Leitsatz (amtlich)
Die Darlehensforderung eines Steuerberaters gegen seinen Mandanten ist notwendiges Betriebsvermögen, wenn das Darlehen gewährt wurde, um eine Honorarforderung zu retten.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Steuerberater - während der Streitjahre Steuerbevollmächtigter - und ermittelt seinen Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit durch Betriebsvermögensvergleich.
Als er erstmals zum 31. Dezember 1966 eine Darlehensforderung von 184 790,14 DM bilanzierte und darauf für 1966 eine Teilwertabschreibung von 80 000 DM vornahm, führte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) eine Betriebsprüfung durch, bei der folgendes festgestellt wurde: Schuldner der Darlehensforderung war der Kaufmann P, der als Mandant dem Kläger bis einschließlich 1965 26 461,55 DM Honorare schuldete und in Zahlungsschwierigkeiten geraten war. Der Kläger trat für P als Bürge auf und lieh ihm seit November 1964 fortlaufend Geld, das er sich zum Teil selbst im Kreditwege - 1965 95 000 DM - beschaffen mußte. Die Darlehensforderung hatte der Kläger in seiner Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1966 als sonstiges Vermögen mit null DM bewertet. Dann brachte er sie zum Nennwert in sein Betriebsvermögen ein mit der Begründung, das Darlehen sei zur Rettung seiner Honorarforderung gegen P gegeben worden. Außer P gewährte der Kläger in den Streitjahren weiteren 12 Personen oder Firmen Darlehen, teils aus eigenen Mitteln und teils aus Fremdmitteln. Die Darlehensnehmer waren mit einer Ausnahme auch Mandanten des Klägers. In den Steuererklärungen gab der Kläger die Zinsen aus den Darlehensgeschäften als Einnahmen aus Kapitalvermögen oder aus sonstigen Einkünften an; die von ihm selbst an eine Sparkasse gezahlten Zinsen erklärte er als Sonderausgaben mit Ausnahme der Schuldzinsen bei der Darlehensgewährung an P, die er als Betriebsausgaben behandelte.
Nach diesen Feststellungen kam der Prüfer zur Auffassung, das Darlehen an P sei nicht durch die freiberufliche Tätigkeit veranlaßt, deshalb sei eine Teilwertabschreibung nicht zulässig. Alle Vergütungen für die Darlehensgewährungen gehörten zu den Einkünften aus Kapitalvermögen, die vom Kläger gezahlten Schuldzinsen seien Werbungskosten. Demgegenüber machte der Kläger geltend, seine Darlehensgeschäfte stellten eine gewerbliche Tätigkeit dar; aus den nachträglich erstellten Bilanzen sowie Gewinn- und Verlustrechnungen ergäben sich auf Forderungsabschreibungen und Zinsbelastungen beruhende Verluste von ./. 12 436,72 DM für 1964, ./. 47 685,96 DM für 1965 und ./. 57 451,96 DM für 1966. Das FA folgte der Auffassung des Prüfers und erließ entsprechende berichtigte Steuerbescheide für 1964 und 1965 sowie einen erstmaligen Bescheid für 1966.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte im wesentlichen aus:
Die vom Kläger geltend gemachten Verluste seien keine Verluste aus freiberuflicher Tätigkeit oder aus Gewerbebetrieb, bei den Einkünften aus Kapitalvermögen seien sie insoweit anzusetzen, als sie nicht auf Forderungsausfällen beruhten.
Bei den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit seien Darlehen an Mandanten zu berücksichtigen, wenn sie bestimmt und geeignet seien, der freiberuflichen Tätigkeit zu dienen und diese zu fördern. Umstände dafür seien nur hinsichtlich des Darlehens P vorgetragen. Über eine betriebliche Veranlassung dieses Darlehens brauche jedoch nicht entschieden zu werden, weil das zunächst als privat behandelte Darlehen bei seiner Einbringung in das Betriebsvermögen bereits wertlos gewesen sei, wie sich dem Ausweis in der Vermögensaufstellung auf den 1. Januar 1966 mit null DM ergebe.
Die Verluste gehörten nicht zu Einkünften aus Gewerbebetrieb, weil die für die Annahme eines Gewerbebetriebs erforderlichen Merkmale der Gewinnerzielungsabsicht und der Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr nicht erfüllt seien.
Gegen eine Gewinnabsicht des Klägers sprächen die geringen Zinserträge. Bei einem durchschnittlichen Forderungsbestand von 145 000 DM in 1964 und von 250 000 DM in 1965 und 1966 habe der Kläger 1964 11 498 DM, 1965 7 994 DM und 1966 3 720 DM an Zinsen erzielt; das entspreche einem ungefähren Zinssatz von 8 v. H. in 1964, 3,2 v. H. in 1965 und 1,5 v. H. in 1966. In den folgenden Jahren habe sich der Zinssatz auf weniger als 0,5 v. H. verringert und sei erst wieder 1969 auf rd. 2 v. H. gestiegen. Bei diesen Zinssätzen habe der Kläger nicht mit Gewinnen rechnen können, zumal er selbst für die Fremdfinanzierung Zinsen habe aufbringen müssen. Bei der Darlehensgewährung an Personen, die in wirtschaftlichen Schwierigkeiten waren und von Banken keine Kredite erhielten, sowie bei geringen Sicherheitsanforderungen habe der Kläger ständig mit Forderungsverlusten rechnen müssen, welche die Zinserträge bei weitem überstiegen. Gegen Gewinnabsicht spreche auch, daß der Kläger bei seinen Wechsel- und Scheckgeschäften lediglich auf Kostendeckung bedacht gewesen sei und nicht nur in den Streitjahren, sondern auch in den folgenden drei Jahren nur Verluste aus seinen Finanzierungsgeschäften erlitten habe.
Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr sei zu verneinen, weil der Kläger sich bei seinen Finanzierungsgeschäften mit einer Ausnahme - Scheckgeschäft über 1 100 DM - auf seinen Mandantenkreis beschränkt habe.
Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung formellen und materiellen Rechts; dazu wird vorgebracht:
Das FG habe die Frage einer betrieblichen Veranlassung des Darlehens P bei der freiberuflichen Tätigkeit entscheiden müssen, weil ein aus betrieblichen Gründen gewährtes Darlehen notwendiges Betriebsvermögen sei und eine Bilanzberichtigung erfordere. Die für eine Teilwertabschreibung vor dem 1. Januar 1966 notwendigen Feststellungen seien unterblieben.
Die Vorentscheidung habe zu Unrecht die für die Annahme eines Gewerbebetriebs notwendige Gewinnerzielungsabsicht und eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr verneint. Der Kläger habe mit seinen Finanzierungsgeschäften zumindest mittelbar einen wirtschaftlichen Vorteil erstrebt, indem er durch diese Geschäfte eine engere Bindung der Mandanten an die Steuerbevollmächtigtenpraxis habe erreichen wollen. Durch diese Geschäfte habe er sich auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligt.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Einkommensteuer für 1964 auf 7 274 DM, für 1965 auf null DM und für 1966 auf 9 318 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Streitsache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Die Vorentscheidung ist rechtsirrtümlich zu dem Ergebnis gelangt, die Verluste aus der Darlehensgewährung an P gehörten nicht zu den Einkünften des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Sie durfte nicht unentschieden lassen, ob der Kläger das Darlehen aus betrieblichen Gründen gegeben hat und, wenn dies der Fall war, ob das Darlehen in den Streitjahren vor dem 1. Januar 1966 ganz oder teilweise wertlos geworden ist.
Da der Kläger seinen Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit als Steuerbevollmächtigter nach § 4 Abs. 1 EStG durch Betriebsvermögensvergleich ermittelt, kommt eine Berücksichtigung von Verlusten aus der Darlehensgewährung in Betracht, wenn die Forderung zum notwendigen Betriebsvermögen seiner Berufsausübung gehörte und in diesem Bereich ganz oder teilweise wertlos geworden ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) gehört eine Darlehensforderung - gleich aus welchen Mitteln das Darlehen gegeben wurde - dann zum notwendigen Betriebsvermögen, wenn die Gewährung des Darlehens auf einem Vorgang beruht, der in den betrieblichen Bereich fällt (vgl. Urteil vom 26. Februar 1975 I R 50/73, BFHE 115, 432, BStBl II 1975, 573, mit weiteren Nachweisen). Ob die Darlehenshingabe buchmäßig erfaßt wurde oder nicht, ist unerheblich; Gegenstände des notwendigen Betriebsvermögens sind als Betriebsvermögen zu behandeln, auch wenn sie fälschlicherweise nicht als solches ausgewiesen wurden (vgl. BFH-Urteil vom 12. Juni 1974 I R 212/73, BFHE 113, 279, BStBl II 1974, 734). Diese Grundsätze gelten gleichermaßen für die Gewinnermittlung im gewerblichen wie im freiberuflichen Bereich (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 1976 IV R 185/71, BFHE 118, 353, BStBl II 1976, 380). Deshalb kann auch die Darlehensforderung eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe an seinen Mandanten zum notwendigen Betriebsvermögen dieses Freiberuflers gehören. Maßnahmen zur Realisierung von Forderungen, die aus Geschäftsbeziehungen entstanden sind, gehören bei der freiberuflichen Tätigkeit ebenso zum betrieblichen Bereich wie bei einer gewerblichen Tätigkeit.
2. Die Vorentscheidung, die von einer anderen Überlegung ausgegangen ist und darauf beruht, war aufzuheben. Bei der erneuten Prüfung und Entscheidung der Frage nach einer betrieblichen Veranlassung der Darlehensgewährung an P kann auch von Bedeutung sein, ob die Darlehensgewährung objektiv geeignet war, den Betrieb oder die berufliche Tätigkeit zu fördern. Das ist in der Regel zu verneinen, wenn die Darlehensgewährung unter Umständen erfolgt, die erkennen lassen, daß mit Verlusten zu rechnen ist.
Nach der Zurückverweisung der Streitsache hat der Kläger Gelegenheit, sein tatsächliches Vorbringen aus der Revision zu wiederholen, soweit es darum geht, ob die übrige Darlehensgewährung gewerbliche Tätigkeit oder Vermögensverwaltung darstellt.
Fundstellen
Haufe-Index 73575 |
BStBl II 1980, 571 |
BFHE 1980, 454 |
NJW 1980, 2272 |