Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückverkaufsrecht und Überschußerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung - Bindung des BFH an die Beurteilung der Überschußerzielungsabsicht des FG
Leitsatz (amtlich)
Läßt sich der Eigentümer einer Eigentumswohnung beim Erwerb einer zweiten Wohnung vom Verkäufer beider Wohnungen ein Rückverkaufsrecht hinsichtlich der ersten Wohnung einräumen, dann schließt dies die Absicht, aus beiden Wohnungen langfristig einen Überschuß zu erzielen, nicht aus, wenn feststeht, daß der Erwerber von dem Recht nur Gebrauch machen will, falls äußere Umstände ihn dazu zwingen.
Orientierungssatz
1. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt, wer ein Grundstück gegen Entgelt zur Nutzung überläßt und beabsichtigt, auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung des Grundstücks einen Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Dieser Entschluß muß endgültig gefaßt sein. Die Absicht, einen Überschuß zu erzielen, fehlt dann, wenn der Steuerpflichtige sich noch nicht entschieden hat, ob er das Grundstück langfristig vermieten oder kurzfristig verkaufen will (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Es spricht als Indiz gegen die Überschußerzielungsabsicht aus einer Vermietung, wenn beim Erwerb des Objekts ein Rückkaufsrecht oder eine Rückkaufgarantie vereinbart werden und für einen Zeitraum gelten, in dem planmäßig nur Werbungskostenüberschüsse erwirtschaftet werden und der vereinbarte Preis in etwa den Gesamtkosten entspricht oder sie sogar übersteigt. Weitere Voraussetzung der Indizwirkung ist, daß das Recht auf Wunsch des Steuerpflichtigen eingeräumt wurde oder sonst erkennbar ist, daß die Einräumung dieses Rechts für die Erwerbsentscheidung bedeutsam war. Generell liegt die Feststellungslast für das Vorhandensein der Überschußerzielungsabsicht beim Steuerpflichtigen.
3. Der BFH als Revisionsgericht kann die Beurteilung der Überschußerzielungsabsicht aus einem vermieteten Objekt durch das FG nur darauf überprüfen, ob sie gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen; die Schlußfolgerungen des FG sind rechtmäßig, wenn sie zwar nicht zwingend, aber möglich sind (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 2 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 Nr. 2, § 21 Abs. 1; FGO § 118 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Im Dezember 1983 traten sie vorbehaltlos einer Bauherrengemeinschaft bei, die in X Eigentumswohnungen errichtete. Das Objekt wurde Ende 1984 bezugsfertig.
Anläßlich einer Betriebsprüfung wurde bekannt, daß der Geschäftsführer der Treuhänderin und eine weitere Person den Klägern am 17. Dezember 1984 ein notariell beurkundetes und bis zum 31. Dezember 1989 befristetes Kaufangebot gemacht haben. Darin verpflichteten sie sich je zur Hälfte, die den Klägern gehörende Eigentumswohnung nach Ablauf der fünfjährigen Mietzeit zu den beurkundeten Einstandskosten zu kaufen, falls die Kläger dies wünschten. Das Kaufangebot wurde anläßlich des Beitritts der Kläger zu einer weiteren Bauherrengemeinschaft gemacht.
Die Betriebsprüfung und ihr folgend der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) gingen davon aus, daß die Kläger vom Zeitpunkt des Kaufangebots an nicht mehr die Absicht hatten, aus der Eigentumswohnung langfristig Überschüsse zu erzielen. Das FA ließ daher die erklärten Werbungskostenüberschüsse aus der 1983 erworbenen Eigentumswohnung in Höhe von 23 439,28 DM (1987) und 23 329,42 DM (1988) außer Ansatz.
Nach erfolglosen Einsprüchen erhoben die Kläger Klage, der das Finanzgericht (FG) stattgab (vgl. Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1996, 590).
Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 2 Abs. 1 und 21 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Aufgrund des Rückkaufangebots vom 17. Dezember 1984 habe das FA davon ausgehen dürfen, daß die zunächst gegebene Einkunftserzielungsabsicht nachträglich entfallen sei. Die Kläger hätten zunächst die Umsatzentwicklung abwarten und sich die Möglichkeit offenhalten wollen, die Eigentumswohnung kurzfristig zu verkaufen. Solange sich der Erwerber jedoch nicht entschieden habe, die Eigentumswohnung langfristig zu vermieten, fehle ihm die Einkunftserzielungsabsicht. Das FG habe nicht hinreichend gewürdigt, daß die Kläger die Rückkaufverpflichtung von den Initiatoren der Bauherrengemeinschaft verlangt haben. Ohne Rückkaufverpflichtung wäre der Beitritt der Kläger zu einer weiteren Bauherrengemeinschaft nicht erfolgt.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zu Recht die streitigen Werbungskostenüberschüsse der Jahre 1987 und 1988 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG) berücksichtigt.
Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt, wer ein Grundstück gegen Entgelt zur Nutzung überläßt und beabsichtigt, auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung des Grundstücks einen Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, 435, BStBl II 1984, 751). Dieser Entschluß muß endgültig gefaßt sein (BFH-Urteil vom 9. Februar 1993 IX R 42/90, BFHE 171, 45, BStBl II 1993, 658, m.w.N.). Die Absicht, einen Überschuß zu erzielen, fehlt dann, wenn der Steuerpflichtige sich noch nicht entschieden hat, ob er das Grundstück langfristig vermieten oder kurzfristig verkaufen will (BFH in BFHE 171, 45, BStBl II 1993, 658; und Urteil vom 15. September 1992 IX R 15/91, BFH/NV 1994, 301). Als Indiz dafür hat der erkennende Senat die beim Erwerb getroffene Vereinbarung eines Rückkaufsrechts oder einer Rückkaufgarantie angesehen, wenn sie für den Zeitraum gelten, in dem planmäßig nur Werbungskostenüberschüsse erwirtschaftet werden und der vereinbarte Preis in etwa den Gesamtkosten entspricht oder sie sogar übersteigt (BFH-Urteil vom 14. September 1994 IX R 71/93, BFHE 175, 416, 419, BStBl II 1995, 116; Beschluß vom 14. September 1994 IX B 97/93, BFHE 175, 541). Weitere Voraussetzung der Indizwirkung ist, daß das Recht auf Wunsch des Steuerpflichtigen eingeräumt wurde oder sonst erkennbar ist, daß die Einräumung dieses Rechts für die Erwerbsentscheidung bedeutsam war (BFH in BFHE 175, 541, 544, und Urteil in BFHE 175, 416, 419, BStBl II 1995, 116). Generell liegt die Feststellungslast für das Vorhandensein der Überschußerzielungsabsicht beim Steuerpflichtigen (BFH-Urteile in BFH/NV 1994, 301, und in BFHE 175, 416, BStBl II 1995, 116, zu 2.).
Die Feststellung, ob der Steuerpflichtige die Absicht hatte, langfristig Einkünfte aus dem Objekt zu erzielen, hat das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Das Revisionsgericht kann die Feststellungen des FG nur darauf überprüfen, ob sie gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstoßen; die Schlußfolgerungen des FG sind rechtmäßig, wenn sie zwar nicht zwingend, aber möglich sind (vgl. BFH-Urteile vom 14. Februar 1995 IX R 95/93, BFHE 177, 95, BStBl II 1995, 462, und in BFH/NV 1994, 301).
Es bestehen zunächst keine Bedenken gegen die Annahme des FG, daß die Kläger zumindest beim Erwerb der Eigentumswohnung 1983 bis zum Zeitpunkt des Kaufangebots im Dezember 1984 die Absicht hatten, die Wohnung längerfristig zu vermieten und einen Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten daraus zu erzielen. Darüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.
Das FG konnte auch für die Streitjahre von der Absicht der Kläger ausgehen, beide Wohnungen langfristig zu vermieten. Die Absicht, einen Überschuß der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen, kann zwar, auch wenn sie zunächst vorhanden war, später wegfallen. Wird dem Steuerpflichtigen nach Erwerb die Möglichkeit eingeräumt, sich ohne Schwierigkeiten und ohne größere Verluste innerhalb eines Zeitraums, in dem planmäßig nur Werbungskostenüberschüsse erzielt werden, wieder von der Immobilie zu trennen, spricht dies für den Wegfall seiner ursprünglichen Absicht. Es ist dann seine Sache darzulegen und ggf. zu beweisen, daß er entgegen diesem Indiz das Objekt langfristig vermieten und positive Einkünfte erzielen wollte (BFH-Urteil in BFHE 177, 95, 98, BStBl II 1995, 462). Das FG hat aufgrund seiner Feststellungen diesen Nachweis als erbracht angesehen. Gegen diese Würdigung bestehen keine revisionsrechtlichen Bedenken.
