Leitsatz (amtlich)
1. Es widerspricht nicht dem Gleichheitssatz, daß die Tarifst. 20.07 A III a GZT einen Fruchtsaft mit einer Dichte von mehr als 1,33 bei 15° einem Zollsatz von 42 % unterwirft, die Tarifst. 20.07 B II a 6 bb GZT für einen Fruchtsaft mit einer Dichte von 1,33 oder weniger hingegen einen Zollsatz von nur 22 % vorsieht.
2. Bei der „Dichte” eines Fruchtsaftes i. S. der Tarifst. 20.07 A und 20.07 B GZT handelt es sich um einen naturwissenschaftlich genau umschriebenen Begriff.
Normenkette
GZT Tarifst. 20.07 A III a; GZT Tarifst. 20.07 B II a 6 bb
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) meldete am 17. Januar 1973 beim Zollamt (ZA) eine aus Österreich eingeführte Ware an, die sie als „fr. Johannisbeersaftkonzentrat, nicht gegoren, nicht chemisch konserviert, ohne Zusatz von Zucker und Alkohol mit einer Dichte von 1,33 oder weniger bei 15° C” bezeichnete. Das ZA wies die Ware bei der von der Klägerin beantragten Abfertigung zum freien Verkehr vorläufig und übereinstimmend mit der Anmeldung der Tarifst. 20.07 B II a 6 bb des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu und forderte Zoll nach einem Satz von 22 % des Wertes durch vorläufigen Bescheid an. Das ZA ließ der Ware Teilproben entnehmen, aus denen eine Untersuchungs- und eine Rückstellungsprobe gebildet wurden.
Die Zolltechnische Prüfungs- und Lehranstalt (ZPLA) kam bei der Untersuchungsprobe zu dem Ergebnis, daß sie bei 15° C eine Dichte von 1,343 aufweise. Das ZA wies daraufhin die Ware der Tarifst. 20.07 A III a zu, die einen Zollsatz von 42 % des Wertes vorsah. Es setzte den Zoll endgültig fest und forderte durch Bescheid vom 13. Februar 1973 Zoll nach.
Während des Verfahrens über den hiergegen erhobenen Einspruch wurde die Rückstellprobe bei der ZPLA im Wege der „Dreifachbestimmung” durch zwei Personen mit verschiedenen Pyknometern untersucht. Dabei ergaben sich Dichtewerte von 1,342, 1,341 und 1,341. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt – HZA –) wies den Einspruch durch Entscheidung vom 4. Januar 1974 als unbegründet zurück.
Mit der Klage trug die Klägerin vor:
Der für Fruchtsaft mit einer Dichte von mehr als 1,33 vorgesehene Zollsatz von 42 % verstoße wegen des großen Unterschiedes zum Satz von 22 % für Fruchtsaft mit geringerer Dichte gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage durch Urteil vom 29. Oktober 1975 mit folgender Begründung ab:
Durch die Bekanntgabe des ursprünglichen Zollbescheids vom 18. Januar 1973 sei eine Zollschuld in der Person der Klägerin kraft Gesetzes in der Höhe entstanden, die sich aus den Zollvorschriften ergebe (§ 36 Abs. 3 Sätze 1 und 2 des Zollgesetzes – ZG –). Die Zollschuld bemesse sich neben dem Wert der Ware nach dem maßgeblichen Zollsatz des Zolltarifs (§ 36 Abs. 2 Satz 2, § 21 Abs. 1 ZG). Maßgebend sei der Zollsatz für Waren der Tarifst. 20.07 A III a GZT, d. h. für Fruchtsäfte mit einer Dichte von mehr als 1,33 bei 15° C; denn unter diese Tarifstelle falle das von der Klägerin eingeführte Johannisbeersaftkonzentrat. Es bestehe für das FG kein Anlaß, an der Richtigkeit der Ergebnisse zu zweifeln, zu denen die Untersuchung der Proben bei der ZPLA geführt hätten.
Es sei nicht ersichtlich, inwiefern dadurch, daß Fruchtsaftkonzentrate mit einer Dichte von mehr als 1,33 einer höheren Zollbelastung unterlägen als solche mit einer Dichte von 1,33 und weniger, der Gleichheitsgrundsatz verletzt sein solle. Erzeugnisse verschiedener Beschaffenheit mit unterschiedlichem Herstellungsland könnten durchaus unterschiedlichen Zollsätzen unterliegen. Daß die Festsetzung des Zollsatzes von 42 % für Fruchtsaftkonzentrate mit einer Dichte von über 1,33 willkürlich geschehen sei, stelle lediglich eine Behauptung der Klägerin dar, für die sie keinerlei Anhaltspunkte vorbringe.
Das Zustandekommen des Zollsatzes von 42 % entspreche dem Art. 19 EWGV.
Mit der Revision macht die Klägerin geltend:
Das FG habe unterlassen, den im GZT verwendeten Begriff der „Dichte” auszulegen, obwohl von der richtigen Bestimmung dieses Begriffes im Einzelfall eine sehr unterschiedliche Zollbelastung abhänge.
