Entscheidungsstichwort (Thema)
Entschädigung für zugesagte, jedoch jahrelang nicht zur Verfügung gestellte Dienstwohnung
Leitsatz (redaktionell)
Erhält der Arbeitnehmer von seiner Arbeitgeberin nachträglich erhebliche Sachzuwendungen dafür, dass ihm jahrelang die zugesagte Dienstwohnung nicht zur Verfügung gestellt werden konnte, so handelt es sich um eine unter §§ 24 Nr. 1a, 19 EStG fallende Entschädigung die nach § 34 EStG begünstigt zu versteuern ist.
Normenkette
EStG § 24 Nr. 1 Buchst. a, §§ 19, 34 Abs. 1-2
Tatbestand
Der im Jahre 1959 gestorbene Steuerpflichtige war Vorsitzender des Vorstands einer AG und hatte einen vertraglichen Anspruch auf eine Dienstwohnung. In den Jahren 1942 bis 1952 konnte ihm seine Gesellschaft eine solche Dienstwohnung nicht zur Verfügung stellen, weil die eine Dienstwohnung kriegszerstört und die andere nach dem Zusammenbruch beschlagnahmt war. In dem Anstellungsvertrag ist der Wert der Dienstwohnung nicht festgelegt; auch über Ersatzansprüche für den Fall, daß die Dienstwohnung nicht zur Verfügung gestellt wird, fehlt eine vertragliche Vereinbarung. Die Beteiligten gehend in diesem Verfahren übereinstimmend davon aus, daß der Wert der Dienstwohnung mit 650 RM/DM monatlich anzusetzen ist.
In den Jahren 1951 und 1952 erhielt der Steuerpflichtige von seiner Gesellschaft Sachzuwendungen von insgesamt rd. 40 000 DM, um damit sein Einfamilienhaus auszubauen. Davon entfielen auf das Streitjahr 1952 rd. 8 000 DM. Schriftliche Vereinbarungen über diese Zuwendungen bestehen nicht. Lohnsteuer wurde dafür nicht abgeführt.
Das FA berichtigte, nachdem es durch eine Betriebsprüfung den Sachverhalt erfahren hatte, die rechtskräftigen Veranlagungen des Steuerpflichtigen für 1951 und 1952 gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 1 AO. Es rechnete dabei die Sachzuwendungen den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu und unterwarf sie dem Tarif in voller Höhe.
Einspruch und Berufung, mit denen der Steuerpflichtige eine Tarifvergünstigung nach § 34 Abs. 1 und 2, hilfsweise nach Abs. 3 EStG begehrte, hatten nur insoweit Erfolg, als das FG dem Steuerpflichtigen die Tarifvergünstigung gemäß § 34 Abs. 3 EStG gewährte.
Der Steuerausschuß hatte zuvor in seiner Einspruchsentscheidung die Auffassung vertreten, der Steuerpflichtige hätte jederzeit seinen Anspruch auf die Dienstwohnung geltend machen können. Hier sei ihm eine nachträgliche oder verspätete Lohnzahlung gewährt worden, die nicht unter § 24 Ziff. 1 EStG fiele; deshalb könne § 34 Abs. 1 und 2 nicht angewandt werden; aber auch § 34 Abs. 3 EStG käme nicht in Betracht, weil die streitige Sondervergütung nicht für eine Sondertätigkeit gewährt worden sei.
Das FG folgte der Einspruchsentscheidung, soweit der Steuerausschuß die Sachbezüge zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 EStG gerechnet und eine Entschädigung i.S. des § 24 Ziff. 1 EStG nicht anerkannt hatte. Es führte aus, ein Schaden könne nicht schon deshalb angenommen werden, weil der Anspruch des Steuerpflichtigen auf eine Dienstwohnung nicht erfüllt worden sei. An die Stelle dieses Anspruchs sei ein entsprechender Geldanspruch getreten. Die streitigen Sachleistungen entsprächen dem Wert des nicht erfüllten Dienstwohnungsanspruchs, wenn man den Anspruch bis zur Währungsreform, wie selbstverständlich, im Verhältnis 1 : 10 umstelle und von einem Jahreswert des Wohnungsanspruchs von 7 800 DM ausgehe. Der Steuerpflichtige könne jedoch die Verteilung dieser Einkünfte gemäß § 34 Abs. 4 EStG 1951 auf drei Jahre verlangen. Für die Zahlung der streitigen Bezüge in einer Summe hätten wirtschaftlich vernünftige Gründe vorgelegen. Dieser Tarifbegünstigung stünde auch nicht im Wege, daß die Sachzuwendungen innerhalb von zwei Jahren zugeflossen seien, da dies durch den Fortgang der Bauarbeiten bedingt gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde, mit der eine Rechtsverletzung des § 24 Ziff. 1a EStG gerügt wird, ist begründet.
