Leitsatz (amtlich)
Das Aufstellen eines Waren-Standautomaten und das Aufhängen eines Waren-Hängeautomaten an der Wand oder an der Tür des Ladens des Käufers durch den Warenautomaten-Großhändler sind in der Regel keine die Großhandelsvergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG ausschließende Bearbeitungen des Liefergegenstands.
Normenkette
UStG § 3 Abs. 2, § 7 Abs. 3; UStDB § 12 Abs. 1, § 57 Abs. 1 Ziff. 3
Tatbestand
Streitig ist, ob das Aufstellen eines Waren-Standautomaten und das Aufhängen eines Waren-Hängeautomaten an der Wand oder an der Tür des Ladens des Käufers durch den Warenautomaten-Großhändler die Großhandelsvergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG ausschließende Bearbeitungen des Liefergegenstands darstellen.
Die Steuerpflichtige betreibt Großhandel mit Warenautomaten verschiedener Systeme (Schachtautomaten, Gefachautomaten, Trommelautomaten und Kombinationen dieser Automatentypen), die teils Standautomaten, teils Hängeautomaten sind. Die Standautomaten, die mit einem feststehenden oder fahrbaren Sockel ausgestattet sind, haben an der Rückseite zwei Befestigungshaken, die dazu dienen, den Automaten mittels einer Kette oder Eisenstange an der Wand oder Ladentür zu befestigen und ihn so vor dem Umkippen und vor Diebstahl zu schützen. Das Anbringen der Hängeautomaten an der Wand geschieht mit Hilfe eines mitgelieferten Haltekreuzes (Halterahmens). Es werden in die Wand vier bis acht Löcher gebohrt und mit Dübeln versehen. Auf die Dübel wird das Haltekreuz aufgeschraubt. Alsdann wird der Automat bei geöffneter Tür durch die hierfür vorgesehene Öffnung auf die an dem Haltekreuz befindlichen Schraubenbolzen gedrückt und mit (mitgelieferten) Muttern festgeschraubt. Nach Schließung der Automatentür ist der Aufhängevorgang beendet und der Automat verkaufsbereit.
Diese Arbeiten werden zum Teil von sogenannten Kundendienstwerkstätten, die zur Steuerpflichtigen in keinem Abhängigkeitsverhältnis stehen, übernommen, zum Teil aber auch von der Steuerpflichtigen selbst ausgeführt. Die Kosten des Transports und der Befestigung der Automaten (letztere bei größeren Apparaten 30 DM bis 60 DM) werder besonders berechnet und gehen grundsätzlich zu Lasten des Käufers. Nur ausnahmsweise übernimmt sie aus Konkurrenzgründen die Steuerpflichtige. In Streit befangen sind diejenigen Fälle, in denen das Aufstellen bzw. Aufhängen der Automaten von der Steuerpflichtigen selbst oder im Auftrage der Steuerpflichtigen von den Kundendienstwerkstätten vorgenommen wurde.
Im Gegensatz zur Steuerpflichtigen und zum Finanzamt erblickte der Bundesminister der Finanzen in dem dargestellten Vorgang eine umsatzsteuerlich schädliche Bearbeitung des Lieferungsgegenstands im Sinne des § 12 UStDB, der die Steuervergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG ausschließe. Das Anbringen der verkaufsbereit zu liefernden Automaten gehöre zum wesentlichen Inhalt der einheitlich zu beurteilenden Verträge. Es könne daher nicht als bloßer Kundendienst angesehen werden. Durch das Anbringen der Automaten seien Gegenstände anderer Marktgängigkeit geschaffen worden. Der Fall sei mit der Befestigung von Hausbriefkästen vergleichbar, die nach der Verwaltungspraxis ebenfalls der Inanspruchnahme der Großhandelsvergünstigung entgegenstehe. Auf die Höhe der Montagekosten im Verhältnis zum Wert des Liefergegenstands komme es dabei nicht entscheidend an. Das zum betriebsfertig montierten Automaten gehörende sogenannte Automatenkreuz könne nicht mit wenigen Handgriffen an der Wand angebracht und nicht jederzeit leicht wieder gelöst werden.
Das Finanzamt zog die Steuerpflichtige, nachdem es ihr mit Schreiben vom 23. März 1962 den Standpunkt des Bundesministers der Finanzen mitgeteilt hatte, mit den nach diesem Tage ausgeführten streitigen Lieferungen des Jahres 1962 zur Umsatzsteuer zum allgemeinen Steuersatz von 4 v. H. heran.
