Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehemann als wirtschaftlicher Inhaber des Kommanditanteils der Ehefrau
Leitsatz (NV)
Ein Kommanditist, der unter der ständigen Drohung des Hinausdrängens aus der KG zum Buchwert steht, kann bei der Ausübung seiner Rechte als Kommanditist nicht seinen eigenen Willen durchsetzen, sondern muß stets auf die Wünsche dessen Rücksicht nehmen, der ihn jederzeit hinausdrängen kann. Dieser und nicht der Kommanditist übt die tatsächliche Herrschaft über den Kommanditanteil in der in § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 umschriebenen Weise aus.
Normenkette
AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 15
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger zu 2 (Kläger zu 2) betrieb vor dem 1. Januar 1976 die Firma Z als Einzelunternehmen. Er errichtete zusammen mit seiner Ehefrau mit Wirkung zum 1. Januar 1976 eine KG, die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 (Klägerin zu 1). Die Ehefrau leistete als Kommandististin eine Einlage von 100 000 DM. Diese Beteiligung war ihr schenkungshalber gewährt worden. Der Kläger zu 2 war persönlich haftender Gesellschafter. Er brachte sein Einzelunternehmen ein, allerdings ohne das Betriebsgrundstück. Dieses Grundstück ist an die Klägerin zu 1 verpachtet. Es ist Betriebsvermögen der als Gewerbebetrieb behandelten ,,Immobilienverwaltung", auf die es ohne Gewinnrealisierung vom Einzelunternehmen des Klägers zu 2 überging.
Am 1. April 1976 schied der Kläger zu 2 als persönlich haftender Gesellschafter aus der Klägerin zu 1 aus. Gleichzeitig wurde eine GmbH persönlich haftende Gesellschafterin der Klägerin zu 1. Diese hatte keine Kapitaleinlage zu leisten. Die GmbH war vom Kläger zu 2 und seiner Ehefrau gegründet worden. An ihr waren der Kläger zu 2 mit einer Stammeinlage von 19 000 DM (später mit 18 000 DM) und die Ehefrau des Klägers zu 2 mit 1 000 DM (später auch die Tochter des Klägers zu 2 mit 1 000 DM) beteiligt. Geschäftsführer dieser GmbH war der Kläger zu 2. Er erhielt ein jährliches Geschäftsführergehalt von 100 000 DM sowie eine vom Gewinn der Klägerin zu 1 abhängige Tantieme von 20 v. H. Außerdem erteilte die Klägerin zu 1 dem Kläger zu 2 eine Pensionszusage.
Im Zuge der Umgründung des Unternehmens wurde das Kapitalkonto des Klägers zu 2 beim Einzelunternehmen - abzüglich des Buchwerts des Betriebsgrundstücks - in ein langfristiges, an die Klägerin zu 1 gewährtes, verzinsliches Darlehen umgewandelt.
Nach dem Gesellschaftsvertrag der Klägerin zu 1 ist das Widerspruchsrecht der Kommanditisten (§ 164 des Handelsgesetzbuches - HGB -) ausgeschlossen. Ihr Recht auf Einsichtnahme in die Geschäftsbücher (§ 166 Abs. 1 HGB) ist eingeschränkt. Der persönlich haftende Gesellschafter kann die KG kündigen und den Betrieb übernehmen. In einem solchen Fall hat die Kommanditistin einen Auseinandersetzungsanspruch nur in Höhe ihres Kapitalkontos. Ohne Genehmigung des persönlich haftenden Gesellschafters kann die Kommanditistin jährlich nur 40 000 DM und die zur Bezahlung ihrer auf ihren Gewinn- und Vermögensanteil entfallenden persönlichen Steuern erforderlichen Beträge entnehmen.
Nach einer Betriebsprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Auffassung, der Kläger zu 2 sei als Mitunternehmer der Klägerin zu 1 anzusehen. Er erkannte deshalb die von der Klägerin zu 1 als Betriebsausgaben geltend gemachten Aufwendungen zugunsten des Klägers zu 2, nämlich . . . DM Gehalt, . . . DM gewinnabhängige Tantieme, . . . DM Zinsen für das Darlehenskonto, die Grundstückspacht und . . . DM Pensionsrückstellung nicht als Betriebsausgaben an. Der Gewinn der Klägerin zu 1 wurde entsprechend erhöht und unter Berücksichtigung einer Gewerbesteuerrückstellung für das Streitjahr (1976) auf . . . DM festgestellt. Dieser Gewinn wurde wie folgt verteilt: Kläger zu 2 54,63 v. H., Kommanditistin 45,06 v. H. und GmbH 0,31 v. H. Ein entsprechender Gewinnfeststellungsbescheid und ein entsprechender Gewerbesteuermeßbescheid wurden erlassen.
