Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuerpflicht von Studentenappartements
Leitsatz (NV)
Eine Wohneinheit in einem Studentenwohnheim, bestehend aus zwei Wohn-/Schlafräumen, einem Vorraum mit Küchen- und Eßecke und einer sog. Naßzelle mit Dusche und Toilette, die über eine Abschlußtür zum Flur des Studentenwohnheims verfügt, stellt auch dann eine Wohnung i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG dar, wenn sie an zwei Studenten getrennt vermietet wird.
Normenkette
GrStG § 5 Abs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) errichtete im Jahr 1983 auf ihrem Grundstück in X ein Studentenwohnheim mit ... Appartements nebst Hausmeisterwohnung. ... Appartements stellen 2-Zimmer-Appartements dar, in denen jeweils zwei Studenten wohnen können. Die 2-Zimmer-Appartements verfügen über eine Abschlußtür, durch die man von außen einen Flur betritt. Auf diesem Flur befindet sich eine Küchen- und Eßecke, bestehend aus einem Tisch, zwei Stühlen, einem Zweiplatten-Elektroherd, einer Spüle, einem Kühlschrank sowie einem Küchenoberschrank. Von dem Flur führen eine Tür zu einer sog. Naßzelle mit Dusche und Toilette und zwei Türen zu zwei Wohn-/ Schlafräumen. Die Türen zu den beiden Wohn-/Schlafräumen sind abschließbar und mit unterschiedlichen Schlössern versehen.
... der 2-Zimmer-Appartements haben eine Gesamt(wohn-) fläche von jeweils 33,45 qm, die restlichen ... sind je 40 qm groß. Die übrigen Appartements sind 1-Zimmer-Appartements mit unterschiedlichen Größen zwischen 20,20 qm und 16,63 qm.
Mit Art- und Wertfortschreibungsbescheid auf den 1. Januar 1984 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Grundstücksart Mietwohngrundstück und den Einheitswert im Ertragswertverfahren auf ... DM fest. Dabei erfaßte das FA lediglich die Wohnflächen der Hausmeisterwohnung und der 2-Zimmer-Appartements.
Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, daß sie unmittelbar und ausschließlich gemeinnützige Zwecke verfolge und deshalb gemäß § 3 Abs. 1 Ziffer 3 des Grundsteuergesetzes (GrStG) grundsätzlich von der Grundsteuer befreit sei. Grundsteuer falle gemäß § 5 Abs. 2 GrStG nur insoweit an, als sie auf dem Grundstück Wohnungen unterhalte. Das treffe lediglich in bezug auf die Hausmeisterwohnung zu. Die 2-Zimmer-Appartements seien hingegen keine grundsteuerpflichtigen Wohnungen, sondern lediglich steuerbefreite Wohnräume.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Es führte u.a. aus: Entgegen der Auffassung der Klägerin handle es sich bei den 2-Zimmer-Appartements um Wohnungen i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG. Deren Größe reiche für die Annahme einer Wohnung aus. Bei der Berechnung der Wohnungsfläche sei nicht allein auf die (einzelnen) Wohn-/Schlafräume abzustellen. Nach der Verkehrsauffassung sei das gesamte 2-Zimmer-Appartement als Wohnung anzusehen, auch wenn es zwei verschließbare Zimmer umfasse und von zwei verschiedenen Personen bewohnt werde. Entscheidend sei insoweit allein, ob die 2-Zimmer-Appartements nach der baulichen Gestaltung die Führung eines selbständigen Haushalts ermöglichten. Auf die Anzahl der geführten Haushalte und die Belegung komme es nicht an (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. Mai 1990 II R 139/86, BFH/NV 1991, 268).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die streitbefangenen 2-Zimmer-Appartements sind nicht schon deswegen von der Grundsteuer befreit, weil die Klägerin nach Satzung und tatsächlicher Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt und der Grundbesitz unmittelbar für diese Zwecke verwendet wird (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG). Dient nämlich Grundbesitz - wie im Streitfall die Appartements - zugleich Wohnzwecken, so ist er kraft ausdrücklicher Regelung in § 5 Abs. 1 GrStG grundsätzlich grundsteuerpflichtig. Ausgenommen sind lediglich die in § 5 Abs. 1 Nrn. 1 bis 4 GrStG aufgeführten Gemeinschaftsunterkünfte und Räume. Hierzu gehören zwar auch Wohnräume unter der Voraussetzung, daß der steuerbegünstigte Zweck i.S. des § 3 Abs. 1 Nrn. 1, 3 oder 4 GrStG nur durch ihre Überlassung erreicht werden kann (§ 5 Abs. 1 Nr. 3 GrStG). Wohnungen sind jedoch kraft ausdrücklicher Regelung in § 5 Abs. 2 GrStG stets steuerpflichtig (BFH-Urteile vom 30. April 1982 III R 33/80, BFHE 136, 293, BStBl II 1982, 671; vom 11. Februar 1987 II R 210/83, BFHE 148, 486, BStBl II 1987, 306; in BFH/NV 1991, 268).