Mit der hiergegen eingelegten Sprungberufung hatte die Steuerpflichtige Erfolg. Im Gegensatz zum Bundesminister der Finanzen vertritt das Finanzgericht die Ansicht, daß das Anbringen der Automaten nicht zum wesentlichen Vertragsinhalt gehöre. Die Befestigung sei sehr einfach und schnell durchführbar und erfordere keinerlei Spezialkenntnisse. Die Automaten seien von vornherein nicht nur betriebsfertig, sondern auch betriebsfähig. Die Verbindung zwischen dem Automaten und der Wand könne ohne weiteres wieder gelöst und der Liefergegenstand ohne Schwierigkeiten wieder an anderer Stelle befestigt werden. Es handele sich deshalb bei der Befestigung der Automaten um unbedeutende Nebenleistungen, die nicht zum wesentlichen Vertragsinhalt zu rechnen seien. Auch die gesonderte Inrechnungstellung der geringfügigen Befestigungskosten rechfertige eine andere Entscheidung nicht.
Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts die unrichtige Anwendung bestehenden Rechts. Das Finanzgericht stelle, so führt er aus, zu stark den technischen Vorgang des Aufstellens bzw. Aufhängens der Automaten in den Vordergrund seiner Überlegungen. Für die Frage, ob ein neues Verkehrsgut entstehe, komme es jedoch auf die Verkehrsauffassung an, die das Finanzgericht nicht geprüft habe. Der Käufer betrachte das Anbringen des Automaten als einen wesentlichen Teil der erwarteten Leistung, zumal ein nicht aufgestellter bzw. aufgehängter Automat nicht betriebsfähig sei. Das sachgemäße Befestigen des Warenautomaten setze handwerkliche Fähigkeiten voraus, damit die komplizierte Inneneinrichtung des Automaten nicht beschädigt werde. Das Anbringen der Automaten werde daher auch oft zum Gegenstand eines besonderen Vertrages gemacht.
Entscheidungsgründe
Die Rb. hat keinen Erfolg.
Voraussetzung für die Anwendung der Großhandelsvergünstigung des § 7 Abs. 3 UStG ist u. a. , daß der Unternehmer den Gegenstand der Lieferung weder bearbeitet noch verarbeitet hat. Eine Bearbeitung oder Verarbeitung durch den Unternehmer liegt vor, wenn die Wesensart des Gegenstandes geändert wird. Sie wird geändert, wenn durch die Behandlung des Gegenstandes nach der Verkehrsauffassung ein neues Verkehrsgut (ein Gegenstand anderer Marktgängigkeit) entsteht (§ 12 Abs. 1 Sätze 1 und 2 UStDB).
Bei der Prüfung dieser Voraussetzung des § 7 Abs. 3 UStG stellt sich zuerst die Frage, ob der Liefergegenstand in irgendeiner Weise "behandelt" worden ist. Eine noch so notwendige Maßnahme (z. B. die Beförderung vom Großhändler zum Abnehmer), die keinerlei wahrnehmbare Spuren an dem Gegenstand hinterläßt und ihn -- auch bei Anlegung eines strengen Maßstabes -- in seinem Wesen nicht verändert, ist keine "Behandlung" im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 2 UStDB. Es tritt eine "Behandlung" nicht des Automaten, sondern der Wand ein, wenn in diese Haken geschlagen oder Löcher gebohrt und Dübel eingesetzt werden, um bei einem Standautomaten die Verbindungskette oder -stange und bei einem Hängeautomaten das Haltekreuz daran zu befestigen. Die Maßnahmen am Automaten selbst -- das Anlegen der Verbindungskette oder -stange bzw. das Verschrauben des Haltekreuzes mit den Dübeln und das Aufschrauben des Automaten auf das Haltekreuz -- sind geringfügige Maßnahmen, die die Wesensart des Automaten nicht ändern. Diese Maßnahmen sind Nebenleistungen zur Hauptleistung, nämlich der Lieferung eines betriebsfertigen Warenautomaten. Erst Maßnahmen, die stärker auf den Liefergegenstand einwirken und sich nicht mehr als bloße Nebenleistungen darstellen, sind geeignet, die Wesensart des Liefergegenstandes zu ändern.
