Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Wird eine Personengesellschaft, der familienfremde Gesellschafter angehören, mit den Erben eines Gesellschafters fortgeführt und scheiden die Erben bald darauf gegen eine von allen Gesellschaftern geleistete Abfindung aus, so handelt es sich in der Regel nicht um einen erbrechtlichen, sondern um einen gesellschaftsrechtlichen (betrieblichen) Vorgang, der bei den Ausgeschiedenen auch dann zu einem Veräußerungsgewinn (ß 16 EStG) führt, wenn sie sich nicht als Mitunternehmer betätigt haben.
Normenkette
EStG § 15 Nr. 2, § 16/1/2; AO § 215 Abs. 2
Tatbestand
Streitig ist im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung 1958, ob der Veräußerungsgewinn, der in einer den Erben eines verstorbenen Gesellschafters gewährten Abfindung enthalten ist, vom Erblasser oder von den Erben erzielt wurde (ß 15 Ziff. 2, § 16 EStG).
Die Bfin., eine OHG, bestand aus den fünf Gesellschaftern A, B, C. D und E, die die Gesellschaft gegründet hatten. In § 12 des Gesellschaftsvertrages vom 26. August 1952 war bestimmt:
"Durch den Tod eines Gesellschafters wird die Gesellschaft nicht aufgelöst. Sie wird vielmehr von den übrigen Gesellschaftern mit den Erben des verstorbenen Gesellschafters unter Fortführung der bisherigen Firma fortgesetzt.
Hinterläßt ein Gesellschafter mehrere Erben, so haben diese zu ihrer Vertretung in allen Gesellschafterangelegenheiten einen gemeinsamen Bevollmächtigten zu ernennen. Bis zu seiner Ernennung durch die Erben bestimmen die geschäftsführenden Gesellschafter den Bevollmächtigten aus der Mitte der Erben.
Die verbleibenden Gesellschafter können innerhalb eines halben Jahres beschließen, ob die Erben oder einzelne Erben in der Gesellschaft verbleiben und in welcher Form. Die Gesellschafter können auch beschließen, daß keiner der Erben in der Gesellschaft verbleibt. In diesem Fall erhalten die Erben das Ausscheidungsguthaben, das nach den Bestimmungen des § 14 zu errechnen ist".
Nach § 14 Abs. 2 des Vertrages hatten ein ausscheidender Gründergesellschafter oder seine Erben Anspruch auf ein Ausscheidungsguthaben, das auf der Grundlage einer auf den Ausscheidungstag errichteten Auseinandersetzungsbilanz festzusetzen war.
Am 12. März 1958 verstarb der Gesellschafter A. Seine Erben waren zu gleichen Teilen der Gesellschafter B sowie die bisher an der Gesellschaft nicht beteiligten F und G. Am 30. September 1958 faßten die Altgesellschafter einen Beschluß, wonach Einigkeit unter den Gesellschaftern darüber bestehe, daß die Gesellschaft mit den Erben des A nicht fortgesetzt, vielmehr der Anteil an die Erben ausgezahlt werde; die Gesellschafter seien sich einig, daß als Ausscheidungstag der 12. März 1958 gelte. Die Erben waren damit einverstanden, daß das Ausscheidungsguthaben des Erblassers 320.000 DM betrage.
In der Erklärung zur einheitlichen Gewinnfeststellung 1958 rechnete die Bfin. dem Erben einen Veräußerungsgewinn von 122.000 DM mit je 1/3, das sind 40.703 DM, zu. Sie ging davon aus, daß die Erben F und G zunächst Gesellschafter geworden und auf Grund des Beschlusses vom 30. September 1958 mit Wirkung vom 12. März 1958 ausgeschieden seien.
Das Finanzamt rechnete den Veräußerungsgewinn dem Erblasser zu. Es vertrat die Auffassung, daß A mit seinem Tode aus der Gesellschaft ausgeschieden sei. Die Erben F und G seien nach der tatsächlichen Gestaltung nicht Mitunternehmer geworden. Der Gesellschaftsvertrag könne der steuerlichen Beurteilung nicht zugrunde gelegt werden, da sich die Gesellschafter nicht an ihn gehalten hätten.
