Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Ist nur streitig, ob ein Unternehmen von einer Gesellschaft oder von einem Alleinunternehmer mit einem stillen Gesellschafter betrieben werde und deshalb der Gewinn einheitlich festzustellen und unter die Gesellschafter zu verteilen sei oder der eine der Beteiligten seinen Anteil als Kapitaleinkünfte beziehe, so ist der Streitwert frei zu schätzen.
Zu einem Verfahren, in dem es um die Frage geht. Ob eine Mitunternehmerschaft besteht, sind alle an der angeblichen Mitunternehmerschaft beteiligten Personen beizuziehen.
Normenkette
AO § 239 Abs. 1 Nr. 1, § 233/1/1, § 239/3; FGO § 60 Abs. 3; AO § 320/4; FGO § 140/3
Tatbestand
Streitig ist bei der einheitlichen Gewinnfeststellung für 1960, ob der Revisionskläger (Steuerpflichtige - Stpfl. -) Alleininhaber des Unternehmens ist, an dem seine Schwester (Frau X) eine stille Beteiligung besitzt, oder ob das Unternehmen von einer aus dem Stpfl. als Komplementär und Frau X als Kommanditistin bestehende Kommanditgesellschaft betrieben wird.
Das Finanzamt (FA) nahm eine Mitunternehmerschaft an und stellte den gewerblichen Gewinn einheitlich und gesondert fest.
Der Stpfl. ist der Ansicht, Frau X sei stille Gesellschafterin. Sie beziehe ihren der Quote und der Höhe nach unstreitigen Anteil am Gewinn als Einkünfte aus Kapitalvermögen; eine einheitliche Gewinnfeststellung sei unzulässig, weil er Alleinunternehmer sei.
Mit dieser Begründung wurde Sprungberufung eingelegt, die das Finanzgericht (FG) zurückwies. Im Rubrum seines Urteils heißt es: "In der Sache einheitliche Gewinnfeststellung 1960 der Firma ... vertreten durch den Wirtschaftsprüfer ... und der Beteiligten Frau X hat auf deren Berufung ..."
Gegen dieses Urteil legte der Stpfl. Rb. ein, mit der er sich gegen die Rechtsansicht des FG in der Sache selbst wendet und einen Verfahrensmangel rügt. Er trägt vor, die Sprungberufung sei in seinem Namen durch den Wirtschaftsprüfer eingelegt worden. Demgegenüber habe das FG im Urteilskopf die stille Gesellschafterin neben dem Wirtschaftsprüfer Dr. Y als Beteiligte und Prozeßbevollmächtigte aufgeführt. Das sei unverständlich und unzulässig. Es fehle an einer Verfahrensvoraussetzung, wenn das Rechtsmittelverfahren bei einer einheitlichen Gewinnfeststellung nur gegen einen Gesellschafter ohne Zuziehung der anderen Gesellschafter durchgeführt werde.
Der Senat beteiligte Frau X am Revisionsverfahren. Sie erklärte, sie sei steuerlich an dem Ausgang des Verfahrens nicht interessiert. Da das Verfahren auch zivilrechtliche Auswirkungen habe, möchte sie nicht Stellung nehmen.
Entscheidungsgründe
Die als Revision zu behandelnde Rb. ist zulässig. Die Streitwertgrenze von 1.000 DM (§ 286 Abs. 1 AO a. F. in Verbindung mit § 184 Abs. 2 Ziff. 2 FGO) ist überschritten. Allerdings beträgt der Streitwert nicht, wie das FG annahm, 12.600 DM. Das FG legte offensichtlich den Gewinnanteil der Frau X als in Streit befangen zugrunde und nahm davon 25 % als Streitwert an. Dem kann der Senat nicht folgen. Entsprechend der bisherigen Rechtsprechung zur Höhe des Streitwerts bei der einheitlichen Gewinnfeststellung hätte das FG einen höheren Streitwert annehmen müssen, da der Gewinnanteil mehr als 15.000 DM beträgt (vgl. das Urteil I 268/60 U vom 17. Oktober 1961, BFH 74, 108, BStBl III 1962, 41). Der Senat ist indessen inzwischen (vgl. Urteil IV 372/62 vom 16. Juli 1964, HFR 1965, 78 und Beschluß IV 3/64 vom 25. August 1966, BFH 86, 569, BStBl III 1966, 611) von dieser Rechtsprechung für die Fälle abgegangen, in denen sich bei Erfolg des Rechtsbehelfs offensichtlich eine wesentlich geringere einkommensteuerliche Auswirkung ergibt, als bei Anwendung des Regelsatzes von 25 % oder eines höheren Prozentsatzes auf den zu beurteilenden Gewinnbetrag unterstellt würde. Es handelte sich im ersten Fall darum, ob die Einkünfte der Gesellschafter gewerblich oder freiberuflich waren; im zweiten Fall war zu entscheiden, ob Vergütungen, die ein Gesellschafter von der Gesellschaft bezog, Einkünfte aus einer freiberuflichen Tätigkeit oder Teil des bei der einheitlichen Gewinnfeststellung festzustellenden gewerblichen Gewinns dieses Gesellschafters waren. Da die Höhe der Einkünfte und ihre Verteilung auf die Gesellschafter in beiden Fällen unbestritten waren, konnte die einkommensteuerliche Auswirkung nur darin bestehen, daß die Gesellschafter bei Erfolg ihres Rechtsmittels den Freibetrag des § 18 Abs. 4 EStG in Anspruch nehmen konnten. Der Senat berechnete daher den Streitwert mit 25 % von 1.200 DM (gegebenenfalls vervielfältigt mit der Zahl der Gesellschafter).
