Entscheidungsstichwort (Thema)
Aussetzungszinsen zur ESt keine Betriebsausgaben / Werbungskosten oder Sonderausgaben
Leitsatz (NV)
Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer sind weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten abziehbar. Sie sind - vor Geltung des § 10 Nr. 5 i. d. F. d. StRG 1990 - nicht als Sonderausgaben abziehbar.
Normenkette
AO 1977 § 237; EStG in der 1984 geltenden Fassung § 2 Abs. 4-5, § 4 Abs. 4, § 9 Abs. 1, §§ 10, 12 Nr. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Steuerberater. Im Streitjahr 1984 wurde er zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt.
Mit Zinsbescheid gemäß § 237 der Abgabenordnung (AO 1977) vom 20. November 1984 hatte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gegenüber dem Kläger Aussetzungszinsen betreffend die Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides für 1977, fällig zum 27. Dezember 1984, festgesetzt. Der Zinsbescheid wurde nicht angefochten. Im Dezember 1984 zahlte der Kläger einen Teilbetrag auf ein Konto des FA ein.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machte der Kläger die bezahlten Aussetzungszinsen als Sonderausgaben geltend. Das FA ließ im Einkommensteuerbescheid vom 9. September 1986 die geltend gemachten Zinszahlungen nicht zum Abzug zu. Der Bescheid wurde aus hier nicht streitigen Gründen mehrfach geändert. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.
Er ist der Auffassung, die vom Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 23. November 1988 I R 180/85 (BFHE 154, 552, BStBl II 1989, 116) vertretene Auffassung zur Frage der Abziehbarkeit von Stundungszinsen bei der Körperschaftsteuer gelte sinngemäß auch für den Bereich der Einkommensteuer.
Entscheidungsgründe
Zu Recht hat das FG die geltend gemachten Aussetzungszinsen betreffend Einkommensteuer nicht zum Abzug zugelassen.
Ausgaben können steuermindernd nur berücksichtigt werden, wenn es sich um Erwerbsausgaben (Betriebsausgaben oder Werbungskosten) handelt oder wenn deren Abziehbarkeit ausdrücklich (z. B. als Sonderausgaben, § 10 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) gesetzlich geregelt ist.
1. Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer sind weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten abziehbar.
Betriebsausgaben sind Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 EStG). Dies trifft zu, wenn die Aufwendungen objektiv mit dem Betrieb zusammenhängen und subjektiv dem Betrieb zu dienen bestimmt sind. Werbungskosten liegen - über den unmittelbaren Wortlaut des § 9 Abs. 1 EStG hinaus - dann vor, wenn zwischen den Aufwendungen und der jeweiligen Einkunftsart ein Veranlassungszusammenhang besteht. Maßgeblich dafür, ob eine Aufwendung in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang zu einer Einkunftsart steht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffende Aufwendung ,,auslösenden Moments", zum anderen die Zuweisung dieses Bestimmungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre (BFH-Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, 302, BStBl II 1990, 817, m. w. N.).
a) Bemessungsgrundlage für die Einkommensteuer sind nicht die Einkünfte (vgl. § 2 Abs. 1 und 2 EStG), sondern ist nach Berücksichtigung persönlicher, außerhalb der Sphäre der Einkommenserzielung liegender Abzüge (§ 2 Abs. 4 und 5 EStG) das zu versteuernde Einkommen. Die Einkommensteuer setzt zwar eine einkommensteuerrechtlich relevante Erwerbssphäre voraus, ist aber als eine nach den persönlichen Verhältnissen bemessene und den Vermögenszuwachs belastende (Kirchhof in Kirchhof / Söhn, Einkommensteuergesetz, § 2 Rz. A 595) Steuer nicht der Erwerbssphäre, sondern der Privatsphäre eines Steuerpflichtigen zuzuordnen. Sie erfüllt deshalb grundsätzlich nicht den Tatbestand der Erwerbsausgaben (Betriebsausgaben oder Werbungskosten, vgl. bereits Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925, § 18 Anm. 23; Becker, Handkommentar der Reichssteuergesetze, 1928, Bd. II, Das Einkommensteuergesetz vom 10. August 1925, § 16 Bem. 63; Kirchhof in Kirchhof / Söhn, a. a. O., § 2 Anm. A 191; Schmidt / Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 10. Aufl. 1991, § 12 Anm. 12; BFH-Urteil vom 21. Februar 1991 IV R 46/86, BFHE 163, 551, BStBl II 1991, 514; vgl. auch BFH-Urteil vom 24. Mai 1984 IV R 221/83, BFHE 141, 316, 319, BStBl II 1984, 706).