Zuzustimmen ist der Auffassung des FG, daß die streitigen Sachbezüge Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.S. des § 19 EStG waren. Wenn in der Einspruchsentscheidung ausgeführt ist, daß nachträgliche oder verspätete Lohnzahlungen nicht unter § 24 Ziff. 1 EStG fielen, sondern Arbeitslohn seien, so ist das nur mit Einschränkungen richtig. Entschädigungen i.S. des § 24 Ziff. 1a EStG bilden keine selbständige Einkunftsart, sondern sind der Einkunftsart zuzurechnen, in deren Rahmen sie angefallen sind. Auch bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sind Entschädigungen i.S. des § 24 Ziff. 1a EStG möglich (vgl. z.B. BFH VI 87/55 U v. 1.2.57, BStBl III 1957, 104 = BFH 64, 271 = StRK EStG § 34 Abs. 1 R. 6; IV 223/58 S v. 17.12.59, BStBl III 1960, 72 = BFH 70, 195 = StRK EStG § 34 Abs. 2 R. 12). Die Abgrenzung macht hier allerdings insofern Schwierigkeiten, als oft Bezüge von Arbeitnehmern, die ihren Grund in dem Arbeitsverhältnis haben, als "Entschädigungen" bezeichnet werden, ohne aber "Entschädigungen" i.S. von § 24 Ziff. 1a EStG zu sein (vgl. dazu Hartz-Over, Lohnsteuer, Stichwort "Außerordentliche Einkünfte" unter I 2b). So sind z.B. Nachzahlungen oder verspätete Zahlungen von Arbeitslohn im allgemeinen keine Entschädigungen i.S. des § 24 Ziff. 1a EStG. Auch Zahlungen des Arbeitgebers, die auf der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses beruhen, sind nicht ohne weiteres Entschädigungen in diesem Sinne. Grundsätzlich muß dem Arbeitnehmer ein Schaden entstanden sein, der mit der Entschädigung abgegolten wird (vgl. z.B. BFH IV 260/52 U v. 11.12.52, BStBl III 1953, 57 = BFH 57, 144 = StRK EStG § 24 R. 1).
Unzutreffend ist es aber, wenn das FG für den Streitfall eine Entschädigung i.S. von § 24 Ziff. 1a EStG nicht anerkannt hat, weil die Ansprüche des Steuerpflichtigen von seiner Gesellschaft voll ersetzt worden seien und deshalb eine Nachzahlung von Arbeitslohn vorliege. Die Bereitstellung einer Dienstwohnung ist an sich ein lohnsteuerpflichtiger Sachbezug i.S. des § 19 EStG. Der darauf gerichtete Anspruch des Steuerpflichtigen war in den Jahren 1942 bis 1952 nicht erfüllt worden. Dadurch war dem Steuerpflichtigen ein Schaden entstanden. Der Steuerpflichtige hätte gewiß wegen der Nichterfüllung dieses Anspruchs sofort eine laufende Entschädigung von der Gesellschaft fordern können, die dann einwandfrei nicht unter § 24 Ziff. 1a EStG gefallen wäre, da sie an die Stelle einer laufenden Sachzuwendung getreten und zum laufenden Arbeitslohn zu rechnen gewesen wäre. Ist aber ―gleichviel aus welchen Gründen― ein derartiger Ersatz nicht gewährt worden, so muß man anerkennen, daß dem Steuerpflichtigen durch die Nichtgewährung der Dienstwohnung ein Schaden entstanden ist. Es war auch im Streitfall nicht willkürlich, daß der Steuerpflichtige seine vertraglichen Ansprüche auf eine Dienstwohnung oder auf Geldersatz nicht sofort und laufend geltend machte. Unter den besonderen Verhältnissen der Kriegszeit und der Beschlagnahme der Werke in der Besatzungszeit konnte der Steuerpflichtige, wie er geltend macht, derartige Ersatzansprüche nicht sofort verfolgen.
Nach allem ist anzunehmen, daß der Steuerpflichtige einen Schaden durch Nichterfüllung des Arbeitsvertrages gehabt und für diesen Schaden in den Streitjahren von seiner Arbeitgeberin eine Entschädigung in Form der streitigen Sachzuwendungen erhalten hat. Unerheblich ist dabei, ob der Schadensersatzanspruch, z.B. wegen Zeitablaufs oder Verjährung, nicht mehr geltend gemacht werden konnte. Nach den Grundsätzen des Urteils des BFH IV 260/52 U (aaO), dem Senat beitritt, genügt eine Billigkeitsgrundlage für den Schadensausgleich.
Da demnach das FG den Begriff Entschädigung i.S. des § 24 Ziff. 1a EStG nicht richtig ausgelegt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben; ebenso die Einspruchsentscheidung. Die Sache wird an das FA zurückverwiesen, das bei den Berichtigungsbescheiden für die Streitjahre davon auszugehen hat, daß die in diesen Jahren dem Steuerpflichtigen gewährten Sachzuwendungen als Entschädigungen nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG tarifbegünstigt sind.
Fundstellen