Ein ähnlicher Fall liegt hier vor. Weder die Höhe noch die Steuerpflicht des Gewinnanteils der Frau X ist streitig. Es geht nur darum, ob es sich um Einkünfte aus Kapitalvermögen oder aus Gewerbebetrieb handelt. Das Urteil kann für Frau X einkommensteuerlich höchstens wegen der Werbungskostenpauschale bei den Einkünften aus Kapitalvermögen Bedeutung haben. Für den Stpfl. ergeben sich keine einkommensteuerlichen Auswirkungen. Es geht ihm letzten Endes nur darum, ob eine Allein- oder eine Mitunternehmerschaft vorliegt. Man könnte bei dieser Sachlage zweifeln, ob der Stpfl. beschwert ist. Das hat der Senat indessen im Urteil IV 46/64 vom 14. Juli 1966, BFH 86, 564, BStBl III 1966, 609) bejaht. Auf dieses Urteil wird Bezug genommen.
Es ist nicht gerechtfertigt, den Streitwert schätzungsweise mit einem Prozentsatz des gesamten Gewinnanteils der Frau X anzunehmen, da die einkommensteuerlichen Auswirkungen offenbar nur unerheblich sein können. In Fällen der vorliegenden Art kann der Streitwert daher nur frei geschätzt werden, wobei der Umstand, daß den Beteiligten ein ihrer Ansicht nach ungerechtfertigtes zusätzliches Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung aufgezwungen werden soll, und ein sonstiges Interesse der Beteiligten, das hinter ihrem Vorgehen steht, berücksichtigt werden müssen. Hier besteht jedenfalls beim Stpfl. auch ein Interesse, zivilrechtliche Streitfragen der Beteiligten zu präjudizieren. Unter Berücksichtigung aller Umstände schätzt der Senat den Streitwert auf 1.500 DM.
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung an die Vorinstanz. Die oben wiedergegebene Formulierung im Rubrum des Urteils des FG ist nicht völlig klar. Offenbar wollte das FG aber nicht, wie der Stpfl. meint, zum Ausdruck bringen, daß Frau X Prozeßbevollmächtigte oder neben der Firma Berufungsklägerin gewesen sei, sondern erklären, daß sie die Stellung einer Beteiligten am Verfahren gehabt habe. Nach § 239 Abs. 3 Satz 1 AO a. F. sind in Sachen der einheitlichen Gewinnfeststellung Mitberechtigte, die zur Einlegung eines Rechtsmittels befugt sind, aber kein Rechtsmittel eingelegt haben, von Amts wegen zu dem Verfahren zuzuziehen. Frau X war zur Einlegung eines Rechtsmittels befugt, weil sie durch die Feststellung, wer an dem Gewinn beteiligt ist und wie er sich auf die einzelnen Beteiligten verteilt, berührt wird (§ 239 Abs. 1 Ziff. 1 AO a. F.). Diese Feststellung schließt notwendig eine Entscheidung darüber ein, daß überhaupt ein Betrag festzustellen und aufzuteilen ist. Sind die Beteiligten der Ansicht, daß eine einheitliche Feststellung nicht durchzuführen sei, so sind alle von einer Feststellung Betroffenen rechtsmittelbefugt und daher auch am Verfahren zu beteiligen, falls sie kein Rechtsmittel einlegen.
Aus den Akten des FG ergibt sich eindeutig, daß Frau X entgegen der Bemerkung im Rubrum des angefochtenen Urteils am Berufungsverfahren nicht beteiligt war. Damit litt das Verfahren an einem wesentlichen Mangel, der zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt, und zwar unabhängig davon, ob Frau X selbst oder der Stpfl. die Nichtbeteiligung rügte; denn selbst bei unterlassener Rüge wäre der Mangel als Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil IV 258/63 vom 10. Februar 1966, BStBl III 1966, 423 - ständige Rechtsprechung).
Fundstellen
Haufe-Index 412328 |
BStBl III 1967, 433 |
BFHE 1967, 551 |
BFHE 87, 551 |