Leitsatz (amtlich)
Die Verjährung eines Erbschaftsteueranspruchs wurde nach § 147 Abs. 1 AO a. F. (d. h. in der bis zum 31. Dezember 1965 geltenden Fassung) dem Erben gegenüber auch durch einen an den Testamentsvollstrekker gerichteten Steuerbescheid unterbrochen, dessen Bekanntmachung nach dem BFH-Urteil vom 20. Oktober 1970 II 167/64 (BFHE 100, 56, BStBl II 1970, 826) unwirksam war.
Normenkette
AO § 147 Abs. 1
Tatbestand
I.
Der Vater des Klägers und Revisionsklägers (Kläger), der Kaufmann K, verstarb am 16. Oktober 1958.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte die Erbschaftsteuer in einem an den damaligen Testamentsvollstrecker gerichteten Bescheid vom 6. März 1963 fest.
Das Finanzgericht (FG) wies die Berufung des Testamentsvollstreckers zurück. Der Bundesfinanzhof (BFH) hob das Urteil des FG und den angefochtenen Bescheid mit Urteil vom 20. Oktober 1970 II 167/64 (BFHE 100, 56, BStBl II 1970, 826) auf, da die Bekanntgabe des Bescheids an den Testamentsvollstrecker unwirksam sei und nicht gegen die Erbbeteiligten wirke.
Mit dem an den Kläger gerichteten Bescheid vom 23. Dezember 1970 setzte das FA die Steuer für den Erwerb des Klägers fest.
Die mit Zustimmung des FA erhobene Sprungklage hatte keinen Erfolg.
Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die Steuerforderung sei verjährt, da die Unterbrechungshandlungen gegen den Testamentsvollstrecker gerichtet gewesen seien.
Entscheidungsgründe
II.
Die mit dem Erbfall am 16. Oktober 1958 entstandene Steuerforderung ist nicht verjährt, so daß die Steuer mit dem Bescheid vom 23. Dezember 1970 festgesetzt werden konnte.
a) Die fünfjährige Verjährungsfrist begann am 1. Januar 1959 zu laufen (§ 144, § 145 Abs. 1 der Reichsabgabenordnung - AO - a. F., d. h. in der bis zum 31. Dezember 1965 geltenden Fassung). Sie wurde durch die Erteilung des an den früheren Testamentsvollstrecker gerichteten Erbschaftsteuerbescheids vom 6. März 1963 dem Kläger gegenüber unterbrochen.
Nach § 147 AO a. F. wurde die Verjährung durch jede Handlung unterbrochen, die das zuständige FA zur Feststellung des Anspruchs oder des Verpflichteten vornahm. Das Gesetz stellte damit allein auf die Tatsache des Handelns ab, nicht aber auch darauf, ob die mit dem Handeln des FA darüber hinaus bezweckten Rechtswirkungen eintraten; insbesondere kam es nicht darauf an, ob ein Steuerbescheid, mit dem eine Steuerforderung "festgestellt" werden sollte, wirksam wurde (BFH-Urteile vom 12. Januar 1968 VI R 287/66, BFHE 91, 339, BStBl II 1968, 362; vom 22. Oktober 1971 VI R 235/69, BFHE 104, 27, BStBl II 1972, 297; vom 31. März 1976 I R 123/74, BFHE 118, 459 [462, 463], BStBl II 1976, 510; vom 5. Mai 1976 I R 119/74, BFHE 119, 11, BStBl II 1976, 604; vgl. auch das Urteil vom 26. November 1974 VII R 45/72, BFHE 114, 522, BStBl II 1975, 460).
Mit dem an den Testamentsvollstrecker gerichteten Bescheid vom 6. März 1963 sollte die Erbschaftsteuerforderung (wirksam) festgesetzt werden (vgl. § 15 Abs. 4 Satz 2, § 15 Abs. 1 Satz 2 der Erbschaftsteuer-Durchführungsverordnung - ErbStDV -). Daß diese Wirkung wegen des Verstoßes gegen § 91 Abs. 1 Satz 1 und § 211 Abs. 3 AO nicht eintrat (BFHE 100, 56, BStBl II 1970, 826), nahm dem auf den Erlaß des Steuerbescheides gerichteten (tatsächlichen) Handeln des FA nicht die Tendenz "zur Feststellung der Steuerforderung" (und des Verpflichteten).
Die mit dem Erlaß des Steuerbescheides vom 6. März 1963 somit eingetretene Unterbrechung der Verjährung wirkte auch gegenüber dem Kläger; denn mit dem an den Testamentsvollstrecker gerichteten Bescheid sollte (auch) der gegen den Kläger bestehende Erbschaftsteueranspruch festgesetzt und damit der Verpflichtete (§ 15 Abs. 1 ErbStG 1959, § 97 Abs. 1 AO) festgestellt werden.
Zwar wirkten Unterbrechungshandlungen nach § 147 AO a. F. grundsätzlich nur dem gegenüber, gegen den sie sich richteten (BFH-Urteil vom 4. Februar 1972 III R 28/68, BFHE 105, 439 [443], BStBl II 1972, 679). Die Unterbrechungshandlung brauchte sich aber nur "gegen", nicht aber auch "an" den Betroffenen zu richten (BFHE 119, 11 [13], BStBl II 1976, 604). Demgemäß wurde die Verjährung dem Steuerschuldner gegenüber auch dann unterbrochen, wenn die Steuerforderung gemäß gesetzlicher (wenn auch später für nichtig erklärter) Vorschrift in einem an eine andere Person adressierten Steuerbescheid (unwirksam) festgesetzt wurde, da auf diesem Wege der Steueranspruch dem Steuerschuldner gegenüber geltend gemacht werden sollte (BFHE 91, 339, BStBl II 1968, 362, und BFHE 104, 27, BStBl II 1972, 297).
b) Die Unterbrechung der Verjährung durch den Erlaß des Bescheides vom 6. März 1963 dauerte bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die gegen diesen Bescheid erhobene Anfechtungsklage durch das Urteil (BFHE 100, 56, BStBl II 1970, 826) an, da die Unterbrechungshandlung wirksam blieb (Art. 5 Abs. 3 des Gesetzes zur Änderung der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 15. September 1965 - AOÄG -, BFHE 119, 11, BStBl II 1976, 604). Die erneute Steuerfestsetzung durch den Bescheid vom 23. Dezember 1970 war demnach möglich, da die Steuerforderung nicht verjährt war.
Fundstellen
Haufe-Index 73426 |
BStBl II 1980, 207 |
BFHE 1980, 291 |