a) Zu Recht ist das FG davon ausgegangen, daß die streitigen 2-Zimmer-Appartements Wohnungen i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG darstellen. Das GrStG definiert den Begriff Wohnung ebensowenig wie das BewG. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH zum Bewertungsrecht ist unter einer Wohnung die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen zu verstehen, die in ihrer Gesamtheit so beschaffen sein müssen, daß sie die Führung eines selbständigen Haushalts auf Dauer ermöglichen. Dazu ist für die Bewertungsstichtage ab 1. Januar 1974 erforderlich, daß die als Wohnung in Betracht kommenden Räumlichkeiten eine von anderen Wohnungen oder Räumen baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bilden. Es muß ein eigener Zugang bestehen. Darüber hinaus müssen die Räume eine bestimmte Mindestfläche aufweisen. Außerdem ist grundsätzlich erforderlich, daß die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Einrichtungen wie eine Küche, zumindest ein Raum mit Kochgelegenheit, ein Bad oder eine Dusche und eine Toilette vorhanden sind (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151).
Für den Begriff der Wohnung i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG gilt diese typologische Umschreibung entsprechend (BFH in BFHE 136, 293, BStBl II 1982, 671, unter 2.; in BFHE 148, 486, BStBl II 1987, 306, 307; BFH-Urteil vom 17. Mai 1990 II R 182/87, BFHE 160, 335, BStBl II 1990, 705, 706; in BFH/NV 1991, 268, 269).
b) Unter Beachtung der unter 1. a) dargelegten Grundsätze sind die hier in Rede stehenden 2-Zimmer-Appartements als Wohnungen i.S. des § 5 Abs. 2 GrStG anzusehen.
Zwar sind - wie der erkennende Senat im Urteil in BFHE 148, 486, BStBl II 1987, 306 ausgeführt hat - Appartements mit einer Größe von 15,7 qm bzw. 16,5 qm zur Führung eines Haushalts auf Dauer wegen deren zu geringen Wohnflächen und den damit einhergehenden stark eingegrenzten Entfaltungsmöglichkeiten nicht geeignet. Anders hat der Senat indessen den Sachverhalt beurteilt, in dem eine geschlossene Wohneinheit (2-Zimmer-Studenten-Appartement) mit knapp 30 qm, bestehend aus zwei Räumen, einer Kochnische und einem WC/Duschraum vom Vermieter in der Weise überlassen wurde, daß je ein Zimmer unter gleichzeitiger gemeinsamer Nutzungsmöglichkeit von Küche und Bad vermietet wurde (Urteil in BFH/NV 1991, 268).
Der hier zu beurteilende Sachverhalt liegt ähnlich und ist deshalb in gleicher Weise zu entscheiden. Die streitigen 2-Zimmer-Appartements verfügen sogar über eine Gesamtwohnfläche von 33,45 qm bzw. 40 qm. Zu Unrecht folgert die Klägerin aus dem Umstand, daß die Türen der beiden Wohn-/ Schlafräume der 2-Zimmer-Appartements mit verschiedenen Schlössern versehen sind und sich jeweils zwei - meist einander nicht nahestehende - Studenten ein Appartement teilen müssen, daß die in Rede stehenden Appartements nicht zu einer Wohneinheit zusammengefaßt werden könnten. Schon im Urteil in BFH/NV 1991, 268 hat der Senat darauf hingewiesen, daß es nicht von der tatsächlichen Belegung abhängen könne (z.B. von dem Umstand, ob das Appartement an ein Studentenehepaar oder an zwei nicht einander nahestehenden Studenten überlassen werde), ob eine Wohnzwecken dienende Raumeinheit eine Wohnung darstelle oder nicht. Entscheidend ist vielmehr - worauf schon das FG zutreffend hingewiesen hat - die bauliche Gestaltung, die eine Zusammenfassung aller Räumlichkeiten der 2-Zimmer-Appartements zu einer Wohneinheit erfordert. Angesichts dieser gebotenen Zusammenfassung beider Wohn-/Schlafräume zu einer Wohneinheit mit gemeinsamem Duschbad und gemeinschaftlichem Flur einschließlich Kochnische und Eßecke kommt es für das Vorhandensein der erforderlichen Mindestwohnfläche entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht nicht auf die Größe des einzelnen Wohn-/Schlafraums, sondern auf die Gesamtwohnfläche des Appartements an. Die Tatsache, daß die Nutzungsmöglichkeiten der einzelnen Bewohner des Appartements auf ihr jeweiliges Zimmer und die gemeinsame Nutzung der Kochnische und der sanitären Einrichtungen beschränkt ist, beruht auf (einzel)vertraglichen Bestimmungen, berührt aber nicht die steuerliche Erfassung der Wohneinheit als Ganzes. Denn diese steuerliche Einordnung ist dem Parteiwillen entzogen und richtet sich nach der objektiven Beschaffenheit der Wohneinheit (Senatsurteil in BFH/NV 1991, 268, 269).
Entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung sind nach den Anschauungen des Verkehrs nicht nur solche Wohneinheiten als Wohnungen im bewertungs- und grundsteuerrechtlichen Sinne anzusehen, die in jeder Hinsicht den modernen bauordnungsrechtlichen Vorstellungen und Bestimmungen entsprechen. Der bewertungs- und grundsteuerrechtliche Wohnungsbegriff ist ein spezifisch steuerrechtlicher Typus und deshalb nach den eigenständigen steuerrechtlichen Prinzipien, Zwecken und Zielsetzungen und nicht nach dem Sinn und Zweck anderer Teilrechtsordnungen (z.B. des Bauplanungsrechts, Bauordnungsrechts, Wohnungsbaurechts) auszulegen (vgl. auch Senatsurteil vom 24. April 1991 II R 2/89, BFHE 164, 455, BStBl II 1991, 683; unter II.1.). Vorschriften anderer Rechtsgebiete, etwa solche des Bauordnungs- und Wohnungsbaurechts, sind für die typologische Bestimmung des bewertungs- und grundsteuerrechtlichen Wohnungsbegriffs nur dann und insoweit von Bedeutung, wenn (als) sie nach der Verkehrsauffassung als essentielle Merkmale einer Wohnung auch im Steuerrecht Geltung beanspruchen. Dementsprechend hat der erkennende Senat in seinem Urteil in BFHE 164, 455, BStBl II 1991, 683 (unter II.1.) darauf hingewiesen, daß ebenso wie der bauordnungsrechtliche auch der bewertungsrechtliche Wohnungsbegriff voraussetze, daß die betreffenden Räume zum dauernden Aufenthalt von Menschen geeignet seien. Verweigere daher die zuständige Behörde mangels einer solchen Eigenschaft der zu Wohnzwecken vorgesehenen Räume die Baugenehmigung, so könnten diese Räume in der Regel auch bewertungsrechtlich nicht als Wohnung anerkannt werden. Ein solcher Sachverhalt ist im vorliegenden Streitfall nicht gegeben. Die Klägerin hat selbst ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Baugenehmigung für die Errichtung des Studentenwohnheims erteilt und den in ihr enthaltenen (bauordnungsrechtlichen) Auflagen Rechnung getragen wurde.
Zutreffend hat das FG darauf hingewiesen, daß das Fehlen einer (als solche voll eingerichteten) Küche insbesondere bei den hier zu beurteilenden Kleinwohnungen die Annahme einer Wohnung im bewertungsrechtlichen und grundsteuerrechtlichen Sinne nicht hindert. Es genügt der - hier vorhandene - Raum mit Kochgelegenheit mit den für eine Kleinkücheneinrichtung üblichen Anschlüssen. Ebensowenig schließt es die Annahme einer Wohnung i.S. des BewG und des GrStG bei den hier in Rede stehenden Appartements aus, daß ein Abstellraum in einer bestimmten Mindestgröße (vgl. § 26 Abs. 1 der Allgemeinen Durchführungsverordnung zur Niedersächsischen Bauordnung, Niedersächsisches Gesetz- und Verordnungsblatt 1987, S. 29, 37) nicht zur Verfügung steht.
Schließlich steht es der Annahme von Wohnungen im bewertungs- und grundsteuerrechtlichen Sinne nach der Verkehrsauffassung nicht entgegen, daß die Appartements nur möbliert vermietet wurden. Abgesehen davon, daß die Vermietung von Kleinwohnungen auch außerhalb von Studentenwohnheimen - insbesondere in Appartementhäusern - nichts Ungewöhnliches darstellt, betrifft dieser Umstand lediglich die individuellen (änderbaren) vertraglichen Beziehungen zwischen Mieter und Vermieter, nicht hingegen die (maßgebliche) objektive (bauliche) Gestaltung und Beschaffenheit der Wohneinheit.
Fundstellen
Haufe-Index 419333 |
BFH/NV 1994, 343 |