Leitsatz (amtlich)
Die nachträgliche Erhöhung der Gehaltsbezüge eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH, der am Stammkapital der Gesellschaft zu weniger als 50 v. H. beteiligt ist, kann eine verdeckte Gewinnausschüttung sein, wenn gleichzeitig auch die Gehaltsbezüge eines beherrschenden Gesellschafters erhöht werden. Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn eine einseitige Erhöhung zugunsten des beherrschenden Gesellschafters nach Lage des Falles ohne Mitwirkung des Minderheitsgesellschafters nicht durchsetzbar wäre.
Normenkette
KStG § 6 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Streitig ist bei den Körperschaftsteuerveranlagungen 1960 und 1961 der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), ob rückwirkende Gehaltserhöhungen zugunsten ihrer Gesellschafter-Geschäftsführer als verdeckte Gewinnausschüttungen zu beurteilen sind.
Die Klägerin ist eine GmbH, an deren Stammkapital die beiden Geschäftsführer S und M zu je 35 v. H. und die Ehefrau des Geschäftsführers S mit 30 v. H. beteiligt sind. Sie hatte am 27. Oktober 1960 mit ihren Geschäftsführern gleichlautende Anstellungsverträge abgeschlossen, nach denen diese im Anlaufjahr 1960 ein monatliches Gehalt von 1 500 DM erhalten sollten. In dem Vertrag war ferner bestimmt, daß die Vergütung mit Wirkung vom 1. Januar 1961 an auf ein angemessenes, nach den bekannten betriebswirtschaftlichen Grundsätzen über die Höhe von Unternehmervergütungen ermitteltes Ausmaß zu erhöhen sei. Unter Bezugnahme auf diese Regelung vereinbarten die Klägerin und die Geschäftsführer am 7. September 1961 für das Jahr 1961 Geschäftsführergehälter in Höhe von monatlich 3 000 DM.
Die Gehälter für 1960 wurden im November und Dezember 1960 in zwei Raten, die Gehälter für die Monate Januar bis August 1961 im September 1961 ausbezahlt; sie wurden im Jahr der Zahlungen als Betriebsausgaben gebucht.
Aufgrund dieses - bei einer Betriebsprüfung festgestellten - Sachverhalts behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) die Zahlungen für die Zeit vom 1. Januar 1960 bis 30. September 1960 in Höhe von 27 000 DM und vom 1. Januar 1961 bis 31. August 1961 in Höhe von 24 000 DM als verdeckte Gewinnausschüttungen und berichtigte die Körperschaftsteuerbescheide 1960 und 1961 entsprechend.
Einspruch und Klage, mit der die Klägerin nur noch den Abzug der an den Geschäftsführer M geleisteten Zahlungen als Betriebsausgaben begehrte, blieben erfolglos.
Mit der Revision beantragt die Klägerin, die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben oder - hilfsweise - die Sache an das FG zurückzuverweisen. Sie rügt Verletzung formellen (§ 76 FGO) und materiellen Rechts (§ 6 Abs. 1 KStG). Zur Begründung der Verfahrensrüge führt die Klägerin aus, das FG habe seine Pflicht zur vollständigen Aufklärung des Sachverhalts nicht erfüllt. Es sei ohne weitere Beweisaufnahme davon ausgegangen, daß der Geschäftsführer M trotz seiner Minderheitsbeteiligung einen beherrschenden Einfluß ausgeübt habe.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die nachträglichen Gehaltszahlungen dürfen das Einkommen der Klägerin nicht mindern. Es handelt sich um verdeckte Gewinnausschüttungen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG).
1. Eine verdeckte Gewinnausschüttung liegt in der Regel vor, wenn eine Kapitalgesellschaft ihren Gesellschaftern außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt haben würde. Unter diesem Gesichtspunkt sind Gehaltszahlungen an Gesellschafter-Geschäftsführer nur in angemessener Höhe betriebliche Aufwendungen. Unabhängig hiervon kommt eine verdeckte Gewinnausschüttung angesichts der verschiedenen Möglichkeiten, die Mitarbeit insbesondere der die Gesellschaft beherrschenden Gesellschafter in der Geschäftsführung zu gestalten, auch dann in Betracht, wenn nicht von vornherein klar und eindeutig bestimmt ist, ob und in welcher Höhe ein Entgelt gezahlt werden soll oder wenn nicht einer klaren Vereinbarung gemäß verfahren wird (vgl. zuletzt Urteil des BFH vom 30. Juli 1975 I R 110/72, BFHE 117, 36, BStBl II 1976, 74, mit weiteren Nachweisen). Das gilt auch für ein dem Grunde nach bereits vereinbartes Entgelt. Eine solche Vereinbarung reicht zur Abgrenzung schuldrechtlich begründeter Vergütungen gegenüber der gesellschaftsrechtlich begründeten Gewinnbeteiligung nicht aus. Die Zuordnung von Zahlungen zu einem bestehenden Anstellungsverhältnis muß nach Grund und Höhe klar und eindeutig sein (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 8. Januar 1969 I R 26/67, BFHE 95, 1, BStBl II 1969, 268; vom 23. September 1970 I R 116/66, BFHE 100, 364, BStBl II 1971, 64; vom 3. April 1974 I R 241/71, BFHE 112, 178, BStBl II 1974, 497). Danach genügt es nicht, daß die Vertragsparteien von einer Erhöhung der Gehälter in angemessener Höhe ausgehen. Die Verträge - oder zusätzliche Vereinbarungen zu Beginn des jeweiligen Wirtschaftsjahres - müssen zumindest erkennen lassen, nach welcher Bemessungsgrundlage (Prozentsätze, Zuschläge, Höchst- und Mindestbeträge) die Vergütung errechnet werden soll. Ein Hinweis auf "betriebswirtschaftliche Grundsätze" reicht hierfür nicht aus.
