Leitsatz (amtlich)
Eine Todesfall-Versicherungssumme, die aufgrund einer vom Arbeitgeber nach dem Pauschalsystem für Betriebsfahrzeuge abgeschlossenen Autoinsassen-Unfallversicherung den Hinterbliebenen eines auf einer Geschäftsreise tödlich verunglückten Arbeitnehmers wegen des eingetretenen Personenschadens zufließt, gehört zu den nichtsteuerbaren Einnahmen.
Normenkette
EStG 1969 § 19 Abs. 1, § 24 Nr. 1 Buchst. a
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Ehemann der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), Gesellschafter und Alleingeschäftsführer der R-GmbH, verunglückte im Streitjahr 1969 auf einer Geschäftsreise in dem firmeneigenen PKW zusammen mit zwei weiteren Beschäftigten der GmbH tödlich. Die GmbH hatte für den PKW zusammen mit der Haftpflicht- und Vollkaskoversicherung eine Autoinsassen-Unfallversicherung nach dem Pauschalsystem abgeschlossen. Danach war jeder berechtigte Insasse des Kraftwagens pauschal mit dem der Anzahl der Insassen entsprechenden Teilbetrag der Versicherungssumme von 20 000 DM versichert. Bei zwei oder mehr Insassen erhöhte sich die Versicherungssumme um 50 % auf 30 000 DM. Aus dieser Autoinsassen-Unfallversicherung erhielt die Klägerin - wie die Erben der anderen verunglückten Insassen auch - die anteilige Todesfall-Versicherungssumme von 10 000 DM. Die laufenden Prämien für die Autoinsassen-Unfallversicherung hatte die GmbH als Betriebsausgaben abgesetzt, jedoch nicht als steuerpflichtigen Arbeitslohn angesehen.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung behandelte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -FA-) die Todesfall-Versicherungssumme als Entschädigung für entgangene Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit i. S. von § 24 Nr. 1 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1969.
Der Einspruch hiergegen hatte keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1979, 274 veröffentlichten Urteil statt. Es führte zur Begründung aus: Bei der Versicherungssumme handle es sich weder um steuerpflichtigen Arbeitslohn noch um eine Entschädigung i. S. von § 24 Nr. 1 a i. V. m. § 19 Abs. 1 EStG. Zwischen Versicherungssumme und Dienstverhältnis bestände kein ausreichender konkreter Zusammenhang.
Das FA rügt mit der wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision einen Verstoß der Vorentscheidung gegen § 24 Nr. 1 a i. V. m. § 2 Abs. 3 Nr. 4 EStG. Es trägt vor, die hier streitigen Versicherungsleistungen seien Ausfluß des Dienstverhältnisses und daher steuerpflichtiger Arbeitslohn. Verunglücke ein Arbeitnehmer auf einer Dienstfahrt tödlich und zahle der Arbeitgeber selbst einen bestimmten Betrag an die Hinterbliebenen des Verunglückten, beständen keine Zweifel, daß es sich bei der Zahlung des Arbeitgebers um steuerpflichtigen Arbeitslohn handle. Schließe der Arbeitgeber statt dessen eine Autoinsassen-Unfallversicherung ab, aus der im Falle des Todes des Arbeitnehmers an dessen Hinterbliebene eine Kapitalabfindung geleistet werde, dürfe der zufließende Betrag nicht anders behandelt werden.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Todesfall-Versicherungssummen aus einer vom Arbeitgeber für Betriebsfahrzeuge abgeschlossenen Autoinsassen-Unfallversicherung, die den Hinterbliebenen von tödlich verunglückten Arbeitnehmern wegen des eingetretenen Personenschadens zufließen, sind nichtsteuerbare Einnahmen.
1 a) Nach § 19 Abs. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit neben den Gehältern und Löhnen u. a. auch "andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im ... privaten Dienst gewährt werden". Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Arbeitslohn alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis oder einem früheren Dienstverhältnis zufließen und als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit anzusehen sind (zuletzt Urteil vom 17. Juli 1981 VI R 205/78, BFHE 133, 553, BStBl II 1981, 773). Dabei kommt es weniger auf den rechtlichen als auf den tatsächlichen Zusammenhang der Einnahmen mit dem Dienstverhältnis an.
b) Einen tatsächlichen Zusammenhang zwischen dem Dienstverhältnis und den Leistungen aus einer betrieblichen Autoinsassen-Unfallversicherung hat der VI. Senat des BFH in dem Urteil vom 13. April 1976 VI R 216/72 (BFHE 119, 247, 250, BStBl II 1976, 694) im Grundsatz bejaht. In jener Entscheidung nahm der VI. Senat allgemein zur Rechtsnatur von betrieblichen Autoinsassen-Unfallversicherungen Stellung. Auf diese Ausführungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen. Zur Besteuerung von Tagegeldern aus einer betrieblichen Autoinsassen-Unfallversicherung erkannte der VI. Senat in jener Entscheidung, daß die Tagegelder kein steuerfreier zweckgebundener Schadenersatz für Gesundheitsschädigungen seien, sondern vor allem dazu dienten, Einnahmeausfälle der verletzten Arbeitnehmer auszugleichen. Insbesondere aus der zuletzt angeführten Erwägung sah der VI. Senat in den Tagegeldern steuerpflichtigen Arbeitslohn i. S. von § 19 Abs. 1 EStG und begründete diese Rechtsauffassung damit, daß die steuerfrei ersetzbaren Leistungen aus der betrieblichen Autoinsassen-Unfallversicherung, wie z. B. das Schmerzensgeld und die von dritter Seite ersetzten Arzt- und Heilmittelkosten, bereits vom FA der Einkommensteuer nicht unterworfen worden seien. Der VI. Senat ließ in jener Entscheidung offen, ob das FA die Invaliditätsentschädigung zu Recht steuerfrei belassen habe.
