von seiner regelmäßigen Arbeitsstätte seinem Beruf nachgeht, daß es ihm nicht möglich ist, die Mahlzeit zu Hause oder in der Gaststätte einzunehmen, in der er sonst üblicherweise ißt. Dabei ist den Steuerpflichtigen allerdings zuzumuten, daß sie einen gewissen Weg zu ihrem üblichen Eßlokal in Kauf nehmen. Bei Arbeitnehmern ist in Abschnitt 21 Abs. 2 der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) deshalb bestimmt, daß eine steuerliche Berücksichtigung der Mehraufwendungen für auswärtige Verpflegung erst in Betracht kommt, wenn ein Arbeitnehmer in einer Entfernung von mehr als 5 km von seiner regelmäßigen Arbeitsstätte tätig wird. Der in dieser Verwaltungsanordnung aufgestellte Grundsatz, daß bei einer geringeren Entfernung als 5 km ein steuerlich berücksichtigungsfähiger Mehraufwand für Verpflegung nicht anzunehmen ist, kann als eine den tatsächlichen Verhältnissen gerecht werdende Abgrenzung bei allen Steuerpflichtigen angesehen werden. Ebenso wie bei Arbeitnehmern rechtfertigt auch bei anderen Steuerpflichtigen die Beschäftigung außerhalb des Umkreises von 5 km von der regelmäßigen Arbeitsstätte für sich allein noch nicht die Annahme von ausschließlich beruflich veranlaßten Mehraufwendungen. Dies ist erst möglich, wenn die Notwendigkeit der Einnahme einer Mahlzeit in einem anderen als dem sonst üblichen Eßlokal durch eine gewisse Zeitdauer der Abwesenheit von der regelmäßigen Arbeitsstätte notwendig wird. Es bestehen keine rechtlichen Bedenken, im Interesse einer geichmäßigen Behandlung aller Steuerpflichtigen den Grundsatz zu übernehmen, welcher der Reisekostenregelung der Arbeitnehmer in Abschnitt 21 LStR zugrunde liegt, daß nämlich ein steuerlich berücksichtigungsfähiger Mehraufwand für Verpflegung erst anzuerkennen ist, wenn die Beschäftigung außerhalb der regelmäßigen Arbeitsstätte des Steuerpflichtigen länger als sechs Stunden dauert.
Hinsichtlich der Höhe des Mehraufwandes ist eine Schätzung nicht zu vermeiden. Die tatsächlichen Mehraufwendungen werden im Einzelfalle nach den persönlichen Bedürfnissen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Steuerpflichtigen möglicherweise sehr voneinander abweichen. Eine individuelle Berücksichtigung dieser sämtlichen Umstände ist bei der Besteuerung praktisch nicht durchführbar. Es ist daher nicht zu umgehen, daß der Mehraufwand in den hier in Betracht kommenden Fällen regelmäßig mit einem Pauschalbetrag angenommen wird, der für die Mehrzahl der Fälle nach der Lebenserfahrung zutreffend sein dürfte. In Anlehnung an die Schätzung, die bei Arbeitnehmern mit einer längeren als zwölfstündigen Abwesenheit von der Wohnung einen Mehraufwand für Verpflegung mit regelmäßig 1,50 DM täglich annimmt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs IV 119/53 U vom 17. September 1953, Slg. Bd. 58 S. 81, BStBl 1953 III S. 322), kann dieser Betrag auch in den hier in Betracht kommenden Fällen im allgemeinen zugrunde gelegt werden. Es mag zutreffen, daß Steuerpflichtige für ihre Mittagsmahlzeiten, die sie in einer Gaststätte einnehmen, in der sie sonst nicht zu essen pflegen, für ihre Mittagsmahlzeit mehr als 1,50 DM zusätzlich ausgeben; es wird aber mindestens ebensooft auch der umgekehrte Fall vorkommen. Ein höherer Mehraufwand als 1,50 DM dürfte im allgemeinen darauf zurückzuführen sein, daß der Steuerpflichtige ein Essen einnimmt, das besser ist als die Mahlzeit, die er in seinem eigenen Haushalt oder in seinem ständigen Eßlokal einnehmen würde. Eine derartige Verbesserung ist aber ein Ausdruck der Lebenshaltung und kann gemäß § 12 Ziff. 1 EStG die Einkünfte nicht mindern.
Die Vorentscheidung, die bei der Anerkennung des geltend gemachten Mehraufwands von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, kann insoweit nicht gebilligt werden. Da aus den vorliegenden Unterlagen die Zahl der Tage nicht zu entnehmen ist, an denen der Bg. länger als sechs Stunden weiter als 5 km von seinem Büro entfernt war und eine Mahlzeit auswärts eingenommen hat, ist die Sache noch nicht entscheidungsreif. Sie ist daher zur nochmaligen Prüfung an das Finanzgericht zurückzuverweisen, das die auf tatsächlichem Gebiete liegenden Voraussetzungen unter Zugrundelegung der vorstehenden Gesichtspunkte - notfalls durch Schätzung - zu ermitteln hat.
Fundstellen
Haufe-Index 408233 |
BStBl III 1955, 305 |
BFHE 1956, 278 |
BFHE 61, 278 |