Leitsatz (amtlich)
Die erhöhten Absetzungen eines vorangegangenen Jahres können auch dann nach § 7b Abs. 4 EStG 1971 im vollen Umfang nachgeholt werden, wenn die Voraussetzungen der erhöhten Absetzungen nicht während des ganzen Jahres der Nachholung bestanden haben.
Normenkette
EStG 1971 § 7b Abs. 4
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) hatte im Jahre 1970 ein Zweifamilienhaus errichtet, das er am 1. Dezember 1970 bezog. Für dieses Jahr nahm er erhöhte Absetzungen nach § 7b des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht in Anspruch, jedoch für das Jahr 1971. Für das Jahr 1972 machte er die degressive Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 5 EStG geltend, außerdem die für das Jahr 1970 nach § 7b Abs. 4 EStG 1971 nachholbaren erhöhten Absetzungen. Da der Kläger jedoch im Jahre 1972 eine dritte Wohnung ausgebaut hatte, die am 1. April 1972 bezugsfertig wurde, verweigerte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Nachholung der erhöhten Absetzungen, gewährte sie aber für die Zeit vom 1. Januar bis zum 31. März 1972 für dieses Jahr und außerdem die degressive AfA nach § 7 Abs. 5 EStG für den Rest des Jahres. In der Einspruchsentscheidung verweigerte das FA die erhöhten Absetzungen nach § 7b EStG unter Hinweis auf Abschn. 53 Abs. 4 der Einkommensteuer-Richtlinien 1972 (EStR) ganz und berücksichtigte nur noch die lineare AfA nach § 7 Abs. 4 EStG.
Der hiergegen eingelegten Klage gab das Finanzgericht (FG) statt, soweit der Kläger die Anrechnung der nachzuholenden erhöhten Absetzungen begehrte, und gab hierzu folgende Begründung: Bei der Nachholung der erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 4 EStG 1971 müßten die Voraussetzungen nur in dem Jahre vorliegen, für das die erhöhten Absetzungen nachgeholt werden. Das Jahr, in dem die Vergünstigung nachgeholt werde, müsse zwar innerhalb der zeitlichen Grenzen des § 7b Abs. 4 EStG 1971 liegen. Das Gebäude selbst aber müsse nicht während des ganzen Jahres die Eigenschaft des nach § 7b Abs. 1 EStG 1971 begünstigten Objekts besitzen. Es reiche aus, wenn dies für einen kurzen Zeitraum der Fall gewesen sei. Dies entspreche auch der sozial- und wohnungsbaupolitischen Zielsetzung des § 7b EStG. Es sei eine ähnliche Entscheidung zu treffen wie bei der Veräußerung, bei der dem Bauherrn die Vergünstigung für das ganze Jahr eingeräumt werde, auch wenn die Veräußerung im Laufe des Jahres stattfand.
Hiergegen richtet sich die vom FG zugelassene Revision des FA mit folgendem Vortrag: Dem Wortlaut des § 7b Abs. 4 EStG 1971 müsse entnommen werden, daß auch im Jahr der Nachholung alle Voraussetzungen für die Vergünstigung vorliegen müssen. Auch Sinn und Zweck sprächen hierfür. Der Gesetzgeber habe den Bauherrn nur solange begünstigen wollen, wie das errichtete Objekt die Voraussetzungen des § 7b EStG erfüllt. Der Vergleich mit dem Fall der Veräußerung gehe fehl. Auch dem bisherigen Eigentümer stehe die Vergünstigung nur zu, wenn die Voraussetzungen im Jahr zeitanteilig überwiegend vorgelegen hätten (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. Juli 1971 IV 253/65, BFHE 102, 519, BStBl II 1971, 707).
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Der Anspruch des Klägers auf die erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 4 EStG 1971 ist berechtigt.
Entsprechend dem Wortlaut des § 7b Abs. 4 EStG 1971 ist das FG zutreffend davon ausgegangen, daß die Nachholung der erhöhten Absetzungen nach § 7b Abs. 4 EStG 1971 nur möglich ist, wenn die Voraussetzungen für die erhöhten Absetzungen im Jahr der Nachholung erfüllt sind. Dem Wortlaut ist nicht zu entnehmen, wie lange die Voraussetzungen für die erhöhten Absetzungen im Jahr der Nachholung vorliegen müssen. Das FA beruft sich zu Unrecht auf das BFH-Urteil in BFHE 102, 519, BStBl II 1971, 707. Denn in diesem Urteil hat der BFH darüber entschieden, ob ein Anspruch auf die erhöhten Absetzungen für das ganze Jahr entsteht, wenn die Voraussetzungen nur für einen Teil des Jahres vorliegen, während im vorliegenden Fall darüber zu entscheiden ist, ob der entstandene Anspruch auf erhöhte Absetzungen nachgeholt werden kann, wenn die Voraussetzungen im Jahr der Nachholung zeitlich nur eingeschränkt vorliegen. Auch aus der Rechtsprechung, daß der Bauherr die erhöhten Absetzungen für das ganze Jahr in Anspruch nehmen kann, wenn er das Objekt im Laufe des Jahres veräußert, läßt sich für die hier zu entscheidende Frage nichts entnehmen. Denn es ist fiskalisch grundsätzlich bedeutungslos, ob die erhöhten Absetzungen dem Bauherrn oder dem Erwerber zukommen, vorausgesetzt, daß sich beide einig sind.
Die Entscheidung muß sich nach dem Sinn und Zweck der Regelung des § 7b Abs. 4 EStG 1971 richten. Sinn und Zweck der Regelung bestehen darin, dem Bauherrn die steuerlich vorteilhafteste Verteilung der erhöhten Absetzungen zu ermöglichen. Zwangsläufig gehört dazu, daß im Jahre der Entstehung des Anspruchs auf die erhöhten Absetzungen alle erforderlichen Voraussetzungen gegeben sein müssen. Dagegen ist es weder zwangsläufig noch auch denknotwendig, daß die Voraussetzungen auch während des ganzen Jahres der Nachholung vorliegen müssen.
Fundstellen
Haufe-Index 73632 |
BStBl II 1980, 688 |
BFHE 1981, 202 |