Leitsatz (amtlich)
Steuerpflichtige mit Einnahmeüberschußrechnung, deren Aufzeichnungen im Sinne des § 12 Abs. 2 EStDV als ordnungsmäßige Buchführung gelten sollen, müssen Bareinnahmen und Barausgaben täglich aufzeichnen.
Normenkette
EStDV § 12 Abs. 2-4; AO § 162
Tatbestand
Streitig ist bei den Einkommensteuer-Veranlagungen 1963 bis 1965, ob der Revisionskläger (Steuerpflichtiger), der als Steuerbevollmächtigter seinen Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte, Aufzeichnungen gemäß § 12 Abs. 2 und 3 EStDV hatte, die für die Inanspruchnahme von Steuervergünstigungen als ordnungsmäßige Buchführung gelten.
Nach den bindenden Feststellungen des FG trug der Steuerpflichtige seine Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben nur monatlich (manchmal alle 15 bis 20 Tage) in ein Journal ein, und zwar gruppenweise zusammengestellt und addiert. Bei der maschinellen Verbuchung wurde gleichzeitig das Zahlenmaterial auf Kundenkarten für jeden einzelnen Mandanten und für die verschiedenen Arten der Betriebsausgaben systematisch aufgegliedert. Als Grundlage für diese Arbeiten dienten:
1. Auszüge des Bank- und Postscheckkontos. Sie waren chronologisch geordnet und vollständig vorhanden und enthielten entweder selbst oder auf den beigehefteten Quittungen die notwendigen erläuternden Texte und Hinweise.
2. Quittungsblöcke über Bareinnahmen und erhaltene Schecks. Solche Quittungsblöcke besaßen der Steuerpflichtige selbst (Chefblock) und eine bestimmte Büroangestellte (Büroblock); die Blöcke enthielten die Durchschriften der Empfangsquittungen über Bareinnahmen und entgegengenommene Schecks. Diese quittierten Bareinnahmen wurden nicht täglich in die Bücher eingetragen.
3. Belege für die bar bezahlten Ausgaben, die nach dem Datum der Bezahlung geordnet abgelegt wurden. Sie wurden erst im Zeitpunkt der monatlichen Zusammenstellung im Journal verbucht.
4. Die Aufzeichnungen der sog. kleinen Kasse, die kleinere Einnahmen und Ausgaben im Büro erfaßten.
Bei einer Betriebsprüfung sah der Prüfer die chronologisch geordneten Auszüge der Bank- und Postscheckkonten als vollwertigen Ersatz für die laufende Aufzeichnung dieser Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben an. Hingegen vertrat der Prüfer hinsichtlich der Bareinnahmen und Barausgaben die Auffassung, daß sie die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 und 3 EStDV nicht erfüllten.
Dem Vorschlag des Betriebsprüfers entsprechend verneinte das FA die Ordnungsmäßigkeit der Buchführung unter Hinweis auf § 12 EStDV und § 162 Abs. 7 AO und versagte als Folge davon die in Anspruch genommenen Vergünstigungen der §§ 6 Abs. 2 EStG und § 14 BHG.
Dagegen erhob der Steuerpflichtige Sprungklage, mit der er u. a. bestritt, daß sämtliche Ausgaben erst bei der Übertragung ins Journal erfaßt worden seien, und auf seine geordnet aufbewahrten Postscheck- und Bankauszüge verwies. Die meisten und insbesondere höhere und laufend wiederkehrende Betriebsausgaben habe er über Postscheck oder Bank bezahlt. Auch die meisten kleineren Ausgaben, welche durch sein Büro beglichen worden seien, seien täglich von den Angestellten aufgezeichnet worden, wie z. B. Porti, Trinkgelder. Er selbst habe in den Streitjahren lediglich Kraftfahrzeugkosten und außerhalb seines Büros anfallende Spesen nicht täglich verbucht, sondern anhand der aufbewahrten Belege erst bei der Übernahme ins Journal aufgezeichnet.
Die Sprungklage hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die Inanspruchnahme der Bewertungsfreiheit nach § 6 Abs. 2 EStG und § 75 EStDV, der AfA nach § 14 BHG und anderer Steuervorteile setzt voraus, daß die Steuerpflichtigen ihren Gewinn aufgrund ordnungsmäßiger Buchführung ermitteln. Für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn aus Gewerbebetrieb oder aus selbständiger Arbeit zulässigerweise nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln und deshalb keine ordnungsmäßige Buchführung nach handelsrechtlichen Grundsätzen (§ 5 EStG) haben, gelten gemäß § 12 Abs. 2 EStDV für die Inanspruchnahme des § 6 Abs. 2 und des § 75 EStDV die Aufzeichnungen, die den Vorschriften des § 12 Abs. 3 und 4 EStDV entsprechen, als ordnungsmäßige Buchführung. Ob das auch für die Inanspruchnahme der erhöhten AfA nach § 14 BHG gilt, kann hier dahingestellt bleiben.
