Leitsatz (amtlich)
Die BMV ist, abgesehen von den Fällen des § 87 Abs. 2 Satz 2 BrMonG, nicht berechtigt, Personen, die die Bezugsbedingungen erfüllen, allein deshalb, weil sie der Begehung von Monopolvergehen verdächtig sind, die Lieferung unverarbeiteten Branntweins der BMV zu versagen.
Normenkette
BrMonG § 51a; BrMonG § 87 Abs. 1-2; BrMonG § 96 Abs. 2; AO § 242 Abs. 3 S. 2; FGO § 69 Abs. 4
Tatbestand
I.
Die Bundesmonopolverwaltung für Branntwein (BMV) hat mit Verfügung vom 31. Oktober 1969 dem Geschäftsführer der damals „X KG” firmierenden Klägerin, N, mitgeteilt, daß sie mit sofortiger Wirkung die Lieferung von Branntwein an ihn gesperrt habe, weil gegen ihn
- bei der Staatsanwaltschaft beim Landgericht (LG) Y im Mai 1967 die Einleitung eines Strafverfahrens wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung – in zwei Fällen in Tateinheit mit Bannbruch –, wegen fortgesetzter gewerbsmäßiger Steuerhehlerei und wegen eines Vergehens nach § 11 des Lebensmittelgesetzes beantragt worden sei;
- bei der Staatsanwaltschaft beim LG Z die Einleitung eines Strafverfahrens wegen gewerbsmäßiger Steuerhehlerei beantragt worden sei.
Mit Rücksicht auf diese schwerwiegenden Verfehlungen – sie sollten sich jeweils auf hochprozentigen Branntwein bezogen haben – könne es der BMV nicht zugemutet werden, weiterhin Kaufverträge mit N abzuschließen und Branntwein an ihn zu liefern.
Mit der Klage gegen diese Liefersperre wird beantragt, den Bescheid vom 31. Oktober 1969 aufzuheben und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
Die BMV beantragt, die Klage als unzulässig, hilfsweise, sie als unbegründet abzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage ist begründet.
Nach § 87 BrMonG bestimmt die BMV unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Branntweinbestände, in welcher Menge, zu welchen Zwecken und an wen Branntwein abzusetzen ist. Es erhebt sich die Frage, ob aus dieser Vorschrift gefolgert werden kann, daß die BMV das Recht hat, die Lieferung von Branntwein an Personen, die in Verdacht stehen, sich eines Monopolvergehens schuldig gemacht zu haben, zu verweigern. Im Hinblick auf den Kontrahierungszwang, dem die BMV unterliegt, auch wenn er nicht ausdrücklich im BrMonG ausgesprochen ist, ist diese Frage zu verneinen. Im Wesen des Branntweinmonopols als eines Staatsmonopols liegt nämlich die Verpflichtung der BMV begründet, an jeden Besteller nach den gleichen Richtlinien und Grundsätzen Branntwein zu liefern. Sie darf nicht, wie der private Kaufmann, unter ihren Abnehmern eine Auswahl nach Willkür treffen und etwa dem einen Besteller Branntwein liefern, dem anderen aber, der unter den gleichen Bedingungen bestellt, die Lieferung versagen. Die Vorschrift des § 87 Abs. 1 BrMonG gibt der BMV nur das Recht, die Zuteilung von Branntwein allgemein zu regeln, ihn zu bewirtschaften und besonders bei Spritknappheit zu rationieren (vgl. Gutachten des BFH II z D 1/51 S vom 27. Juli 1951, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 55 S. 425 – BFH 55, 425 –, BStBl III 1951, 168, Bundeszollblatt 1951 S. 493 – BZBl 1951, 493 –). Dem einzelnen gegenüber ist die BMV aber an ihre Rationierungsmaßnahmen gebunden. Wenn die BMV nach § 87 BrMonG das Recht hat, zu bestimmen, an wen Branntwein abzusetzen ist, können damit nur verschiedene Beziehergruppen gemeint sein, etwa Trinkbranntweinhersteller oder Krankenhäuser (vgl. Hepp in Alkoholindustrie 1949 S. 274). § 87 Abs. 1 BrMonG hat mit dem Kontrahierungszwang nichts zu tun. Nach Auffassung des Senats kann aus dieser Vorschrift daher nichts dafür hergeleitet werden, daß der Kontrahierungszwang zum Nachteil von Personen, die der Begehung eines Monopolvergehens verdächtig sind, durchbrochen werden kann.