2. Von diesen Grundsätzen ist auch im Streitfall auszugehen.
a) Die als Gehaltszahlungen bezeichneten Vermögenszuwendungen der Klägerin an ihren Geschäftsführer M sind nicht anders zu beurteilen als die an ihren Gesellschafter S geleisteten Zahlungen, die schon deshalb als verdeckte Gewinnausschüttungen anzusehen sind, weil dieser zusammen mit seiner Ehefrau in der Lage ist, die Gesellschaft zu beherrschen (zur Zusammenrechnung von Anteilen bzw. Stimmrechten bei Ehegatten vgl. BFH-Urteile vom 4. August 1959 I 4/59 S, BFHE 69, 299, BStBl III 1959, 374; vom 29. Juli 1970 I R 24/69, BFHE 100, 34, BStBl II 1970, 761; zuletzt Urteile I R 241/71, und vom 29. Oktober 1974 I R 83/73, BFHE 114, 471, BStBl II 1975, 366). M verfügt zwar nur über eine Minderheitsbeteiligung von 35 v. H. am Stammkapital der Klägerin. Erkann deshalb allein keinen beherrschenden Einfluß auf die Gesellschaft ausüben. Denn eine solche Beteiligung gewährleistet die nach § 47 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) erforderliche Mehrheit bei Gesellschafterbeschlüssen nicht. Der Grundsatz, daß rückwirkende Vereinbarungen zwischen der Gesellschaft und beherrschenden Gesellschaftern steuerrechtlich unbeachtlich sind, gilt jedoch nicht nur, wenn die gesellschaftsrechtliche Stellung einen umfassenden Einfluß auf die Gesellschaft gewährt, sondern auch dann, wenn die Möglichkeit der Einflußnahme nach den jeweiligen tatsächlichen Verhältnissen des einzelnen Falles auf sachlich begrenzte Bereiche beschränkt ist. Ein solcher begrenzter Einflußbereich liegt dann vor, wenn mehrere Gesellschafter mit gleichgerichteten Interessen zusammenwirken, um eine ihren Interessen entsprechende einheitliche Willensbildung der Gesellschafter herbeizuführen. Der erkennende Senat hat deshalb verdeckte Gewinnausschüttungen angenommen, wenn zwei mit je 50 v. H. am Stammkapital einer GmbH beteiligte und nicht miteinander verwandte oder in einem sonstigen Angehörigkeitsverhältnis zueinander stehende Gesellschafter-Geschäftsführer nachträglich ein Entgelt für ihre Tätigkeit in der Gesellschaft vereinbaren (Urteile vom 29. November 1967 I 96/64, BFHE 91, 151, BStBl II 1968, 234; vom 6. März 1968 I 135/65, BFHE 92, 205, BStBl II 1968, 482; bestätigt durch das Urteil vom 8. Januar 1969 I R 91/66, BFHE 95, 215, BStBl II 1969, 347). Ein auf die Erhöhung der Geschäftsführergehälter gerichteter Beschluß der Gesellschafter - als Voraussetzung einer entsprechenden Willenserklärung gegenüber den Geschäftsführern - kann ohne die Mitwirkung des anderen Gesellschafters nicht zustande kommen, wenn keiner der Gesellschafter die Gesellschaft beherrscht. Das gleiche gilt bei einer Beteiligung der an einem solchen Beschluß interessierten Gesellschafter von jeweils 35 v. H., wie sie im Streitfall vorliegt.
b) Die Tatsache, daß der Gesellschafter-Geschäftsführer S zusammen mit seiner Ehefrau einen beherrschenden Einfluß auf die Gesellschafter ausüben konnte, steht der Annahme eines Zusammenwirkens mit M bei der Erhöhung der Gehälter nicht entgegen. Die Interessenlage ist nicht schon deshalb grundsätzlich anders, weil einer der Gesellschafter - allein oder zusammen mit ihm nahestehenden Personen - Mehrheitsgesellschafter ist (anderer Ansicht z. B. Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 6 KStG Anm. 113). Der erkennende Senat hat deshalb bereits in seinem Urteil vom 10. November 1965 I 178/63 U (BFHE 84, 202, BStBl III 1966, 73) die Möglichkeit bejaht, daß sich ein Minderheitsgesellschafter bei der Beschlußfassung des Einflusses des Mehrheitsgesellschafters bedienen kann. Davon ist auch im Streitfall und unabhängig davon auszugehen, ob die Regelung des Dienstverhältnisses der Geschäftsführer unter diesen erfolgt oder nach der Satzung den Gesellschaftern vorbehalten ist (vgl. dazu Baumbach-Hueck, GmbH-Gesetz, 13. Aufl. 1970, § 46 Anm. 6 B mit weiteren Nachweisen).
