Leitsatz (amtlich)
Die Steuerfreiheit nach § 1 Nr. 1 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung bei Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur vom 24. November 1969 (GVBl, 878) setzt voraus, daß der Erwerber des Grundstücks selbst, nicht ein Dritter (z. B. eine Kommanditgesellschaft, an welcher der Erwerber als persönlich haftender Gesellschafter beteiligt ist), das Grundstück zur Errichtung oder Erweiterung einer Betriebstätte verwenden will.
Normenkette
GrEStStrukturG § 1 Nr. 1, § 3 S. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist persönlich haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft (KG). Seine Ehefrau ist einzige Kommanditistin. Das Unternehmen wurde zunächst in S betrieben. Im Jahre 1971 kaufte er von der Stadt H (Nordrhein-Westfalen) ein etwa 12 000 qm großes Grundstück "zum Zwecke der Errichtung eines Gewerbebetriebes". Er beantragte, den Erwerbsvorgang gemäß § 1 Nr. 1 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung bei Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur (GrEStStrukturG) vom 24. November 1969 (GVBl, 878) steuerfrei zu lassen und versicherte, daß er das Grundstück innerhalb von fünf Jahren zu dem steuerbegünstigten Zweck verwenden werde. Außerdem legte er eine Bescheinigung vor, in der der Regierungspräsident Düsseldorf bestätigt, daß das Gebiet, in welchem die Betriebstätte errichtet werden soll, als Gebiet anerkannt wird, dessen unzureichende Wirtschaftskraft oder dessen unausgewogene Wirtschaftsstruktur der Verbesserung bedarf und die Errichtung der Betriebstätte volkswirtschaftlich förderungswürdig und geeignet ist, die Wirtschaftsstruktur des Gebietes zu verbessern. Der Kläger überließ das Grundstück der KG zur eigenbetrieblichen Nutzung.
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) hielt den Erwerb des Grundstücks nicht für steuerfrei, weil "die Nutzung der zu errichtenden Gebäude ... nicht durch den" Kläger selbst geschehe, er sonach den steuerbegünstigten Zweck nicht "unmittelbar" erfülle. Es setzte durch vorläufigen Bescheid die Grunderwerbsteuer fest.
Auf die Sprungklage hob das FG den Steuerbescheid auf. Der Kaufvertrag sei steuerfrei, denn er habe ein Grundstück zum Gegenstand, "das unmittelbar zur Errichtung oder Erweiterung einer Betriebstätte verwendet werden" solle. Der Begriff "unmittelbar ... verwendet" sei nicht auf die Person des Erwerbers, sondern auf das Grundstück zu beziehen.
Mit der Revision rügt das FA die unrichtige Anwendung des § 1 Nr. 1 GrEStStrukturG. Es fehle an der sachbezogenen Verwendung des Grundstücks "durch den Erwerber". Grunderwerbsteuerrechtlich seien eine Kommanditgesellschaft und ihre Gesellschafter nicht identisch.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben.
Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
Das angefochtene Urteil muß aufgehoben werden, weil es auf unrichtiger Anwendung des § 1 Nr. 1 GrEStStrukturG beruht. Nach dieser Vorschrift ist von der Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz unter anderem ausgenommen "der Erwerb eines Grundstücks, das unmittelbar zur Errichtung ... einer Betriebstätte verwendet werden soll, wenn die Betriebstätte in einem Gebiet liegt oder liegen wird, dessen unzureichende Wirtschaftskraft oder dessen unausgewogene Wirtschaftsstruktur der Verbesserung bedarf und die Errichtung der Betriebstätte volkswirtschaftlich förderungswürdig und geeignet ist, die Wirtschaftskraft oder die Wirtschaftsstruktur des Gebietes zu verbessern". Diese Vorschrift hat das FG insofern unrichtig angewendet, als es davon ausging, das Tatbestandsmerkmal "Erwerb eines Grundstücks, das unmittelbar zur Errichtung einer Betriebstätte verwendet werden soll", sei auch dann erfüllt, wenn - wie hier - nicht der Erwerber selbst, sondern ein Dritter, welchem der Erwerber das Grundstück zur Nutzung überläßt, auf dem Grundstück eine Betriebstätte errichtet.
Zwar läßt der Wortlaut der erwähnten Befreiungsvorschrift allein auch die vom FG gefundene Auslegung zu. Aber aus dem Zusammenhang der Vorschrift mit § 3 Satz 1 GrEStStrukturG - wonach der Erwerber versichern muß, daß "er" das erworbene Grundstück zu dem steuerbegünstigten Zweck verwenden wird - ergibt sich die Abhängigkeit der Steuerfreiheit davon, daß der Erwerber selbst, nicht ein Dritter, das Grundstück zur Errichtung einer Betriebstätte verwenden will. Um dies klarzustellen, brauchte der Gesetzgeber in diesem Zusammenhange nicht - wie das FG meint - das Adverb "unmittelbar" zu wiederholen, denn es war durch die Wendung "zu dem steuerbegünstigten Zweck" bereits in Bezug genommen. Für diese Auslegung spricht auch der Zusammenhang der Vorschrift mit Nr. 2 des § 1 GrEStStrukturG (Erwerb eines Grundstücks durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts). Für die dort genannten Erwerbsvorgänge genügt es im Gegensatz zu Nr. 1 des § 1 GrEStStrukturG, daß die geplante Verwendung des Grundstücks "mittelbar" geeignet ist, die Wirtschaftskraft oder die Wirtschaftsstruktur eines Gebietes zu verbessern. Diese Erweiterung der Begünstigung hat ihren Grund darin, daß die genannten Körperschaften vorbereitende Maßnahmen durchführen müssen (vgl. Teil II Nr. 2 der Gesetzesbegründung, Drucksache Nr. 1238 des Landtags Nordrhein-Westfalen).
