Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Hat die Aufsichtsbehörde bei der Nachprüfung eines Feststellungsbescheids einen Fehler aufgedeckt, dessen Berichtigung eine niedrigere Feststellung rechtfertigt (ß 222 Abs. 1 Ziff. 4 AO), so hat der Steuerpflichtige einen Anspruch auf Berichtigung; er kann aber die änderung des ursprünglichen Feststellungsbescheids wegen der Fehleraufdeckung nur in dem Umfang verlangen, in dem sich der Fehler ausgewirkt hat. Im übrigen kann er den neuen Feststellungsbescheid nur insoweit anfechten, als er durch die niedrigere Feststellung beschwert ist.
Normenkette
AO § 222 Abs. 1 Nr. 4, §§ 234, 232/1
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Eigentümer des Grundstücks X-straße 36 mit Y-straße 1 B in N. Der Einheitswert 1935 des Grundstücks betrug 474.000 RM. Im Kriege wurde das Gebäude des Grundstücks zerstört. Die Fortschreibung des Einheitswerts zum 21. Juni 1948 (Bodenwert) ergab 300.000 DM. Der Feststellungsbescheid hierüber vom 21. Juni 1951 wurde vom Bf. nicht angefochten.
Erst mit Schreiben vom 14. August 1952 bat der Bf., den Einheitswert herabzusetzen, weil der Bodenwert im Vergleich zum Gebäudewert zu hoch festgestellt worden sei. Dieser Antrag wurde vom Finanzamt unter Hinweis auf die Rechtskraft des Fortschreibungsbescheids abgelehnt. Am 18. Oktober 1952 bat der Bf. unter Vorlage eines Gutachtens erneut um Nachprüfung der Bewertung (gegebenenfalls durch die Aufsichtsbehörde) und Herabsetzung des Einheitswerts auf 232.000 DM. Die Oberfinanzdirektion stellte fest, daß bei der bisherigen Bewertung dem Finanzamt ein Fehler unterlaufen sei, und ordnete gemäß § 222 Abs. 1 Ziff. 4 der Reichsabgabenordnung (AO) eine Berichtigung an. Die Berichtigung ergab einen Einheitswert von 237.800 DM. Bei dieser Bewertung ging das Finanzamt von einer Fläche von 300 qm für X-straße 36 und von 215 qm für Y-straße 1 B aus. Nach mehrfachen mündlichen Verhandlungen mit dem Bf. wurde schließlich festgestellt, daß auf X-straße 36 nur 259 qm und auf Y-straße 1 B dagegen 256 qm entfallen. Auch dieser Fehler wurde auf Anordnung der Oberfinanzdirektion nach § 222 Abs. 1 Ziff. 4 AO berichtigt. Auf Grund dieser zweiten Berichtigung ergab sich ein Einheitswert von 228.000 DM.
Nunmehr legte der Bf. gegen den Berichtigungsbescheid Einspruch ein und verlangte eine weitere Herabsetzung des Einheitswerts. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Auch die Berufung blieb erfolglos.
In der Rechtsbeschwerde (Rb.) wird beantragt, den Einheitswert auf 150.000 DM festzustellen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Im Streitfalle ist der ursprüngliche Feststellungsbescheid vom 21. Juni 1951 am 22. Juni 1951 zur Post gegeben worden. Ein Rechtsmittel, das schriftlich einzureichen oder zu Protokoll zu erklären gewesen wäre, hat der Bf. innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht eingelegt. Die Vorinstanzen sind daher zutreffend davon ausgegangen, daß dieser Feststellungsbescheid mit Ablauf des 25. Juli 1951 unanfechtbar geworden ist. Der Bf. hat die Versäumung der Rechtsmittelfrist gegen den ursprünglichen Feststellungsbescheid mit der ungeheuren physischen und psychischen Belastung der Staatsbürger nach dem Kriege sowie vor allem damit entschuldigt, daß er zur Zeit der Zustellung dieses Bescheids im Juni 1951 mit dem Wiederaufbau des Hauses viele Schwierigkeiten gehabt habe, weshalb er nicht in der Lage gewesen sei, jenen Bescheid auf seine Richtigkeit zu prüfen. Die Vorinstanzen haben es mit Recht abgelehnt, das Versäumnis aus den angegebenen Gründen als entschuldbar anzuerkennen und die Nachsicht zu gewähren. Abgesehen davon durfte die Nachsicht von den Vorinstanzen allein schon deswegen nicht gewährt werden, weil von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet der Bf. mehr als ein Jahr verstreichen ließ, ehe er sich an das Finanzamt wegen der änderung des Feststellungsbescheids wandte (ß 87 Abs. 5 AO). Es muß daher im Streitfall daran festgehalten werden, daß ein rechtskräftiger Feststellungsbescheid vorliegt.