aa) Ein beherrschender Gesellschafter ist grundsätzlich nicht auf ein gesellschaftsrechtliches Zusammenwirken mit dem Minderheitsgesellschafter angewiesen. Das bedeutet aber nicht, daß er seinen Einfluß auf die Willensbildung der Gesellschaft ohne jede Beschränkungen geltend machen darf. Solche Beschränkungen - und die ihnen entsprechenden Kontrollbefugnisse der Minderheitsgesellschafter als Grundlage eines gesellschaftsrechtlichen Zusammenwirkens mit dem beherrschenden Gesellschafter - sind sowohl bei einer Einflußnahme des beherrschenden Gesellschafters auf die Entscheidungen der Geschäftsführung als auch bei der Ausübung seines Stimmrechts in der Gesellschafterversammlung zu beachten. Das gilt insbesondere, wenn ein Gesellschafter über eine solche Einflußnahme für sich Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Gesellschafter zu erreichen sucht. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung, die geeignet sind, diesem Zweck zu dienen, sind - entsprechend der in § 243 Abs. 2 AktG für das Recht der Aktiengesellschaften getroffenen Regelung - anfechtbar (zur entsprechenden Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften über die Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen im GmbH-Recht vgl. z. B. Urteil des BGH vom 16. Dezember 1953 II ZR 167/52, BGHZ 11, 231 [235], mit weiteren Nachweisen; zur entsprechenden Anwendung des § 243 Abs. 2 AktG vgl. BGH-Urteil vom 14. Februar 1974 II ZR 76/72, Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des BGH, Nr. 3 zu § 29 GmbHG; Baumbach/Hueck, a. a. O., Anh. zu § 47 Anm. 3 D). Auch bei Maßnahmen der Geschäftsführung verlangt die für eine Gesellschaftermehrheit bestehende Möglichkeit, gesellschaftsbezogene Interessen der Mitgesellschafter zu beeinträchtigen, als Gegengewicht die gesellschaftsrechtliche Pflicht, auf diese Interessen Rücksicht zu nehmen (BGH-Urteil vom 5. Juni 1975 II ZR 23/74, BGHZ 65, 15; vgl. dazu Wiedemann, Juristenzeitung 1976 S. 392, mit weiteren Nachweisen). Eine solche Pflichtverletzung liegt u. a. dann vor, wenn Vermögenszuwendungen der Gesellschaft auf einzelne Gesellschafter beschränkt bleiben, ohne daß sich für die unterschiedliche Behandlung eine Grundlage in der Satzung findet oder sonst ausreichende sachliche Gründe vorliegen (zum Recht des Gesellschafters einer GmbH auf gleichmäßige Behandlung vgl. zuletzt BGH-Urteil vom 15. Mai 1972 II ZR 70/70, GmbH-Rundschau 1972 S. 224, mit weiteren Nachweisen; für das Recht der Aktiengesellschaft vgl. z. B. Zöllner in Kölner Kommentar zum Aktiengesetz, § 243 Anm. 145 ff., mit weiteren Nachweisen). In diesen Fällen ist die Schmälerung des Gewinnbezugsrechts der übrigen Gesellschafter, das diesen entsprechend der Höhe ihres Gesellschaftsanteils zusteht (§ 29 Abs. 2 Satz 1 GmbHG), rechtswidrig. Die einseitige Erhöhung der Bezüge zugunsten des Geschäftsführers S wäre nach den besonderen Umständen des Streitfalles eine rechtswidrige ungleichmäßige Gewährung vertraglicher Vorteile. Die Klägerin hat mit S und M, die beide Geschäftsführer sind, gleichlautende Anstellungsverträge abgeschlossen und bestimmt, daß die Vergütungen mit Wirkung vom 1. Januar 1961 angemessen zu erhöhen seien. Gesichtspunkte, die eine Differenzierung bei dieser Erhöhung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich; sie wäre deshalb zugunsten des Geschäftsführers S ohne die Mitwirkung des Geschäftsführers M nicht durchsetzbar.
bb) Bei Beachtung dieser Grundsätze ist die von der Klägerin erhobene Verfahrensrüge nicht begründet. Das FG durfte im Rahmen seiner Tatsachenwürdigung zu dem Ergebnis gelangen, daß M maßgeblichen Einfluß auf das Zustandekommen der nachträglichen Vergütungsregelung ausüben konnte. Diese Würdigung war bei der übereinstimmenden Höhe und dem zeitlichen Zusammenfallen der Beschlüsse möglich; ein anderer Schluß kam im Streitfall ernsthaft nicht in Betracht. Zu einer weiteren Aufklärung des Sachverhalts bestand deshalb kein Anlaß.
Fundstellen
Haufe-Index 71982 |
BStBl II 1976, 734 |
BFHE 1977, 453 |
NJW 1977, 79 |