Leitsatz (amtlich)
1. Ein Steuerpflichtiger kann, wenn er zunächst Einspruch eingelegt hat, innerhalb des Laufes der Rechtsmittelfrist beantragen, sein Rechtsmittel als Berufung zu behandeln. Die Zustimmung des Vorstehers des Finanzamts (Hauptzollamts) dazu muß innerhalb eines Monats, vom Tage der Einlegung des Einspruchs an gerechnet, erklärt werden.
2. Branntweinaufschlagberechnungen müssen eine Rechtsmittelbelehrung enthalten. Fehlt sie, so wird eine Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt.
Normenkette
AO §§ 211, 246 Abs. 3, § 261; BO § 222
Tatbestand
Die Beschwerdeführerin (Bfin.) hat mit Schriftsatz vom 13. Mai 1955, eingegangen beim Hauptzollamt am 18. Mai 1955, gegen 13 in der Zeit vom 19. November 1954 bis 11. Februar 1955 ihr erteilte Branntweinaufschlagberechnungen des Zollamts Einspruch eingelegt. Mit Schriftsatz vom 14. Juni 1955, der am gleichen Tage beim Hauptzollamt eingegangen ist, erklärte sie den Übergang zur Sprungberufung. Mit Schreiben vom 13. Juli 1955 erteilte der Vorsteher des Hauptzollamts die erbetene Einwilligung gemäß § 261 der Reichsabgabenordnung (AO). Die Vorinstanz hat die Sprungberufung für unzulässig erklärt, weil der Übergang zur Sprungberufung verspätet erklärt worden sei.
Mit der Rechtsbeschwerde macht die Bfin. geltend, daß die Vorinstanz die Zulässigkeit der Sprungberufung zu Unrecht verneint habe, weil für keinen der im Einspruch vom 13. Mai 1955 aufgeführten Steuerbescheide mangels der erforderlichen Rechtsmittelbelehrungen die Rechtsmittelfrist zu laufen begonnen habe. Bei der Branntweinaufschlagberechnung handle es sich um einen förmlichen Steuerbescheid im Sinne des § 211 AO. Die Branntweinaufschlagberechnungen seien gemäß § 222 der Brennereiordnung schriftlich zu erteilen. Im übrigen sei der Übergang zur Sprungberufung rechtzeitig erklärt worden, weil es für den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels nicht auf den Tag der Absendung, sondern des Eingangs bei der Behörde ankomme. Innerhalb der etwaigen, mit der Einlegung des Rechtsmittels beginnenden einmonatigen Rechtsmittelfrist habe die Bfin. den Übergang zur Sprungberufung erklärt und innerhalb der einmonatigen Frist des § 261 AO habe der Vorsteher des Hauptzollamts seine Zustimmung zur Behandlung des Rechtsmittels als Sprungberufung erteilt.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
§ 261 AO regelt lediglich den Fall, in dem gegen Bescheide, gegen die der Einspruch gegeben ist, statt des Einspruchs Berufung eingelegt wird. Er läßt die Berufung zu, wenn der Vorsteher des Finanzamts (Hauptzollamts) seine Einwilligung hierzu bis zum Ablauf eines Monats, von der Einlegung des Rechtsmittels an gerechnet, erklärt. Der Senat trägt keine Bedenken, auch den Übergang von dem zunächst eingelegten Einspruch zur Berufung grundsätzlich dann für zulässig zu halten, wenn die Erklärung des Übergangs noch innerhalb der laufenden Rechtsmittelfrist abgegeben wird (vgl. auch Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 1873/32 vom 7. Dezember 1932, Slg. Bd. 32 S. 137 f.).
Wenn aber § 261 AO fordert, daß bei sofort eingelegter Berufung statt des Einspruchs die Zustimmung des Vorstehers des Finanzamts (Hauptzollamts) bis zum Ablauf eines Monats, gerechnet von der Einlegung des Rechtsmittels an, erklärt sein muß, so muß auch für den Fall des Übergangs von dem Einspruch zur Berufung gefordert werden, daß die Zustimmungserklärung des Vorstehers des Finanzamts (Hauptzollamts) innerhalb eines Monats, von der Einlegung des Rechtsmittels an gerechnet, vorliegen muß. Denn es ist nicht einzusehen, daß der Steuerpflichtige, der zunächst Einspruch einlegt, dann aber zur Berufung übergeht, günstiger gestellt wird als derjenige, der von Anfang an statt des Einspruchs die Berufung wählt. Die Einlegung des Rechtsmittels ist in der Einlegung des zunächst eingelegten Einspruchs zu erblicken. Im Streitfalle wurde der Einspruch durch Schreiben vom 13. Mai 1955, eingegangen beim Hauptzollamt am 18. Mai 1955, eingelegt. Es braucht im Streitfalle nicht untersucht zu werden, ob der mit Schreiben vom 14. Juni 1955 -- eingegangen beim Hauptzollamt am gleichen Tage -- erklärte Übergang zur Sprungberufung noch während des Laufes der Rechtsmittelfrist geschah; jedenfalls ist die erbetene Zustimmung des Vorstehers des Finanzamts (Hauptzollamts) zu diesem Übergang erst am 13. Juli 1955 ausgesprochen worden, also wesentlich später als einen Monat nach Einlegung des Rechtsmittels, nämlich des Einspruchs am 18. Mai 1955. Da hiernach die Zustimmung des Vorstehers des Finanzamts (Hauptzollamts) nicht rechtzeitig erteilt worden ist, ist eine Sprungberufung nicht wirksam eingelegt worden. Es liegt demnach ein wirksamer Einspruch vor.
Die Vorentscheidung hat deshalb im Ergebnis zutreffend die Sache an das Hauptzollamt verwiesen, damit dieses nunmehr über den Einspruch entscheidet.
Den Gründen der Vorentscheidung ist zu entnehmen, daß die Vorinstanz Zweifel daran hat, ob das Rechtsmittel rechtzeitig eingelegt worden ist. Der Senat ist der Meinung, daß die Rechtsmittelfrist gewahrt ist. Unstreitig enthielten die angefochtenen Branntweinaufschlagberechnungen keine Rechtsmittelbelehrung. Nach § 222 der Brennereiordnung ist die Branntweinaufschlagberechnung schriftlich auszufertigen. Da der Branntweinaufschlag nach dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Branntweinmonopol vom 21. Oktober 1948 (Gesetzund Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1948 S. 103) eine Verbrauchsteuer im Sinne der AO ist, stellt sich die Branntweinaufschlagberechnung nunmehr als ein schriftlich zu erteilender Steuerbescheid dar, der nach § 211 AO eine Rechtsmittelbelehrung enthalten soll. Fehlt eine solche vorgeschriebene Rechtsmittelbelehrung, so wird nach § 246 Abs. 3 AO eine Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt. Das Rechtsmittel gegen die Branntweinaufschlagberechnungen war deshalb nicht verspätet.
Fundstellen
BStBl III 1958, 321 |
BFHE 1959, 131 |