c) Im Streitfall liegt, ebenso wie bei dem Sachverhalt, der der Entscheidung des VI. Senats in BFHE 119, 247, BStBl II 1976, 694 zugrunde liegt, ein tatsächlicher Zusammenhang zwischen dem Dienst- und dem Versicherungsverhältnis vor. Er ist darin begründet, daß die GmbH den Versicherungsvertrag in erster Linie für ihre Arbeitnehmer abgeschlossen hat, die auf Dienstreisen einem erhöhtem Risiko ausgesetzt sind. Gleichwohl sieht der erkennende Senat - in Übereinstimmung mit beiden Verfahrensbeteiligten - die Todesfall-Versicherungssumme nicht als Ertrag der nichtselbständigen Arbeit und damit nicht als steuerpflichtigen Arbeitslohn i. S. von § 19 Abs. 1 EStG an. Grund für die ähnlich den Leistungen aus Lebensversicherungsverträgen gewährte Todesfall-Versicherungssumme ist in erster Linie der eingetretene Personenschaden.
Bei der Leistung der Todesfall-Versicherungssumme aus einer betrieblichen Autoinsassen-Unfallversicherung fehlt es an einem hinreichenden tatsächlichen Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis des verunglückten Arbeitnehmers. Die Versicherungsleistung dient nicht - jedenfalls nicht in erster Linie oder auch nur überwiegend - dem Zweck, Einnahmeausfälle der tödlich verunglückten Arbeitnehmer zu ersetzen. Die Todesfall-Versicherungssumme soll vielmehr alle Unbilden materieller und immaterieller Art ausgleichen, die durch den Unfalltod eines Menschen seinen Angehörigen oder Dritten erwachsen. Demgegenüber tritt ein etwa vorhandener objektiver Bezug der Todesfall-Versicherungssumme zum Arbeitsverhältnis in den Hintergrund. Die Kapitalzahlung erfolgt,weil der Versicherungsfall eingetreten ist. Die Todesfall-Versicherungssumme ist nicht Entgelt für eine vom Arbeitnehmer geleistete Tätigkeit. Auch in ihrer von vornherein - unabhängig vom Ausmaß der Schäden - mit einem bestimmten Betrag festgelegten Höhe steht die Todesfall-Versicherungssumme nicht in einer ausreichenden Beziehung zu den geleisteten Diensten oder zu der Höhe etwa entgangener oder entgehender Einnahmen des tödlich verunglückten Arbeitnehmers. Dies gilt - jedenfalls im Streitfall - für den gesamten Betrag der Todesfall-Versicherungssumme. Der Senat sieht keine Möglichkeit, einen Teil dieser Versicherungsleistung als steuerpflichtigen Arbeitslohn zu behandeln. Es ist nicht erkennbar,nach welchem Maßstab die Todesfall-Versicherungssumme in eine steuerfreie Leistung zum Ausgleich für den Eintritt des Personenschadens und in steuerpflichtigen Arbeitslohn aufgeteilt werden könnte.
2. Bei der Todesfall-Versicherungssumme handelt es sich auch nicht um eine Entschädigung i. S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG. Entschädigungen in diesem Sinn liegen vor, wenn Leistungen unmittelbar dazu dienen, den Verlust von entgangenen oder entgehenden Einnahmen auszugleichen, die, ihren Zufluß unterstellt, unter eine der in § 2 Abs. 3 Nrn. 1-7 EStG genannten Einkunftsarten gefallen wären. Es trifft zwar zu, daß einem auf einer Dienstreise tödlich verunglückten Arbeitnehmer infolge dieses Ereignisses regelmäßig künftige Einnahmen i. S. von § 19 EStG entgehen werden. Die Todesfall-Versicherungssumme aus einer Autoinsassen-Unfallversicherung dient jedoch, wie oben dargelegt, nicht in erster Linie oder auch nur überwiegend dem Zweck, die Erben der verunglückten Arbeitnehmer wegen der durch den Todesfall verursachten Einnahmeausfälle zu entschädigen. Sie soll vielmehr alle denkbaren Belastungen - und zwar unabhängig von der Höhe des jeweils eingetretenen Schadens - mildern, die der Tod des Verunglückten zur Folge hat. Die Todesfall-Versicherungssumme hat mithin nicht die Funktion von Lohnersatz. Dies zeigt sich auch darin, daß die Todesfall-Versicherungssumme in Höhe eines im voraus vertraglich vereinbarten festen Betrages und ohne Rücksicht darauf geleistet wird, ob die Erben oder sonstigen Bezugsberechtigten wegen des durch den Tod eingetretenen Einnahmeverlustes anderweitig entschädigt werden.
Fundstellen
Haufe-Index 74294 |
BStBl II 1982, 496 |
BFHE 1982, 512 |
NJW 1982, 2576 |