Das FG-Urteil verneine zu Unrecht eine Verletzung des Gleichheitssatzes. Für die Regelung, daß Johannisbeersaftkonzentrat mit einer Dichte von 1,33 mit 22 % Zoll, dagegen bei einer Dichte von 1,34 mit 42 % Zoll belastet werde, gebe es keine Rechtfertigungsgründe. Hier handele es sich um eine willkürliche unterschiedliche Behandlung. Das FG gehe diesem Problem aus dem Wege, indem es darauf hinweise, daß der Zollsatz von 42 % nach Art. 19 EWGV zustande gekommen sei. Das Zustandekommen eines diskriminierenden Zollsatzes rechtfertige jedoch nicht seine ständige Beibehaltung. Ihr seien bisher keine vernünftigen Gründe genannt worden, die diese unterschiedliche Zollbelastung auch nur annähernd rechtfertigen könnten. Insoweit liege die Darlegungslast beim HZA. Die unterschiedliche Regelung sei allein durch die mathematische Erstellung des GZT und durch die Übernahme einer wohl dem französischen Zollrecht entstammenden Unterscheidung von Fruchtsaftkonzentraten mit einer Dichte bis zu 1,33 und mehr entstanden. Wie antiquiert und willkürlich diese Unterscheidung sei, zeige auch die Tatsache, daß bei der Messung der Dichte auf 15° C anstatt auf 20° C abgestellt werde.
Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
Entscheidungsgründe
Das FG hat zu Recht die gegen den Nachforderungsbescheid des ZA vom 13. Februar 1973 gerichtete Klage abgewiesen. Denn dieser Bescheid ist entgegen der Auffassung der Klägerin rechtmäßig.
Mit dem FG ist davon auszugehen, daß bei der von der Klägerin am 17. Januar 1973 beantragten Abfertigung des eingeführten Johannisbeersaftkonzentrats zum freien Verkehr gemäß § 36 Abs. 3 Sätze 1 und 2 ZG mit der Bekanntgabe des Zollbescheides die Zollschuld in der Höhe entstand, die sich aus den Zollvorschriften ergibt. Aus § 21 Abs. 1 ZG i. V. m. der Tarifst. 20.07 A III a GZT ergibt sich für Fruchtsäfte mit einer Dichte von mehr als 1,33 bei 15° C eine Zollschuld in Höhe von 42 % des Wertes. Johannisbeersaftkonzentrat ist ein Fruchtsaft, weil es aus dem Saft von Johannisbeeren besteht und nur durch den Entzug von Wasser eingedickt worden ist (vgl. auch Beschluß des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 17. August 1976 VII B 120/75, BFHE 119, 540; Handbuch der Lebensmittelchemie, Fünfter Band, Teil 2, S. 177 ff., 192 ff.).
Das FG hat zu Recht die Frage verneint, ob es dem Gleichheitssatz widerspricht, daß die Tarifst. 20.07 A III a GZT einen Fruchtsaft mit einer Dichte von mehr als 1,33 bei 15° C einem Zollsatz von 42 % unterwirft, die Tarifst. 20.07 B II a 6 bb GZT für einen Fruchtsaft mit einer Dichte von 1,33 oder weniger hingegen einen Zollsatz von nur 22 % vorsieht. Der Gleichheitssatz verlangt, bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken Gleiches gleich. Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln. Er ist verletzt, wenn für eine gesetzliche Differenzierung ein vernünftiger, aus der Natur der Sache sich ergebender oder sonstwie einleuchtender Grund sich nicht finden läßt, wenn also für eine am Gerechtigkeitsgedanken orientierte Betrachtungsweise die Regelung als willkürlich bezeichnet werden muß (vgl. Entscheidungen des BVerfG vom 17. Dezember 1953 1 BvR 147/52, BVerfGE 3, 58, 135; vom 14. April 1959 1 BvL 23, 34/57, BVerfGE 9, 237, 244; vom 27. Mai 1964 1 BvL 4/59, BVerfGE 18, 38, 46; vom 18. Juni 1975 1 BvR 528/72, BVerfGE 40, 109, 115). Die Regelung der Zollsätze für Fruchtsäfte mit einer Dichte von mehr als 1,33 einerseits und einer Dichte von 1,33 oder weniger andererseits in den Tarifst. 20.07 A III a und 20.07 B II a 6 bb GZT läßt nicht erkennen, daß sie auf Willkür beruht. Die beiden Tarifstellen tragen der Tatsache Rechnung, daß es unter den Fruchtsäften einfache und konzentrierte Säfte gibt (vgl. Handbuch der Lebensmittelchemie, a. a. O.). Es ist sachgerecht, beide Arten von Fruchtsäften tariflich zu unterscheiden und sie gemäß ihrer Eigenart verschiedenen Zollsätzen zu unterwerfen. Die Dichtezahl 1,33 bei 15° C stellt eine vertretbare Grenze für die Unterscheidung zwischen einfachen und konzentrierten Fruchtsäften dar. Fruchtsäfte mit einer Dichte von mehr als 1,33 bei 15° C stellen regelmäßig Konzentrate dar (vgl. Handbuch der Lebensmittelchemie, a. a. O., S. 179, 227, 229; Holthöfer/Juckenack/Nüse, Deutsches Lebensmittelrecht, 4. Aufl., Bd. IV S. 338/339). Die Klägerin trägt selbst vor, daß Fruchtsäfte mit einer Dichte von mehr als 1,33 stark konzentrierte Erzeugnisse seien.
