Entscheidungsstichwort (Thema)
Sammlungsstück von geschichtlichem Wert
Leitsatz (NV)
Von geschichtlichem Wert i. S. der Tarifnr. 99.05 GZT sind Sammlungsstücke, die einen charakteristischen Schritt in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften dokumentieren oder einen Abschnitt dieser Entwicklung dokumentieren. Technische in Serie gefertigte Produkte sind nicht schon deswegen von geschichtlichem Wert, weil in ihrer Produktbezeichnung der Namen einer berühmten Persönlichkeit enthalten ist.
Normenkette
GZT Tarifnrn. 87.02 und 99.05
Tatbestand
Auf Antrag des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) fertigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt - HZA -) einen eingeführten PKW ,,X" des Baujahres 1958 zum freien Verkehr ab. Er wies den PKW der Tarifnr. 87.02 des Gemeinsamen Zolltarifs - GZT - (,,Kraftwagen zum Befördern von Personen . . .") zu und forderte dementsprechend Zoll und Einfuhrumsatzsteuer an. Dagegen erhob der Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage mit dem Begehren, den PKW der Tarifnr. 99.05 GZT (,,Sammlungsstücke von geschichtlichem . . . Wert . . .") zuzuweisen sowie den Zoll auf 0 DM herabzusetzen und die Einfuhrumsatzsteuer entsprechend zu vermindern.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit folgender Begründung ab: Selbst wenn das Fahrzeug des Klägers alle Voraussetzungen erfüllte, denen ein Fahrzeug als Sammlungsstück genügen müsse, fehle ihm doch der geschichtliche Wert i. S. der Tarifnr. 99.05 GZT. Erforderlich sei, daß das betreffende Sammlungsstück einen charakteristischen Schritt in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften dokumentiere oder einen Abschnitt dieser Entwicklung veranschauliche. Der Umstand, daß der PKW mit einer selbsttragenden Karosserie ausgestattet sei, dokumentiere keinen solchen Schritt. Eine Ganzstahlausführung eines PKW in Form eines selbsttragenden Verbundbaues mit Bodenrahmen sei keine technische Errungenschaft, die als ein gravierender Schritt in der technischen Entwicklung angesehen werden könne. Auch handle es sich bei der selbsttragenden Karosserie weder um eine Neu- noch um eine Weiterentwicklung, da die Firma Y ihr Modell Z bereits ab . . . in dieser Bauweise in Großserie gefertigt habe. Allein die Tatsache, daß diese Technik bei Sportwagen erstmals bei dem vom Kläger eingeführten Modell angewandt worden sei, sei ebenfalls kein charakteristischer Schritt in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften, sondern nur die Anwendung einer bereits bekannten Technik auf einen anderen Fahrzeugtyp. Inwieweit das betreffende Kfz deswegen von geschichtlichem Wert sein solle, weil es sich bei dem Typ . . . um das erste von dem berühmten Erfinder X unter seinem eigenen Namen verwirklichte und herausgebrachte Fahrzeug handeln solle, könne das FG nicht nachvollziehen. Für eine Tarifierung nach der Tarifnr. 99.05 GZT seien Namen, mit denen Sammlungsstücke belegt worden seien, grundsätzlich ohne Bedeutung.
Seine Revision begründet der Kläger wie folgt: Allein der Name X sei für den Sport- und Rennwagenbau und damit zusammenhängend der ,,X" von besonderem geschichtlichen Wert. Unstreitig stelle ganz allein der Sport- und Rennwagenbau einen eigenständigen und besonderen Abschnitt in der Entwicklung menschlicher Errungenschaften dar. Es bedürfe keiner weiteren Erläuterung, daß X seit . . . im Sportwagenbau federführend sei. Dies sei einzig und allein auf den Erfinder X zurückzuführen. Dessen Name stehe für den Sport- und Rennwagenbau. Mit ihm werde weltweit sofort der Sport- und Rennwagen verbunden. Der Name eines berühmten Erfinders oder Konstrukteurs werde wiederum durch ein herausragendes Werk gegenständlich veranschaulicht. In Einzelfällen könne sogar jedes seiner Werke den Namen verkörpern. Vorliegend handle es sich um den ersten ,,X", der gebaut und herausgebracht worden sei.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und unter Abänderung des Bescheids . . . den Zoll auf 0 DM und die Einfuhrumsatzsteuer auf . . . herabzusetzen.
Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es macht geltend: Ein Kfz könne nicht allein des Namens wegen als eine Ware angesehen werden, die einen charakteristischen Schritt in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften dokumentiere oder einen Abschnitt dieser Entwicklung veranschauliche. Überdies sei das Modell . . . nicht der erste ,,X", der gebaut und herausgebracht worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, daß der vom Kläger eingeführte PKW kein Sammlungsstück von geschichtlichem Wert i. S. der Tarifnr. 99.05 GZT ist.
Zu Recht hat das FG die Frage unentschieden gelassen, ob die eingeführte Ware ein Sammlungsstück ist. Denn ihr fehlt jedenfalls der ,,geschichtliche Wert" i. S. der Tarifnr. 99.05 GZT. Das hat das FG ohne Rechtsirrtum entschieden. An seine tatsächlichen Feststellungen ist der Senat gebunden, da der Kläger in bezug auf sie keine Revisionsgründe vorgebracht hat (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Von geschichtlichem Wert i. S. der Tarifnr. 99.05 GZT sind Sammlungsstücke, die einen charakteristischen Schritt in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften dokumentieren oder einen Abschnitt dieser Entwicklung veranschaulichen (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 10. Oktober 1985 Rs. 200/84, EuGHE 1985, 3377; vgl. auch Senatsurteil vom 29. Oktober 1986 VII R 110/82, BFHE 148, 90).Das FG hat nach den von ihm getroffenen Feststellungen das Vorliegen dieser Voraussetzung verneint. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden. Zur Begründung verweist der Senat auf die Gründe der Vorentscheidung.
Nicht stichhaltig ist der Einwand der Revision, der eingeführte PKW sei deswegen ein Sammlungsstück von geschichtlichem Wert, weil es sich bei dem Typ . . . um das erste von dem Erfinder X unter seinem eigenen Namen verwirklichte und herausgebrachte Fahrzeug handle. Es kann dahinstehen, ob Sammlungsstücke allein wegen ihres Bezugs auf eine berühmte Persönlichkeit geschichtlichen Wert haben können. Voraussetzung wäre jedenfalls ein sehr enger persönlicher Bezug. Diesen weisen technische, in Serie gefertigte Produkte wie der streitbefangene PKW nicht schon aufgrund der Produktbezeichnung auf. Für die Frage des geschichtlichen Werts eines solchen Produkts kommt es, wie sich aus dem zitierten EuGH-Urteil ergibt, allein darauf an, ob das Sammlungsstück selbst nach seiner Beschaffenheit die vom EuGH aufgezählten Voraussetzungen erfüllt. Dokumentiert ein solches Sammlungsstück nach seiner Beschaffenheit nicht einen charakteristischen Schritt in der Entwicklung der menschlichen Errungenschaften und veranschaulicht es auch nicht einen Abschnitt dieser Entwicklung, so vermag sich daran nichts dadurch zu ändern, daß das Sammlungsstück einst unter dem Namen eines berühmten Erfinders in den Verkehr gebracht worden ist.
Der Senat hält die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts für offenkundig. Er ist daher nicht nach Art. 177 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft zur Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH verpflichtet (EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415).
Fundstellen
Haufe-Index 417305 |
BFH/NV 1991, 493 |