Im Einspruchsverfahren führte die Bfin. aus, daß nach der vertraglichen Gestaltung erst der Gesellschafterbeschluß vom 30. September 1958 das Ausscheiden der Erben bewirkt habe. Der Beschluß sei als Kündigung anzusehen. Das Ausscheidungsguthaben sei schon einmal auf den 30. Juni 1958 errechnet worden; man habe aber aus praktischen Gründen den 12. März 1958 als Ausscheidungszeitpunkt gewählt.
Einspruch und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht führte in seinem in den "Entscheidungen der Finanzgerichte" 1962 S. 151 veröffentlichten Urteil aus, die Beteiligten hätten die Nachfolgeklausel des Gesellschaftsvertrags in ein von der Zustimmung der Gesellschafter abhängiges Aufnahmerecht der Nicht-Gesellschafter-Miterben umgedeutet und danach gehandelt. Dem müsse das Steuerrecht folgen. Die Erben seien nicht Gesellschafter geworden. Das Abfindungsguthaben gehe auf das Ausscheiden des Erblassers bei der Bfin., nicht auf ein Ausscheiden der Erben zurück.
Mit der Rb. macht die Bfin. vor allem geltend, das Finanzgericht habe verkannt, daß die Miterben F und G nicht durch Ausschluß auf Grund des Gesellschaftsvertrags von 1952, sondern auf Grund der besonderen Vereinbarung vom 30. September 1958, durch die der Gesellschaftsvertrag geändert worden sei, ausgeschieden seien. Nach Ablauf der Halbjahresfrist des § 12 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrages hätten die Altgesellschafter nach dem 12. September 1958 keine rechtliche Möglichkeit mehr gehabt, die Miterben aus der Gesellschaft auszuschließen. Letztere seien als Mitunternehmer zu behandeln, da das Unternehmen auch auf ihre Rechnung und Gefahr geführt worden sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt zur erneuten Durchführung der einheitlichen Gewinnfeststellung.
Ein Veräußerungsgewinn, der sich daraus ergibt, daß die Erben des Gesellschafters einer Personengesellschaft mit einem das Kapitalkonto des Erblassers übersteigenden Betrage abgefunden werden, ist dem Erblasser zuzurechnen, wenn dieser mit seinem Tode aus der Gesellschaft ausschied, die Gesellschaft also nicht mit den Erben fortgesetzt wurde (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs VI 353, 354/62 U vom 26. Juli 1963, BStBl 1963 III S. 481, Slg. Bd. 77 S. 438). Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen, beurteilt sich in erster Linie nach der von den Beteiligten gewählten und ernsthaft durchgeführten zivilrechtlichen Gestaltung (vgl. auch Urteil des Bundesfinanzhofs I 82/60 U vom 21. August 1962, BStBl 1963 III S. 178, Slg. Bd. 76 S. 482). Im Interesse der Rechtssicherheit und übersehbarkeit der steuerlichen Folgen muß der zivilrechtlichen Abwicklung des Erbfalles die entscheidende Bedeutung beigemessen werden.
Für die steuerliche Beurteilung ist maßgebend, daß der Gesellschaftsvertrag von 1952 im Zeitpunkt des Erbfalles noch galt. Danach wurde die Gesellschaft mit den Erben des verstorbenen Gesellschafters fortgesetzt. Die Erben traten in die Gesellschafterstellung des Erblassers auch hinsichtlich der Geschäftsführungs- und Vertretungsrechte ein (vgl. Schlegelberger-Gessler-Hefermehl, Kommentar zum Handelsgesetzbuch, Erl. 25 zu § 139). Diese Rechtswirkung konnten die Beteiligten auch auf Grund der Klausel des § 12 Abs. 3 des Vertrages nicht rückwirkend beseitigen, ganz abgesehen davon, daß die dort für den Ausschluß vorgesehene Halbjahresfrist zur Zeit des Beschlusses vom 30. September 1958 schon abgelaufen war. Eine rückwirkende Aufhebung der Gesellschafterrechte wäre mit den auch im Gesellschaftsrecht anerkannten Grundsatz nicht vereinbar, daß Gesellschaftsverhältnisse nur mit Wirkung für die Zukunft durch Kündigung (Ausschluß) oder Vereinbarung gelöst werden können (vgl. Schlegelberger-Gessler-Hefermehl, a. a. O., Erl. 62 a zu § 105, 19 zu § 140); Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen - BGHZ - Bd. 31 S. 295).
