Leitsatz (amtlich)
In den Ländern, in denen eine Neuregelung bisher nicht getroffen ist, gilt noch die Vereinfachungsvorschrift, daß an Stelle der Wertzuwachssteuer ein Zuschlag zur Grunderwerbsteuer erhoben wird.
Normenkette
StVVO vom 14. September 1944, § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 1, § 21 Abs. 4
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) kaufte am 12. Mai 1950 ein im Lande Niedersachsen gelegenes Grundstück. Das Finanzamt erhob außer der Grunderwerbsteuer und dem Zuschlag aus § 13 Abs. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) den Zuschlag zur Abgeltung der Wertzuwachssteuer gemäß § 15 Abs. 1 der Steuervereinfachungsverordnung (StVVO) vom 14. September 1944 (Reichsgesetzblatt -- RGBl. -- I S. 202). Die Bfin. wendet sich gegen diesen Zuschlag. Sie macht in der Rechtsbeschwerde (Rb.) ebenso wie in den Vorinstanzen geltend, § 15 Abs. 1 StVVO sei infolge der tatsächlichen Beendigung des Krieges hinfällig geworden, und vertritt hilfsweise die Auffassung, die Anwendung der Vorschrift setze das Vorhandensein eines Wertzuwachses im gegebenen Einzelfalle voraus.
Entscheidungsgründe
Die Rb. hat keinen Erfolg.
1. § 14 Absatz 1 StVVO bestimmt, daß die Wertzuwachssteuer nicht mehr erhoben wird, und § 15 Absatz 1 a. a. O., daß das Reich an Stelle der Wertzuwachssteuer einen Zuschlag zur Grunderwerbsteuer zugunsten der Steuergläubiger erhebt. Nach § 21 Absatz 4 a. a. O. gelten diese Vorschriften "während der weiteren Dauer des Krieges". Es fragt sich, ob die Vorschriften noch auf den Vertrag vom 12. Mai 1950 anzuwenden sind.
Das Finanzgericht hat erwogen, daß als Kriegsende entweder die tatsächliche Beendigung der Kampfhandlungen oder die Beendigung des Krieges im völkerrechtlichen Sinne, also der Abschluß eines Friedensvertrages, angesehen werden könnte, und hat die erste Möglichkeit in Anbetracht der völligen Auflösung der deutschen Staatsordnung, die mit der Kapitulation und der Beseitigung der letzten Reichsregierung auf lange Sicht eingetreten sei, verneint. Der Senat gelangt auf Grund anderer Erwägungen zu demselben Ergebnis der Fortgeltung der strittigen Vorschriften. Bei dem Erlaß der Gesetze Nr. 64 über die vorläufige Neuordnung von Steuergesetzen vom 20. Juni 1948 (Beilage Nr. 4 zum Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebiets -- WiGBl. -- 1948) ist die damalige Rechtslage auf dem Gebiet des Steuerrechts überprüft worden. Es ist dabei hinsichtlich der Kapitalverkehrsteuern und der Wechselsteuer, die ebenfalls durch § 14 Absatz 1 StVVO für die weitere Dauer des Krieges außer Hebung gesetzt wurden, durch Artikel VI § 1 des Anhangs zum Gesetz Nr. 64 die Bestimmung des § 14 Absatz 1 StVVO aufgehoben, d. h. angeordnet worden, daß diese Steuern wieder erhoben werden sollten. Entsprechende Regelungen erfolgten in der französischen Zone. Daraus ergibt sich die Auffassung der Gesetzgeber, daß § 14 Absatz 1 StVVO nicht schon durch die tatsächliche Beendigung der Kampfhandlungen seine Geltung verloren hatte. Daraus, daß gesetzliche Bestimmungen über die Kapitalverkehrsteuern und die Wechselsteuern erlassen wurden, und zwar zur vorläufigen Neuordnung, über die Wertzuwachssteuer dagegen nicht, ergibt sich aber weiter, daß die Regelung hinsichtlich der Wertzuwachssteuer späterer Entschließung vorbehalten werden sollte. Dem entspricht auch die weitere Entwicklung.
Die Wertzuwachssteuer und die Grunderwerbsteuer sind nach Artikel 105 Absatz 2 Ziffer 1 und Artikel 106 Absatz 2 des Grundgesetzes Landessteuern. Die Neuregelung liegt demnach den Ländern ob. So hat auch das Land Baden durch Gesetz vom 17. Oktober 1951 (Gesetz- und Verordnungsblatt S. 183) unter Aufhebung der §§ 14 und 15 StVVO eine den Schwebezustand beseitigende endgültige Regelung getroffen, die dem § 15 Absatz 1 StVVO entspricht. Im Lande Niedersachsen steht die endgültige Regelung noch aus. Deshalb sind die strittigen Vorschriften im Lande Niedersachsen noch anzuwenden.
Die Rechtslage ist im Grundsatz ebenso wie bei der der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes unterliegenden Beförderungsteuer im Möbelfernverkehr und im Werkfernverkehr, die gleichfalls für die Dauer des Krieges außer Hebung gesetzt worden war (§ 16 Absatz 1 StVVO). Ihre Wiedererhebung schreibt das Bundesgesetz vom 2. März 1951 zur Wiedererhebung der Beförderungsteuer im Möbelfernverkehr und im Werkfernverkehr (Bundesgesetzblatt I S. 159) vor, nachdem bereits das Land Rheinland-Pfalz durch Gesetz vom 15. Juni 1949 (Gesetz- und Verordnungsblatt I S. 227) für sein Gebiet die gleiche Anordnung getroffen hatte.
2. Die Auffassung der Bfin., § 15 Absatz 1 StVVO sei nur in den Fällen anzuwenden, in denen tatsächlich ein Wertzuwachs gegeben sei, geht fehl. Die Vorschrift sollte unbestritten der Vereinfachung dienen. Die Vereinfachung kam dort in Betracht, wo Schwierigkeiten bestanden. Bei der Veranlagung der Wertzuwachssteuer bestanden aber nicht Schwierigkeiten in der Ausrechnung der Steuer, d. h. in ihrer Berechnung auf der Grundlage des festgestellten Wertzuwachses und des Tarifs, sondern in der Ermittlung des Wertzuwachses selbst. Das beruhte darauf, daß nicht lediglich der vereinbarte Veräußerungspreis mit dem seiner Zeit vereinbarten Erwerbspreis zu vergleichen war, sondern beide Preise durch Hinzurechnungen und Abzüge erst vergleichbar gemacht werden, vor allem die Aufwendungen für noch vorhandene Bauten und sonstige dauernde Verbesserungen dem Erwerbspreis hinzugerechnet werden mußten. Hier und in mancher anderen Hinsicht waren umfangreiche und zeitraubende Ermittlungen erforderlich. Daraus ergibt sich, daß es Sinn und Zweck der umstrittenen Vorschrift war, den Zuschlag zur Grunderwerbsteuer allgemein an die Stelle der Wertzuwachssteuer treten zu lassen.
Fundstellen
Haufe-Index 407331 |
BStBl III 1952, 35 |
BFHE 1953, 88 |