Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Definition der vGA i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG 1968
Leitsatz (NV)
1. Eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG 1968 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind, sich auf die Höhe des Einkommens auswirken und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung stehen. Bei einem beherrschenden Gesellschafter ist eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch dann anzunehmen, wenn es an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung darüber fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt von der Kapitalgesellschaft gezahlt werden soll.
2. Einer Vermögensminderung bei der Kapitalgesellschaft muß kein Zufluß eines Vermögensvorteils beim Gesellschafter entsprechen.
3. Die Unterscheidung zwischen einer Vorteilsziehung durch einen beherrschenden Gesellschafter und einer solchen durch eine ihm nahestehende Person rechtfertigt keine unterschiedliche Beurteilung der vGA (Anschluß an BFH-Urteile vom 1. 10. 1986 I R 54/83, BFHE 149, 33, BStBl II 1987, 459; vom 2. 3. 1988 I R 103/86, BFHE 153, 313, BStBl II 1988, 786).
Normenkette
KStG 1968 § 6 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin ist eine GmbH, an der im Streitjahr 1971 R allein beteiligt war. R war darüber hinaus persönlich haftender Gesellschafter der R-KG (Beteiligung: 90,15 v. H.). Die R-KG vermietete Grundvermögen an die Klägerin. Die Klägerin zahlte auf Grund einer entsprechenden Anforderung im Dezember 1971 an die R-KG eine erhöhte Miete für das ganze Jahr 1971.
Das FA behandelte die nachträgliche Mieterhöhung als vGA. Das FG gab der Klage teilweise statt. Die Revision der Klägerin blieb ohne Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG 1968 ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt sind, sich auf die Höhe des Einkommens auswirken und in keinem Zusammenhang mit einer offenen Ausschüttung stehen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673). Bei einem beherrschenden Gesellschafter ist eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch dann anzunehmen, wenn es an einer klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung darüber fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt von der Kapitalgesellschaft gezahlt werden soll (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673). Fehlt es an einer im voraus getroffenen klaren Vereinbarung, so besteht wegen des nicht vorhandenen Interessengegensatzes zwischen der Gesellschaft und dem beherrschenden Gesellschafter die Möglichkeit, den Gewinn der Gesellschaft mehr oder weniger beliebig festzusetzen und ihn so zu beeinflussen, wie es bei der steuerlichen Gesamtbetrachtung der Einkommen der Gesellschaft und des Gesellschafters jeweils am günstigsten ist.
Zu diesen Voraussetzungen hat das FG in tatsächlicher Hinsicht in einer den erkennenden Senat bindenden Weise (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt, daß im Streitjahr 1971 an der R-GmbH R als alleiniger Gesellschafter beteiligt war. R war gleichzeitig an der R-KG mit 90,15 v. H. beteiligt. Damit beherrschte er im Sinne der oben genannten Rechtsprechung beide Gesellschaften.
Nach den Feststellungen des FG wurde die im Streitfall interessierende Mieterhöhung von der R-GmbH an die R-KG geleistet. Vermögensmäßig ist der (hier unterstellte) Zufluß eines Beteiligungsertrages in das Vermögen einer KG etwas anderes als der in das Vermögen des Gesellschafters der KG. Im ersteren Fall kommt der Zufluß dem Gesellschafter nur mittelbar über seinen Gewinnanteil an der KG bzw. über eine Werterhöhung des eigenen Gesellschaftsanteils zugute. In diesem Sinne ist der Zufluß der Mieterhöhung bei der R-KG nicht dem Zufluß bei R gleichzustellen. Vielmehr war die R-KG eine Person, die dem R als beherrschendem Gesellschafter der R-GmbH nahestand (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1986 I R 54/83, BFHE 149, 33, BStBl II 1987, 459).
2. Das FG ist allerdings abweichend von der früheren Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Urteile vom 8. März 1967 I 119/64, BFHE 88, 289, BStBl III 1967, 372; vom 21. Januar 1970 I R 125/67, BFHE 98, 470, BStBl II 1970, 466) davon ausgegangen, daß Leistungen einer Kapitalgesellschaft an eine dem beherrschenden Gesellschafter nahestehende Person auf einer im voraus getroffenen klaren Vereinbarung beruhen müssen. Diese Rechtsprechung hat jedoch der erkennende Senat aufgegeben (vgl. Urteile in BFHE 149, 33, BStBl II 1987, 459; vom 29. April 1987 I R 192/82, BFHE 150, 412, BStBl II 1987, 797; vom 2. März 1988 I R 103/86, BFHE 153, 313, BStBl II 1988, 786). An der Änderung der Rechtsprechung ist Kritik geübt worden (vgl. Lange, Neue Wirtschafts-Briefe - NWB -, Fach 4, S. 3547). Der Senat hält dennoch an der geänderten Rechtsprechung fest.
Die verdeckte Gewinnausschüttung i. S. des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG 1968 setzt zwar bei einer Kapitalgesellschaft eine durch das Gesellschaftsverhältnis ausgelöste Vermögensminderung voraus, die sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt. Dieser Vermögensminderung muß jedoch kein Zufluß eines Vermögensvorteils beim (beherrschenden) Gesellschafter entsprechen. Das Beispiel einer unangemessen hohen Pension, die einem Gesellschafter-Geschäftsführer (nur) versprochen wird, macht dies besonders deutlich (vgl. BFH-Urteil vom 16. Februar 1977 I R 132/75, BFHE 121, 343, BStBl II 1977, 444). Entscheidend ist insoweit nur, daß die bei der Kapitalgesellschaft eintretende Vermögensminderung nicht betrieblich veranlaßt, sondern durch die Gesellschafterposition eines oder mehrerer Gesellschafter ausgelöst ist. Diese Voraussetzung ist stets erfüllt, wenn die Vermögensminderung der Kapitalgesellschaft darauf abzielt, dem (beherrschenden) Gesellschafter oder einer ihm nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuzuwenden. Entsprechend kommt es für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Satz 2 KStG 1968 nur auf den Anlaß der Vermögensminderung bei der Kapitalgesellschaft an. Die Frage, wer den Vorteil aus der Vermögensminderung bei der Kapitalgesellschaft zieht, ist nur von indizieller Bedeutung für die Beurteilung der maßgebenden Veranlassung. Deshalb ist die Unterscheidung zwischen der Zuwendung an den beherrschenden Gesellschafter und der an eine ihm nahestehende Person nicht gerechtfertigt. In beiden Fällen geht die maßgebliche Veranlassung gleichermaßen von dem beherrschenden Gesellschafter aus. Dann aber muß eine im voraus getroffene klare Vereinbarung auch bei Leistungen an eine dem beherrschenden Gesellschafter nahestehende Person verlangt werden.
3. Nach den weiteren tatsächlichen Feststellungen des FG, die auch insoweit den erkennenden Senat binden (§ 118 Abs. 2 FGO), fehlt es im Streitfall an einer im voraus getroffenen klaren Vereinbarung. Der Vermerk vom 2. Dezember 1970 stellt nur eine einseitige Absichtserklärung der R-KG dar, die zusätzlich keine Festlegung der von der R-GmbH zu entrichtenden Miete enthält. Das Fehlen einer entsprechenden Vereinbarung führt im Streitfall zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung. Die Vorentscheidung entspricht dieser Rechtsauffassung, weshalb die Revision unbegründet ist.
Fundstellen
Haufe-Index 416295 |
BFH/NV 1989, 669 |