§ 87 Abs. 2 BrMonG sieht eine Liefersperre vor in Fällen, in denen den von der BMV getroffenen Maßnahmen zur Sicherstellung der bestimmungsgemäßen Verwendung des von ihr bezogenen Branntweins zuwidergehandelt wurde. Daß die Klägerin in dieser Weise gefehlt hätte, ist von der BMV jedoch nicht behauptet worden. Aus dieser Vorschrift kann aber auch nichts für eine Liefersperre aus anderen Gründen gefolgert werden.
Nach § 96 Abs. 2 BrMonG kann die BMV die Lieferung von Monopolerzeugnissen ablehnen, wenn der Wiederverkäufer wiederholt wegen Verletzung der Vorschriften der §§ 119 ff. BrMonG bestraft worden ist. Im Streitfalle geht es aber nicht um die Lieferung von Monopolerzeugnissen, deren Herstellung übrigens seit 1925 eingestellt ist, sondern um die Lieferung von unverarbeitetem Branntwein zum regelmäßigen Verkaufspreis durch die BMV. Diese Vorschrift kann nicht ohne weiteres sinngemäß auf die Lieferung des letztgenannten Branntweins angewandt werden. Im übrigen könnte aus ihr nur geschlossen werden, daß für eine Liefersperre erst dann Raum ist, wenn der Betroffene wegen monopolrechtlicher Verfehlungen rechtskräftig bestraft worden ist.
Nach § 51 a BrMonG kann die OFD, wenn gegen jemand Tatsachen vorliegen, die seine Unzuverlässigkeit bei der Beachtung der Vorschriften des BrMonG oder einer dazu erlassenen Rechtsverordnung dartun, auf die Dauer bis zu fünf Jahren untersagen, ein Branntweingewerbe selbst auszuüben oder durch andere zu seinem Vorteil ausüben zu lassen oder in einem solchen Gewerbe als Vertreter oder Angestellter tätig zu sein. Dies gilt insbesondere dann, wenn jemand wegen einer groben Zuwiderhandlung gegen Vorschriften des BrMonG oder einer dazu erlassenen Rechtsverordnung bestraft oder gegen ihn wegen einer solchen Zuwiderhandlung eine Geldbuße von mindestens 1 000 DM festgesetzt ist. Eine derartige Anordnung der OFD umfaßt auch die Untersagung des Bezugs von Branntwein der BMV.
Nach Auffassung des Senats gibt diese Vorschrift einen hinreichenden Schutz für die Monopolbelange, wie ihn die BMV begehrt, so daß es der Möglichkeit der Verhängung einer Liefersperre durch die BMV nicht bedarf. Dazu ist darauf hinzuweisen, daß die OFD gemäß § 242 Abs. 3 Satz 2 der Reichsabgabenordnung (AO) die hemmende Wirkung eines außergerichtlichen Rechtsbehelfs gegen eine gemäß § 51 a BrMonG erlassene Verfügung durch besondere Anordnung ganz oder zum Teil beseitigen kann, wenn sie es im öffentlichen Interesse für geboten hält. Entsprechendes ergibt sich aus § 69 Abs. 4 FGO im Falle der Klageerhebung. Die BMV kann nicht einwenden, daß die Liefersperre wegen ihrer begrenzten Wirkung nicht mit einer Anordnung nach § 51 a BrMonG vergleichbar sei, weil es sich dabei um die Ausschaltung aus allen Bereichen des Umgangs mit Branntwein handle. Der Gesetzgeber wollte offensichtlich, abgesehen von Fällen des § 87 Abs. 2 und § 96 Abs. 2 BrMonG, Maßnahmen, die eine Liefersperre für unverarbeiteten Branntwein beinhalten, d. h. mitumfassen, nicht der BMV überlassen, sondern in die Hand der OFD legen.
Die BMV kann sich für ihre Auffassung nicht auf den nicht veröffentlichten Beschluß des BFH V z B 4/56 vom 31. Januar 1956 berufen, denn es heißt dort, daß die Frage, ob die BMV gegenüber kriminellen Elementen berechtigt ist, unter Durchbrechung ihrer Kontrahierungspflicht diesen gegenüber die Lieferung von Branntwein abzulehnen, im Streitfall nicht entschieden zu werden braucht. Auch in dem vorerwähnten Gutachten des BFH II z D 1/51 S vom 27. Juli 1951 ist diese Frage offengelassen.
Die BMV muß also, wenn sie es nicht für zumutbar hält, eine Person, die im Verdacht steht, sich monopolstrafrechtlich vergangen zu haben, mit unverarbeitetem Branntwein zu beliefern, den Weg des § 51 a BrMonG beschreiten, d. h. einen entsprechenden Antrag bei der zuständigen OFD stellen.
Nach allem war daher der Klage stattzugeben und die Verfügung der BMV vom 31. Oktober 1969 aufzuheben.
Fundstellen
Haufe-Index 514649 |
BFHE 1972, 574 |