Das Rückkaufangebot war zwar entscheidend für den Entschluß der Kläger, eine zweite Wohnung zu erwerben (vgl. zu dieser Voraussetzung BFH-Beschluß in BFHE 175, 541, 544, und BFH-Urteil in BFHE 175, 416, BStBl II 1995, 116). Das konnte bedeuten, daß die Kläger nunmehr zwar die zweite Wohnung, nicht aber länger die erste Wohnung langfristig nutzen wollten. Das FG hat aber ohne Rechtsfehler bei seinen Schlußfolgerungen nicht allein auf die äußere Tatsache der Einräumung des Rückübertragungsrechts abgestellt, sondern auf die erkennbaren Gründe seiner Vereinbarung. Es hat festgestellt, daß die Kläger von dem Angebot nur Gebrauch gemacht hätten, wenn sie die mit den zwei Eigentumswohnungen verbundene finanzielle Belastung nicht mehr tragen konnten, weil äußere Umstände sich änderten. Die Kläger mußten nämlich in den kommenden Jahren aus ganz konkreten Gründen mit einer Minderung des Gewinns aus ihrem Geschäft, wenn nicht gar mit einem Umsatzeinbruch rechnen.
Dieser Vorbehalt ist wesentlich verschieden von dem, den der BFH in den zitierten Entscheidungen (vgl. BFHE 175, 416, BStBl II 1995, 116; BFHE 175, 541; BFHE 177, 95, BStBl II 1995, 462) beschreibt. Dort ist der Vorbehalt in der Vorstellung des Steuerpflichtigen begründet, der --unabhängig von äußeren Umständen-- beim Erwerb der Wohnung entweder bereits entschlossen ist, sie nach kurzer Frist wieder zu veräußern oder sich die Entscheidung darüber offenhalten will. Im Streitfall geht es dagegen um einen Rückkauf als Folge veränderter äußerer Umstände und Bedingungen, durch die der Steuerpflichtige gezwungen wird, sich von der zuvor erworbenen Wohnung zu trennen. Mangels jeglicher Anhaltspunkte für eine Änderung der ursprünglichen Absicht, die Wohnung langfristig zu vermieten, konnte das FG ohne Rechtsverstoß davon ausgehen, daß diese Absicht mit der Vereinbarung des Rückkaufsrechts nicht aufgegeben worden ist.
Das FG durfte dabei im Rahmen seiner Gesamtwürdigung auch in Erwägung ziehen, daß die Kläger die Wohnung 12 Jahre nach ihrem Erwerb noch nicht veräußert hatten (vgl. BFH-Beschluß in BFHE 141, 405, 436, BStBl II 1984, 751); als entscheidend hat das FG diesen Umstand nicht angesehen (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 175, 416, BStBl II 1995, 116; BFHE 177, 95, BStBl II 1995, 462; Beschluß in BFHE 175, 541). Es widerspricht schließlich auch nicht den Denkgesetzen, wenn das FG die Tatsache, daß die Kläger das Darlehen, das sie zur Finanzierung der Wohnung aufgenommen hatten, Anfang 1989 zu mehr als der Hälfte vorzeitig tilgten, als Indiz dafür wertete, die Wohnung nicht nur kurzfristig zu behalten.
Fundstellen
Haufe-Index 66332 |
BFH/NV 1997, 347 |
BStBl II 1997, 650 |
BFHE 183, 142 |
BFHE 1998, 142 |
BB 1997, 1462 (Leitsatz) |
DB 1997, 1495-1496 (Leitsatz und Gründe) |
DStR 1997, 1160-1161 (Leitsatz und Gründe) |
DStRE 1997, 635 (Leitsatz) |
DStZ 1997, 862 (Leitsatz) |
HFR 1997, 668-669 (Leitsatz) |
StE 1997, 426 (Kurzwiedergabe) |