Die Bestimmung in § 12 Nr. 3 EStG in der im Streitjahr 1984 geltenden Fassung, wonach die Steuern vom Einkommen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen, soweit in § 10 Abs. 1 Nrn. 1, 2 bis 7, § 10 b und §§ 33 bis 33 c nichts anderes bestimmt ist, hat insoweit nur klarstellende Bedeutung (z. B. vgl. bereits Strutz, a. a. O., § 18 Bem. 23; Schmidt / Drenseck, a. a. O., § 12 Anm. 12; Arndt in Kirchhof / Söhn, § 12 Anm. D 2; Dürr in Frotscher, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 12 Anm. 235; Tipke / Lang, 12. Aufl. 1989, S. 257; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, 1988, S. 80; Söffing, Finanz-Rundschau - FR - 1984, 564; ders. FR 1991, 417; Flume, Der Betrieb - DB - 1985, 9, 10; Krebs, FR 1989, 451, 452).
b) Erfüllt die Tilgung der Einkommensteuer selbst nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen der Erwerbsausgaben (Betriebsausgaben oder Werbungskosten), gilt dies in gleicher Weise für die mit der Erhebung dieser Steuer zusammenhängenden Aufwendungen, also für die hier streitigen Aussetzungszinsen. Diese sind bei der Durchsetzung der Einkommensteuer 1977 angefallen und teilen als steuerliche Nebenleistungen zu diesem Steueranspruch (§ 3 Abs. 3 AO 1977) dessen rechtliches Schicksal. Sie können deshalb gleichfalls nicht als Erwerbsausgaben abgezogen werden.
aa) Aus § 12 Nr. 3 EStG i. d. F. des Gesetzes zur steuerlichen Förderung des Wohnungsbaus und zur Ergänzung des Steuerreformgesetzes (WoBauFG) 1990 vom 22. Dezember 1989 (BGBl I 1989, 2408, BStBl I 1989, 505) ergibt sich für den Streitfall nichts anderes. Soweit in § 12 Nr. 3, 2. Halbsatz erstmals ausdrücklich bestimmt ist, daß das Abzugsverbot auch für die auf die Einkommensteuer entfallenden Nebenleistungen gilt, hat die Bestimmung - auch für Veranlagungszeiträume vor 1990 (§ 52 Abs. 14 c EStG) - lediglich klarstellende Bedeutung. Davon ging ersichtlich auch der Gesetzgeber bei der Ergänzung des § 12 Nr. 3 EStG aus (vgl. die Gesetzesbegründung in BTDrucks. 11/2157, S. 146, unter Hinweis auf Abschn. 121 Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR -).
bb) Auch § 12 Nr. 3 EStG i. d. F. des Steuerreformgesetzes (StRG) 1990 rechtfertigt keine andere Betrachtung, denn diese Fassung ist nie geltendes Recht geworden.