Die vom Senat bisher entschiedenen Fälle des Aufstellens von Liefergegenständen, in denen eine steuerlich schädliche Bearbeitung angenommen wurde, sind mit dem Streitfalle nicht vergleichbar. So wurden in dem Falle des Urteils des Bundesfinanzhofs V 150/56 U vom 17. Oktober 1957 (BStBl 1957 III S. 437, Slg. Bd. 65 S. 532) ortsfeste Melkanlagen mit Rohrleitungen geliefert. Die Montage der Anlagen und das Verlegen der Rohrleitungen waren umfangreiche und schwierige Arbeiten, die zwei Tage in Anspruch nahmen. Die zu liefernde Melkanlage mußte den örtlichen Verhältnissen angepaßt werden. In dem Falle des Urteils des Bundesfinanzhofs V 187/59 vom 18. April 1962 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1962 S. 318 Nr. 305) hatte der Steuerpflichtige an Ärzte, Krankenhäuser und Sanatorien komplette Röntgenanlagen und medizinische Badeeinrichtungen geliefert und nach eigenen Leitungsplänen und Zeichnungen zusammengesetzt und aufgestellt, was zum Teil 100 und mehr Montagestunden erforderte. In beiden Fällen handelte es sich um Zusammensetzungs-, Aufstellungs- und Montagearbeiten größeren Umfanges, die nur mit Hilfe handwerklich oder technisch vorgebildeter Fachkräfte ausgeführt werden konnten.
Demgegenüber waren die Arbeiten im Streitfalle ganz einfacher Art. Ein Finanzgericht hat sich in einem ähnlich gelagerten Falle das Anbringen eines Gefach-Automaten mit zwei Reihen zu zehn Fächern ohne Sockel an einer Wand vorführen lassen. Die Arbeit wurde von den Verkaufsfahrern des Großhändlers (Kraftfahrer und Beifahrer), die die Automaten zu den Abnehmern bringen, vorgenommen. Sie dauerte nach den Feststellungen des Finanzgerichts vom Aufreißen der Verpackung bis zum Zuschließen des an der Wand hängenden Automaten keine vier Minuten. Es mag sein, daß bei größeren Automaten der Zeitverlust größer ist. Aber auch in diesen Fällen ist das Anbringen der Automaten -- von Ausnahmefällen (z. B. besonders ungünstige Wandverhältnisse) abgesehen -- eine leichte Arbeit, die handwerkliche Spezialkenntnisse oder -fähigkeiten nicht voraussetzt.
In den Fällen der Urteile des Bundesfinanzhofs V 150/56 U und V 187/59 waren die Bearbeitungsmaßnahmen sehr erheblicher Art. Das Anbringen von Maschinen, Geräten und dergleichen kann schon bei wesentlich einfacher liegenden Sachverhalten eine umsatzsteuerlich schädliche Bearbeitung darstellen. Wenn aber -- wie im Streitfalle -- das Anbringen des Liefergegenstands auf dem Boden, an der Wand oder an der Decke eines Gebäudes oder Raumes (ohne Bildung einer Sacheinheit oder Sachgesamtheit) den Liefergegenstand selbst in keiner Weise verändert, das Anbringen mit einfachen Mitteln erfolgt, die eine handwerkliche oder technische Schulung nicht voraussetzen, und dadurch der Liefergegenstand einerseits und der Boden bzw. die Wand oder Decke andererseits weder in tatsächlicher noch in wirtschaftlicher Hinsicht zu einer einheitlichen Sache werden, liegt -- wenn nicht besondere Umstände eine andere Beurteilung erfordern -- eine "Bearbeitung" des Liefergegenstands im Sinne des § 12 Abs. 1 UStDB nicht vor.
Zu demselben Ergebnis gelangt man, wenn man nicht die Bearbeitung als solche, sondern den Bearbeitungserfolg ins Auge faßt und prüft, ob eine Werklieferung im Sinne des § 3 Abs. 2 UStG vorliegt. Diese Vorschrift setzt voraus, daß der Unternehmer die Bearbeitung oder Verarbeitung (meistens sogar Herstellung) eines Gegenstandes aus selbstbeschafftem Hauptstoff übernimmt, mithin ein "Werk" "liefert", das vorher nicht vorhanden war. Der vom Unternehmer gelieferte Gegenstand ist im Falle des § 3 Abs. 2 UStG ein anderer als der von ihm erworbene. Die Lieferung schließt die Leistung als wesentlichen Bestandteil des Lieferungsgeschäfts mit ein. Die Leistung ist keine bloße Nebenleistung, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilt.
Im Streitfalle scheidet die Annahme einer Werklieferung aus. Der Warenautomat ist nach der Verkehrsauffassung dasselbe Verkehrsgut, gleichgültig, ob er sich noch auf dem Lager des Großhändlers befindet oder bereits in den Geschäftsraum des Abnehmers befördert ist oder schon an seinem endgültigen Platz steht bzw. hängt. Der vom Großhändler an den Abnehmer gelieferte und an der Wand befestigte Automat ist derselbe Gegenstand wie der vom Unternehmer erworbene. Die Befestigung an der Wand hat ihn nach der Verkehrsauffassung in seinem Wesen nicht verändert.
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts war daher mit der Kostenfolge aus §§ 307, 309 AO als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl III 1965, 469 |
BFHE 1965, 618 |