Da der Steuerpflichtige seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte, hätte er also die genannten Steuervorteile nur in Anspruch nehmen können, wenn seine Aufzeichnungen den Absätzen 3 und 4 des § 12 EStDV entsprochen hätten. Das aber hat das FG zutreffend verneint. Nach § 12 Abs. 3 EStDV müssen die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben einzeln aufgezeichnet und am Schluß des Kalenderjahres zusammengerechnet werden. Außerdem sind die Vorschriften der §§ 162 und 163 AO zu beachten. Nach § 162 Abs. 2 AO sollen die Eintragungen in die Bücher fortlaufend vollständig und richtig bewirkt werden. Nach § 162 Abs. 7 AO sollen Kasseneinnahmen und Kassenausgaben im geschäftlichen Verkehr mindestens täglich aufgezeichnet werden. Unter Kasseneinnahmen und Kassenausgaben sind bei der Überschußrechnung sinngemäß die Bareinnahmen und Barausgaben zu verstehen. Denn da es bei dieser Gewinnermittlung keinen betrieblichen Kassenbestand gibt, bedarf es keiner Kassenführung. Es gibt nur baren und unbaren Geldverkehr. Das FG hat auch zutreffend darauf hingewiesen, daß die Sollvorschriften der §§ 162 und 163 AO durch den Hinweis in § 12 Abs. 3 EStDV, daß diese Vorschriften zu beachten sind, zu Mußvorschriften werden. Die Aufzeichnungspflichten nach § 12 Abs. 3 EStDV gehen also weiter, als bei der vereinfachten Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG an sich erforderlich wäre. Sie verlangen die fortlaufende chronologische Eintragung aller Einnahmen und Ausgaben in "die Bücher", die zweckmäßigerweise in mehrere Sachspalten zu unterteilen sind. Daneben sind die Bareinnahmen und Barausgaben gesondert aufzuzeichnen.
Daraus ergibt sich, daß der Steuerpflichtige seine gesamten Einnahmen und Ausgaben fortlaufend vollständig und sachlich und formell richtig in seine Bücher eintragen und gesondert die Bareinnahmen und Barausgaben mindestens täglich aufzeichnen mußte. Auch wenn man mit dem FA und FG davon ausgeht, daß bei den über das Bankkonto und das Postscheckkonto laufenden Einnahmen und Ausgaben durch die übersichtliche Sammlung und Aufbewahrung der Bank- und Postscheckauszüge nach dem Urteil des Senats vom 16. September 1964 IV 42/61 U (BFHE 80, 500, BStBl III 1964, 654) diese Voraussetzungen erfüllt wurden, so trifft das für einen Teil der Bareinnahmen und Barausgaben nicht zu. Sie wurden nur einmal im Monat oder nach 15 bis 20 Tagen in die Bücher eingetragen. Die beiden Sammlungen der Quittungsdurchschriften (Chefblock und Büroblock) für die Bareinnahmen können entgegen der Meinung des FG ebensowenig als Verbuchung dieser Einnahmen angesehen werden, wie die lose Belegsammlung der Barausgaben als Aufzeichnungen gelten können. Belege allein stellen keine Aufzeichnungen im Sinne der §§ 161, 162 AO dar. Die Rechtsprechung hat wiederholt hervorgehoben, daß einer kaufmännischen Buchführung, in der in erheblicher Weise gegen den Grundsatz der fortlaufenden Verbuchung der Geschäftsvorfälle verstoßen wird, nicht ordnungsmäßig ist (vgl. Urteil des BFH vom 10. Juni 1954 IV 68/53 U, BFHE 59, 227, BStBl III 1954, 298). Denn es liegt dann ein schwerer Mangel der Buchführung vor, durch den die leichte Nachprüfbarkeit verlorengeht. Das gilt auch, wenn keine sachliche Unrichtigkeit der Aufzeichnungen festgestellt werden kann. Gleiches muß für Steuerpflichtige gelten, die den Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln und die Steuervergünstigungen in Anspruch nehmen, deren Gewährung an das Vorliegen einer ordnungsmäßigen Buchführung im Sinne des § 12 Abs. 2 EStDV geknüpft ist (vgl. BFH-Urteil vom 27. Juni 1968 IV 300/63, BFHE 93, 8, BStBl II 1968, 655).
Die Einwände des Steuerpflichtigen gegen das Urteil der Vorinstanz sind nicht begründet. Daß es bei der Einnahmeüberschußrechnung kein Kassenkonto als Bestandskonto bzw. überhaupt keine Bestandskonten gibt und deshalb für die Verbuchung von Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben teilweise andere Grundätze gelten müssen als beim Vermögensvergleich, ist unstreitig. Es ist aber nicht zweifelhaft, was bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu den Betriebseinnahmen und was zu den Betriebsausgaben gehört. So ist es bei der Einnahmeüberschußrechnung für die Behandlung der Barbezahlung von betrieblichen Aufwendungen als Betriebsausgabe ohne Bedeutung, ob der Steuerpflichtige das Geld hierfür aus seiner "Privattasche" nimmt oder aus seiner "Geschäftskasse". Denn grundsätzlich wird vereinnahmtes Geld sofort Privatvermögen, weil es kein Bestandskonto und kein betriebliches Umlaufvermögen gibt. Deshalb muß eine Barzahlung aus der "Privattasche" unmittelbar als Betriebsausgabe gebucht werden. Es verstößt gegen die Aufzeichnungspflichten des § 12 Abs. 3 EStDV, diese Barausgaben erst bei den monatlichen Eintragungen im Journal über die Einlagebuchung in die Aufwandskonten aufzunehmen.
Da der Steuerpflichtige innerhalb der Revisionsbegründungsfrist auch keine echten Verfahrensverstöße gerügt hat, die zur Aufhebung der Vorentscheidung führen könnten, war die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 70414 |
BStBl II 1973, 480 |
BFHE 1973, 30 |