Die Einsprüche der Kläger hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit der Revision wird die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend gemacht.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
a) Das FG hat den Kläger zu 2 als Mitunternehmer der Klägerin zu 1 aufgrund der früheren Rechtsprechung über die sog. faktische Mitunternehmerschaft angesehen. Danach konnte ein Steuerpflichtiger auch dann Mitunternehmer sein, wenn er kein Gesellschafter der Personengesellschaft war, die der Mitunternehmerschaft zugrunde lag. Diese Auffassung ist durch den Beschluß des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) aufgegeben worden. Nach diesem Beschluß kann nur Mitunternehmer sein, wer an einer Personengesellschaft als Gesellschafter oder an einer Personengesellschaft wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaft als Teilhaber beteiligt ist, Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfalten kann.
b) Das FG ist davon ausgegangen, daß der Kläger zu 2 kein Gesellschafter der Klägerin zu 1 ist. Dieser Ansicht kann sich der erkennende Senat nicht anschließen. Der erkennende Senat kommt vielmehr zu dem Ergebnis, daß der Kläger zu 2 als wirtschaftlicher Eigentümer des Kommanditanteils seiner Ehefrau angesehen werden muß, weil die von ihm beherrschte GmbH jederzeit in der Lage war, die Ehefrau des Klägers zu 2 als Kommanditistin zum Buchwert hinauszukündigen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. Mai 1989 VIII R 196/84, BFHE 157, 508, BStBl II 1989, 877).
aa) Wirtschaftlicher Eigentümer eines Wirtschaftsguts ist, wer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, daß er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Diese Voraussetzungen sind bei einem Kommanditanteil erfüllt, wenn ein Dritter die tatsächliche Herrschaft über den Kommanditanteil in der Weise ausübt, daß er den rechtlichen Kommanditisten im Regelfall für die Dauer des Bestehens der KG von der Einwirkung auf die KG wirtschaftlich ausschließen kann.
bb) Der Kläger zu 2 hat hinsichtlich des Kommanditanteils seiner Ehefrau diese Machtstellung. Das ergibt sich aus den zwischen ihm und der Klägerin zu 1 abgeschlossenen Verträgen (Anstellungsvertrag, Pachtvertrag und Darlehensvertrag) in Verbindung mit der im Gesellschaftsvertrag über die KG enthaltenen Klausel, wonach die vom Kläger zu 2 beherrschte Komplementär-GmbH die Kommanditistin jederzeit zum Buchwert hinauskündigen kann. Denn ein Kommanditist, der unter der ständigen Drohung des Hinausdrängens aus der KG zum Buchwert steht, kann bei der Ausübung seiner Rechte als Kommanditist nicht seinen eigenen Willen durchsetzen, sondern muß stets auf die Wünsche dessen Rücksicht nehmen, der ihn jederzeit hinausdrängen kann. Dieser und nicht der Kommanditist übt die tatsächliche Herrschaft über den Kommanditanteil in der in § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 umschriebenen Weise aus.
cc) Im Streitfall steht dem Kläger zu 2 diese tatsächliche Herrschaftsmacht über den Kommanditanteil seiner Ehefrau zu; denn er konnte als beherrschender Gesellschafter der Komplementär-GmbH jederzeit bestimmen, ob seine Ehefrau aus der Klägerin zu 1 zum Buchwert hinausgedrängt werden sollte.
Diese tatsächliche Herrschaftstellung des Klägers zu 2 wurde im Streitfall noch dadurch verstärkt, daß er alleiniger Geschäftsführer der Komplementär-GmbH ist, der Klägerin zu 1 die wesentliche Betriebsgrundlage verpachtet und ihr erhebliches Kapital zur Verfügung gestellt hatte.