Die Zollsätze des GZT sind gemäß Art. 19 EWGV entstanden als das jeweilige einfache Mittel der in den vier (ursprünglichen) Zollgebieten der Gemeinschaft angewandten Zollsätze, somit also nach einer durch den EWG-Vertrag bereits festgelegten Berechnungsweise. Diese hatte ihren sachlichen Grund darin, daß die auf Art. 3 Buchst. b EWGV beruhende Einführung eines Gemeinsamen Zolltarifs auf die in den nationalen Zolltarifen enthaltenen, von den einzelnen Mitgliedstaaten bisher angewandten Zollsätze Rücksicht nehmen mußte, um unnötige Störungen des Außenhandels der Mitgliedstaaten mit Drittländern zu vermeiden. Das durch die Anwendung des Art. 19 EWGV im Bereich der Fruchtsäfte entstandene Ergebnis, daß die Zollbelastung bei einer Dichte von 1,33 oder weniger 22 %, bei einer Dichte von mehr als 1,33 jedoch 42 % beträgt, beruht somit nicht auf einer Willkürmaßnahme des für den Inhalt des GZT verantwortlichen Rates der EWG. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, daß die Beibehaltung dieses großen Unterschiedes zwischen den beiden Zollsätzen bis zu der hier zu beurteilenden Einfuhr vom Januar 1973 willkürlich gewesen sei. Deshalb durfte das gemäß Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) an Gesetz und Recht gebundene HZA von der Rechtmäßigkeit und Anwendbarkeit des Zollsatzes von 42 % ausgehen. Es war nicht verpflichtet darzulegen, daß der große Unterschied zwischen den beiden Zollsätzen weiterhin durch vernünftige Gründe gerechtfertigt sei.
Die Rechtmäßigkeit der in den Tarifst. 20.07 A und 20.07 B festgelegten Dichtegrenze kann auch nicht deshalb in Zweifel gezogen werden, weil auf eine Messung bei 15° C abgestellt ist statt, wie neuerdings üblich (vgl. Handbuch der Lebensmittelchemie, a. a. O., S. 227 ff.), bei 20° C. Die tariflich geforderte Messung bei 15° C mag gegenüber einer solchen bei 20° C schwieriger sein; sie ist aber selbst nach dem Vortrag der Klägerin nicht unmöglich.
Es besteht kein Anlaß, nach Art. 177 EWGV eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EGH) über die Frage einzuholen, wie der in den Tarifst. 20.07 A und 20.07 B verwendete Begriff „Dichte” auszulegen ist. Denn über den Inhalt dieses Begriffes bestehen keine Zweifel. Es handelt sich um einen naturwissenschaftlich genau umschriebenen Begriff. Er bezeichnet bei Flüssigkeiten, Festkörpern und Gasen die in der Volumeneinheit enthaltene Masse. Unter der Dichtezahl versteht man das Verhältnis der Masse des betreffenden Stoffes zur Masse einer volumengleichen Wassermenge bei 4° C, wobei die Dichte des Wassers mit der Zahl 1 angesetzt wird. Die Dichte eines Stoffes entspricht praktisch seinem spezifischen Gewicht. Der Unterschied zwischen Dichte und spezifischem Gewicht beträgt höchstens 0,3 % (vgl. Roempps Chemie-Lexikon, 7. Aufl.; Roempps Chemisches Wörterbuch; ABC Chemie; Fachlexikon ABC Physik; Franke, Lexikon der Physik, 3. Aufl.; Meyers Physik-Lexikon; Meyers Enzyklopädisches Lexikon, 9. Aufl.; Brockhaus Enzyklopädie, 17. Aufl.; Großes Duden-Lexikon; – jeweils unter „Dichte” –; Handbuch der Lebensmittelchemie, Zweiter Band, Teil 1, S. 14 ff.).
Das FG ist ohne Rechtsfehler zu dem Ergebnis gelangt, daß der von der Klägerin eingeführte und auf ihren Antrag vom 17. Januar 1973 zum freien Verkehr abgefertigte Fruchtsaft eine Dichte von mehr als 1,33 bei 15° C aufwies. Es hat sich hierbei auf die Feststellungen gestützt, daß das ZA der Ware eine Untersuchungs- sowie eine Rückstellprobe entnommen hat, beide Proben bei der ZPLA nach dem pyknometrischen Verfahren untersucht wurden, dieses Verfahren zu den genauesten Ergebnissen führt und daß die wiederholten Untersuchungen bei 15° C Dichtewerte zwischen 1,341 und 1,343 ergaben. Auch an diese tatsächlichen Feststellungen ist der erkennende Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden.
Fundstellen
Haufe-Index 514730 |
BFHE 1979, 491 |