Dem Zweck der Vorschrift - den Ankauf von Grundstücken zur Gründung und Erweiterung von volkswirtschaftlich förderungswürdigen Betrieben zu erleichtern und die Wirtschaftsstruktur zu verbessern (vgl. Teil I der Gesetzesbegründung, Drucksache Nr. 1238 S. 9 des Landtags Nordrhein-Westfalen) - widersprach es nicht, den Anwendungsbereich der Vorschrift auf die bezeichneten Vorgänge zu beschränken. Dies entsprach vielmehr der Vorstellung der Landesregierung, wie aus Teil II Nr. 9 der erwähnten Gesetzesbegründung hervorgeht. Dort heißt es: "Das Gesetz macht die Steuerbefreiung ... davon abhängig, daß der Erwerber das Grundstück zu einem bestimmten förderungswürdigen Zweck verwenden will ... Es besteht ... nur dann Anlaß, ihm die Steuerfreiheit endgültig zu belassen, wenn er das Grundstück innerhalb einer angemessenen Frist tatsächlich dem beabsichtigten Verwendungszweck zuführt." Daraus folgt, daß nicht steuerfrei sein sollte der Erwerb eines Grundstücks in der Absicht, das Grundstück einem Dritten zu überlassen, damit dieser es zur Errichtung oder Erweiterung einer Betriebstätte verwende. Daß etwas anderes dann gelten solle, wenn der Dritte - wie hier - eine KG, also eine Personengesellschaft ist, an der der Erwerber als Komplementär beteiligt ist, läßt sich dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht entnehmen. Grunderwerbsteuerrechtlich gilt eine Personengesellschaft als (relativ) selbständiger Rechtsträger; das folgt aus den Vorgegebenheiten des bürgerlichen Rechts (vgl. Urteil des BFH vom 25. Februar 1969 II 142/63, BFHE 95, 292, 299, BStBl II 1969, 400). Dementsprechend hat der BFH beispielsweise eine Erbengemeinschaft und eine offene Handelsgesellschaft als verschiedene Rechtsträger behandelt, obwohl beide aus denselben Personen bestanden und deren Anteile gleich waren (Urteil vom 27. Oktober 1970 II 72/65, BFHE 101, 126, BStBl II 1971, 278); er hat es ferner als eine steuerlich schädliche Aufgabe des begünstigten Zwecks beurteilt, wenn ein Gesellschafter das von ihm erworbene unbebaute Grundstück innerhalb der Fünfjahresfrist in eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts einbrachte und erst diese darauf steuerbegünstigte Gebäude errichtete (Urteil vom 8. Dezember 1970 II 43/65, BFHE 102, 120, BStBl II 1971, 530).
Der Hinweis des Klägers, der BFH habe in einzelnen Fällen personenbezogene Eigenschaften von Gesellschaftern der Gesellschaft zugerechnet (z. B. die Eigenschaft der Gesellschafter als Vertriebene, Urteil vom 21. März 1968 II 109/64, BFHE 92, 517, BStBl II 1968, 619), vermag seine Rechtsauffassung nicht zu stützen. Denn das GrEStStrukturG knüpft die Steuerbefreiung nicht an eine bestimmte Eigenschaft, sondern an eine bestimmte Absicht des Erwerbers. Die Absicht des Klägers ist aber nicht identisch mit der der KG.
Zu Unrecht beruft sich der Kläger für seine Auffassung auf den Satz aus dem erwähnten BFH-Urteil II 142/63: "Ist aber der 'Umweg' steuerbegünstigt, so erscheint es nur sinnvoll, den geraden Weg selbst bei durchaus möglicher Gesetzesauslegung ebenfalls steuerbegünstigt zu belassen." Denn im vorliegenden Fall ist der "Umweg", nämlich der Erwerb durch den Gesellschafter und die anschließende Überlassung des Grundstücks an die KG zu Errichtung einer Betriebstätte gerade nicht begünstigt, sondern nur der "gerade" Weg: der Erwerb eines Grundstücks, auf dem der Erwerber selbst eine Betriebstätte errichten will.
Richtig ist zwar der Hinweis des Klägers, daß der in § 1 Nr. 1 GrEStStrukturG verwendete und in § 16 des Steueranpassungsgesetzes bestimmte Begriff "Betriebstätte" vor allem für die Ertragsteuern Bedeutung hat. Die Begriffsbestimmung gilt aber für alle Steuergesetze, also auch für das GrEStStrukturG. Es ist deshalb nicht geboten - wie der Kläger meint - unter Rückgriff auf die zu § 15 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes entwikkelte sog. Bilanzbündeltheorie die von der KG geplante Errichtung einer Betriebstätte dem Kläger "als ... steuerlichen Mitunternehmer zuzurechnen".
Der Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Klage ist abzuweisen. Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtmäßig. Der bezeichnete Kaufvertrag unterlag der Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Nordrhein-Westfälischen Grunderwerbsteuergesetzes vom 12. Juli 1970 (GVBl, 612). Er war nicht gemäß § 1 Nr. 1 GrEStStrukturG von der Besteuerung ausgenommen.
Fundstellen
Haufe-Index 71327 |
BStBl II 1975, 391 |
BFHE 1975, 67 |