Schließlich war in diesem Zusammenhang auch noch zu berücksichtigen, daß die Ehefrau ihren Kommanditanteil von dem Kläger zu 2 schenkungshalber erworben hat. Die Vorinstanz weist zutreffend darauf hin, daß in einem solchen Fall nach der Rechtsprechung des BFH (Beschluß vom 29. Mai 1972 GrS 4/71, BFHE 106, 504, BStBl II 1973, 5; Urteil vom 13. März 1980 IV R 59/76, BFHE 130, 301, BStBl II 1980, 437) als angemessener Gewinnanteil nur eine durchschnittliche Rendite von nicht mehr als 15 v. H. des Werts des geschenkten Anteils anerkannt werden kann. Als Wert des Anteils kommt im Streitfall nur der Buchwert von 100 000 DM in Betracht, da die Ehefrau als Kommanditistin jederzeit zum Buchwert hinausgekündigt werden kann. Als angemessener Gewinnanteil für die Ehefrau des Klägers zu 2 käme also allenfalls ein Gewinnanteil von ca. 15 000 DM in Betracht, während nach den Vorstellungen der Kläger auf sie ein Gewinnanteil von . . . DM entfallen sollte. Eine solche Differenz zwischen Kapitaleinsatz und Gewinnanteil ist unter den Umständen des Streitfalls nur damit erklärbar, daß der hohe Gewinnanteil der Kommanditistin wirtschaftlich dem Kläger zu 2 zustehen sollte.
dd) In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - BGH - (Urteile vom 13. Juli 1981 II ZR 56/80, BGHZ 81, 263; vom 20. Januar 1977 II ZR 217/75, BGHZ 68, 212) wird allerdings eine Hinauskündigungsklausel als unwirksam angesehen. Damit kann jedoch nicht die einkommensteuerrechtliche Nichtberücksichtigung einer solchen Klausel im Rahmen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 erreicht werden; denn die Unwirksamkeit der genannten Klausel ließe sich wirksam nur dadurch feststellen, daß der Betroffene ihre Rechtswirksamkeit anzweifelt und seine Rechtsposition im Prozeßweg durchsetzt. Dies ist von einem Beschenkten aber durchweg nicht zu erwarten (BFH-Urteile vom 9. Oktober 1986 IV R 259/84, BFH/NV 1987, 567; vom 29. April 1981 IV R 131/78, BFHE 133, 392, BStBl II 1981, 663).
c) Der Kläger zu 2 hat auch Mitunternehmerinitiative entfaltet; denn er konnte seinen geschäftlichen Betätigungswillen in der Klägerin zu 1 durchsetzen.
Das FG hat zwar keine Feststellungen über die Stimmrechtsverhältnisse in der Klägerin zu 1 getroffen. Aber selbst dann, wenn man zugunsten der Kläger davon ausgeht, daß die Gesellschafterbeschlüsse einstimmig gefaßt werden mußten, beherrschte der Kläger zu 2 die Klägerin zu 1 stimmrechtsmäßig. Dies folgt aus der Tatsache, daß er die Komplementär-GmbH als Mehrheitsgesellschafter beherrschte und die einzige Kommanditistin wegen der bestehenden Hinauskündigungsklausel in ihrem eigenen Interesse sich stets nach den Wünschen des Klägers zu 2 richten mußte.
d) Mitunternehmerrisiko hat der Kläger zu 2 getragen, weil ihm als wirtschaftlichem Eigentümer des Kommanditanteils seiner Ehefrau der auf diesen Kommanditanteil entfallende Gewinnanteil zustand und er aufgrund der Hinauskündigungsklausel als an den stillen Reserven allein beteiligt angesehen werden muß.
e) Ist der Kläger zu 2 demnach als wirtschaftlicher Eigentümer des Kommanditanteils seiner Ehefrau anzusehen, so wäre der in dem Gewinnfeststellungsbescheid 1976 zutreffend mit . . . DM festgestellte Gesamtgewinn der Klägerin zu 1 eigentlich lediglich zwischen der GmbH und dem Kläger zu 2 aufzuteilen. Wegen des Verböserungsverbots ist der Senat für das Streitjahr jedoch gehindert, eine entsprechende Aufteilung vorzunehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 416781 |
BFH/NV 1991, 223 |