Die Auffassung des Finanzgerichts, daß die Beteiligten entgegen der Regelung des Gesellschaftsvertrages von einem bloßen Aufnahmerecht der Miterben ausgegangen seien, findet in den Vereinbarungen keine Stütze. Die Gesellschafterrechte, die der Erblasser bis zu seinem Tode ausübte, wurden für die Miterbengruppe durch den Miterben und Altgesellschafter B wahrgenommen. Dabei ist unerheblich, ob die zugrunde liegende Bestimmung des § 12 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages rechtswirksam war. Denn maßgebend ist, was die Beteiligten für gültig gehalten und durchgeführt haben. Den Akten ist zu entnehmen, daß die Altgesellschafter zunächst die Absicht hatten, die Miterben F und G mit Wirkung vom 30. Juni 1958 abzufinden und ihnen einen entsprechenden Anteil am laufenden Gewinn des Unternehmens zuzurechnen. Vor allem aus Vereinfachungsgründen wurde jedoch der Todestag des Erblassers als Stichtag für die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens gewählt.
Die Beantwortung der Frage, ob in der Person der einzelnen Miterben Veräußerungsgewinne entstehen, hängt davon ab, ob die Miterben auf gesellschaftsrechtlicher (betrieblicher) oder auf erbrechtlicher Grundlage abgefunden werden (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs VI 334/61 U vom 26. Juli 1963, BStBl 1963 III S. 480, Slg. Bd. 77 S. 435; VI 353, 354/62 U). Die betriebliche Natur des Vorgangs könnte im Streitfall dann zweifelhaft sein, wenn der Miterbe und Altgesellschafter B den gesamten Anteil des Erblassers übernommen hätte. Denn dann käme dem Umstand Bedeutung zu, daß die ausgeschiedenen Miterben F und G möglicherweise nicht als Mitunternehmer anzusehen wären, worauf das Fehlen einer Beteiligung am laufenden Gewinn hindeuten würde. Es läge dann nahe, eine die Gewinnermittlung nicht berührende, auf der privaten Vermögensebene liegende Erbauseinandersetzung anzunehmen. Dafür ist hier jedoch kein Raum. Die gesellschaftsrechtliche Natur der Abfindung ergibt sich bereits aus der Tatsache, daß die ausgeschiedenen Miterben von allen, auch den familienfremden, Gesellschaftern abgefunden wurden.
Der Vorgang kann nicht anders beurteilt werden als die nach einem Erbfall vorgenommene Veräußerung eines zum Nachlaß gehörenden Betriebes an dritte, nicht zur Erbengemeinschaft gehörende Personen. In Fällen dieser Art entsteht auch dann ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn (ß 16 EStG), wenn die Erben sich nicht als Mitunternehmer betätigen, z. B. weil sie das Gewerbe nach dem Erbfall nicht ausübten.
Die Bfin. rechnete in ihrer Gewinnerklärung, der die Vorinstanzen insoweit folgten, auch dem in der Gesellschaft verbliebenen Miterben B einen Veräußerungsgewinn zu. Das ist unzutreffend. Der Gesellschafter B setzte, soweit er den Kapitalanteil des Erblassers übernahm, die Gesellschaft fort. Er muß die auf ihn entfallenden anteiligen Buchwerte des Erblassers fortführen (ß 7 Abs. 1 EStDV). Dementsprechend kommen Aktivierungen von Anschaffungskosten und davon vorzunehmende Abschreibungen und Absetzungen für Abnutzung bei der Bfin. nur nach Maßgabe der den ausgeschiedenen Miterben F und G gewährten Abfindungen in Frage.
Fundstellen
Haufe-Index 411920 |
BStBl III 1966, 195 |
BFHE 1966, 534 |
BFHE 84, 534 |