Durch Art. 1 Nr. 17 StRG 1990 vom 25. Juli 1988 (BGBl I 1988, 1093, BStBl I 1988, 224) war allerdings § 12 Nr. 3 EStG zunächst dahingehend ergänzt worden, daß von dem Abzugsverbot für steuerliche Nebenleistungen Zinsen auf Steuerforderungen nach den §§ 233 a, 234, 237 AO 1977 ausdrücklich ausgenommen sein sollten. Gleichzeitig wurde in § 10 Nr. 5 EStG der Abzug dieser Zinsen als Sonderausgaben zugelassen. Die Ausnahme vom Abzugsverbot sollte - anders als das Abzugsverbot für steuerliche Nebenleistungen - keine Rückwirkung für vorausgegangene Veranlagungszeiträume haben, denn nach § 52 Abs. 14 a EStG i. d. F. des StRG 1990 war § 12 Nr. 3 EStG für Veranlagungszeiträume vor 1990 nur anzuwenden, soweit die Vorschrift den Abzug steuerlicher Nebenleistungen untersagte. Daraus erhellt, daß die Ausnahme vom Abzugsverbot nur in Zusammenhang mit der erst ab dem Veranlagungszeitraum 1990 anzuwendenden (§ 52 Abs. 1 EStG i. d. F. des StRG) Änderung des § 10 Nr. 5 EStG (Abzug der Zinsen als Sonderausgaben) gelten sollte (im Ergebnis ebenso Meincke in Littmann / Bitz / Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 52 Anm. 26). Soweit in § 12 Nr. 3 EStG i. d. F. des StRG Zinsen ausdrücklich vom Abzugsverbot ausgenommen waren, ist die Regelung jedoch nie geltendes Recht geworden. Sie ist insoweit durch Art. 1 Nr. 16 WoBauFG wieder gestrichen worden, weil sich diese Rechtsfolge bereits aus dem Vorbehalt in § 12 1. Halbsatz EStG (,,soweit in § 10 Abs. 1 Nrn. 1, 2 bis 8 . . . nichts anderes bestimmt ist") ergibt. Das WoBauFG trat bereits 1989 in Kraft (Art. 17 Abs. 1 WoBauFG). Die Bestimmungen des StRG sollten insgesamt erstmalig ab dem Veranlagungszeitraum 1990 anzuwenden sein (Art. 1 Nr. 73 a StRG 1990).
c) Aus der Entscheidung des I. Senats zur Abziehbarkeit von Stundungszinsen bei der Körperschaftsteuer (Urteil in BFHE 154, 552, BStBl II 1989, 166) ergibt sich für den Streitfall nichts anderes. Ausgangspunkt der Entscheidung ist die Überlegung, daß nicht nur die Steuern einer Kapitalgesellschaft vom Ertrag, sondern auch die Steuern vom Einkommen dem Grunde nach als betrieblich veranlaßte Aufwendungen anzusehen sind mit der Folge, daß auch die durch Stundung der Körperschaftsteuerschulden ausgelösten Stundungszinsen wie die durch Körperschaftsteuerzahlungen ausgelösten Kreditzinsen Betriebsausgaben darstellen. Hingegen sind, wie ausgeführt, die Einkommensteuern selbst und deshalb auch die sie betreffenden steuerlichen Nebenleistungen weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten.
2. Die geltend gemachten Aussetzungszinsen zur Einkommensteuer sind auch nicht als Sonderausgaben abziehbar.
Als Sonderausgaben sind nach § 10 EStG bestimmte private Aufwendungen des Steuerpflichtigen vom generellen Abzugsverbot des § 12 EStG ausgenommen (z. B. BFH-Urteil vom 4. April 1989 X R 14/85, BFHE 157, 88, BStBl II 1989, 779). Da es - anders als bei den Betriebsausgaben oder Werbungskosten - keinen generellen Begriff der Sonderausgaben gibt, dürfen als Sonderausgaben nur die im Gesetz abschließend aufgezählten Aufwendungen als Sonderausgaben abgezogen werden (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 6. Mai 1977 VI R 178/75, BFHE 122, 470, BStBl II 1977, 758). Anders als § 10 Nr. 5 EStG i. d. F. des StRG 1990, die für das Streitjahr noch nicht gilt, enthält die im Streitjahr geltende Fassung des § 10 EStG keine Regelung über die Abziehbarkeit der Zinsen nach den §§ 233 a, 234 und 237 AO 1977.
Fundstellen
Haufe-Index 418235 |
BFH/NV 1992, 458 |