Rechtskräftige Feststellungsbescheide können nach § 222 Abs. 1 Ziff. 4 AO berichtigt werden, wenn bei einer Nachprüfung durch die Aufsichtsbehörde vor Ablauf der Verjährungsfrist Fehler aufgedeckt werden, deren Berichtigung eine niedrigere Feststellung rechtfertigt. Der Steuerpflichtige hat, wenn ein Fehler aufgedeckt ist, einen Rechtsanspruch darauf, daß die Berichtigung durchgeführt wird (ebenso Hübschmann-Hepp-Spitaler, Reichsabgabenordnung § 222 Anm. 14). Er kann aber die änderung des ursprünglichen Feststellungsbescheids wegen der Fehleraufdeckung nur in dem Umfang verlangen, in dem sich der Fehler ausgewirkt hat. Im Fall des Bf. ist im Anschluß an die Aufdeckung der dem Finanzamt unterlaufenen Fehler (unrichtige Ermittlung des Bodenwerts und Zugrundelegung unzutreffender Flächengrößen) eine änderung des ursprünglichen Feststellungsbescheids durchgeführt worden. Das Finanzamt hat hierbei auch die änderung in dem zulässigen Umfang durchgeführt. Daß das nicht geschehen sei, wird vom Bf. auch nicht behauptet. Weiter durfte das Finanzamt aber nicht gehen; es müßte sich auf die eigentliche Fehlerberichtigung beschränken.
Der eine Fehlerberichtigung vornehmende Bescheid ist selbständig anfechtbar, soweit die änderung reicht. Das ergibt sich aus § 234 AO. Im Fall des Bf. ist der Einheitswert durch den neuen Bescheid herabgesetzt worden. Der Bf. kann daher diesen Bescheid, abgesehen von dem Vorbringen, der aufgedeckte Fehler sei nicht in dem gebotenen Umfang berichtigt worden, nur insoweit anfechten, als er durch die Herabsetzung des Einheitswerts - im Streitfall von 300.000 DM auf 228.000 DM - beschwert ist. Das ist aber nach seinem eigenen Vorbringen nicht der Fall. Er erstrebt vielmehr eine noch viel weitergehende Herabsetzung des Einheitswerts. Das Finanzamt durfte aber den ursprünglich festgestellten Einheitswert nicht unter den Betrag herabsetzen, der der Fehleraufdeckung entspricht. Der Bf. kann eben im Rechtsmittelverfahren gegen den neuen Bescheid nicht mehr das geltend machen, was er gegen den ursprünglichen Feststellungsbescheid hätte vorbringen müssen. Bei dieser Sachlage ist es dem Senat verwehrt, auf die Gründe einzugehen, die nach der Auffassung des Bf. noch zu einer weiteren Herabsetzung des Einheitswerts führen müßten.
Im Rechtsmittelverfahren betreffend Feststellung von Einheitswerten für Grundvermögen ist nach dem Urteil des erkennenden Senats III 77/50 U vom 29. Mai 1951 (Slg. Bd. 55 S. 351, Bundessteuerblatt - BStBl - 1951 III S. 138) der Streitwert pauschal auf 40 v. T. des streitigen Wertunterschieds zu bemessen. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs III 17/53 S vom 14. Mai 1954 (Slg. Bd. 59 S. 5, BStBl 1954 III S. 211) ist jedoch der Wert des Streitgegenstandes bei der Wertfortschreibung des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 mit Rücksicht auf das Interesse des Steuerpflichtigen an der Fortschreibung wegen der Vermögensabgabe im Regelfall gegenüber den sonst zugrunde gelegten Tausendsätzen des strittigen Wertunterschiedes um 20 v. H. des Wertunterschiedes höher festzustellen. Es ergibt sich somit im vorliegenden Fall ein Streitwert von 18.720 DM. Besondere Gründe, von der pauschalen Bemessung des Streitwerts mit 24 v. H. abzusehen, sind nicht ersichtlich.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 307 AO.
Fundstellen
Haufe-Index 408705 |
BStBl III 1957, 128 |
BFHE 1957, 336 |
BFHE 64, 336 |