Leitsatz (amtlich)
Erwirbt eine KG von einem Gesellschafter oder einer einem Gesellschafter nahestehenden Person entgeltlich eine Darlehnsforderung, so wird diese, obwohl sie zivilrechtlich Gesamthandsvermögen der KG wird, einkommensteuerrechtlich nicht Betriebsvermögen der KG, wenn ein betrieblicher Anlaß für den Erwerb der Forderung fehlt, d. h. wenn es nach Lage des Falles als ausgeschlossen angesehen werden kann, daß die KG die Forderung auch von einem Fremden erworben hätte.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 1, § 15 Nr. 2
Tatbestand
Streitig ist im Verfahren der einheitlichen Gewinnfeststellung 1968, ob Darlehnsforderungen, die eine KG von Familienangehörigen eines ihrer Gesellschafter entgeltlich erworben hat, Betriebsvermögen der KG geworden sind und deshalb ihr Ausfall den Gewinn der KG mindert.
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, erstellt Elektroanlagen. Gesellschafter der Klägerin waren bei der Gründung (1. Januar 1966)
a) die EM GmbH als Komplementärin mit einer Gesellschaftereinlage von 20 000 DM,
b) Frau L als Kommanditistin mit einer Gesellschaftereinlage von 30 000 DM und
c) Frau AS als Kommanditistin mit einer Gesellschaftereinlage von 15 000 DM.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1968 trat Frau TS als weitere Kommanditisin mit einer Einlage von 15 000 DM ein.
Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin sah vor, daß je 1 000 DM "eines Geschäftsanteils" eine Stimme gewähren und daß Beschlüsse der Gesellschafterversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit zustande kommen (§ 11). Der nach Abzug von Vorabvergütungen verbleibende Gewinn oder ein Verlust sollten in der Weise verteilt werden, daß auf die GmbH 5 v. H. und auf die Kommanditistin die ihren Geschäftsanteilen entsprechenden Beträge entfallen (§ 9). Demgemäß betrug die Beteiligung am sog. Restgewinn
a) für die GmbH in den Jahren 1966 bis 1968 je 5 v. H.,
b) für Frau L in den Jahren 1966 und 1967 je 63,334 v. H. und in 1968 47,5 v. H.,
c) für Frau AS in den Jahren 1966 und 1967 je 31,66 v. H. und in 1968 23,75 v. H. und
d) für Frau TS in 1968 23,75 v. H.
Gesellschafter der EM GmbH, der Komplementärin der Klägerin, waren die Ehemänner der Kommanditisten der Klägerin, nämlich HL mit einem Anteil von 50 v. H., PS mit einem Anteil von 25 v. H. und JS mit einem Anteil von ebenfalls 25 v. H.
HL war außerdem Gesellschafter der EL GmbH. Diese Gesellschaft war 1965 mit einem Stammkapital von 20 000 DM gegründet worden, wovon HL 16 000 DM Stammeinlage und ein weiterer Gesellschafter 4 000 DM Stammeinlage übernahmen. Gegenstand des Unternehmens war lt. Gesellschaftsvertrag die Herstellung und der Verkauf von Beleuchtungskörpern.
Durch Gesellschafterbeschluß vom 1. Dezember 1968 wurde die EL GmbH aufgelöst und nach Ende der Liquidation im Handelsregister gelöscht.
Die EL GmbH wies in den Jahren 1965 bis 1968 in ihren Bilanzen nur Verluste aus, und zwar 1965 in Höhe von 33 185 DM, 1966 in Höhe von 34 528 DM, 1967 in Höhe von 25 926 DM, 1968 in Höhe von 32 383 DM.
HL und dessen Schwiegermutter, Frau E, gewährten der EL GmbH in den Jahren 1965 bis 1967 unverzinsliche Darlehen, die in der Bilanz der EL GmbH zum 31. Dezember 1966 mit 91 100 DM und zum 31. Dezember 1967 mit 107 700 DM ausgewiesen waren.
Am 11. März 1967 beschloß die Gesellschafterversammlung der Klägerin auf Antrag der Gesellschafterin L, daß die Darlehen, die HL und Frau E "der EL GmbH zur Verfügung gestellt haben und noch zur Verfügung stellen werden, von der KG übernommen werden" und daß die Klägerin ausdrücklich auf eine Regreßmöglichkeit bei HL und Frau E verzichtet, wenn das Darlehen nicht zurückgezahlt wird.
Die Klägerin wies bereits in der Bilanz zum 31. Dezember 1966 die übernommenen Darlehen mit einem Betrag von 91 100 DM als Aktivposten aus. Gleichzeitig passivierte die Klägerin einen entsprechenden Betrag unter der Position "Darlehen L", den sie in der Bilanz zum 31. Dezember 1966 mit insgesamt 116 699,90 DM auswies. In der Bilanz zum 31. Dezember 1967 erhöhte die Klägerin den Aktivposten Darlehen um 5 000 DM, ohne den Passivposten "Darlehen L" zu verändern.
In der Bilanz der Klägerin zum 31. Dezember 1968 waren die Darlehnsforderungen gegen die EL GmbH nicht mehr enthalten. In ihrer Gewinn- und Verlustrechnung behandelte die Klägerin die übernommenen Darlehnsforderungen mit einem Betrag von 107 600 DM als außerordentlichen Aufwand, weil die EL GmbH in Liquidation geraten und mit einem Eingang der Forderung nicht mehr zu rechnen sei.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) vertrat im Anschluß an eine Betriebsprüfung die Auffassung, daßdie übernommenen Darlehen weder notwendiges noch gewillkürtes Betriebsvermögen der Klägerin seien. Die Übernahme der Darlehen habe lediglich dem Zweck gedient, die das Privatvermögen betreffenden Verluste in den betrieblichen Bereich zu verlagern. Der Gewinn sei daher um 107 600 DM zu erhöhen. Auf dieser Grundlage erließ das FA am 27. Juli 1970 einen einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid für 1968.
Einspruch und Klage, mit denen sich die Klägerin gegen die Nichtanerkennung der Abschreibung auf die Darlehen als betrieblicher Aufwand wandte, waren erfolglos. Das FG war der Auffassung, die Darlehnsforderungen hätten nicht Betriebsvermögen der KG werden können, weil ein fremder Betrieb die Darlehen nicht übernommen hätte, wie sich insbesondere aus den bisherigen Betriebsergebnissen der EL GmbH ergebe. Daß an der Klägerin nicht nur die Gruppe L, sondern auch die Gruppe S beteiligt gewesen sei, könne an dieser Würdigung nichts ändern, weil die Gruppe L in der Gesellschafterversammlung die Mehrheit besessen habe.
Mit der Revision beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Ankauf der Darlehnsforderungen und deren Bilanzierung in der von der Klägerin vorgenommenen Weise steuerlich anzuerkennen. Die Klägerin rügt einen Verfahrensmangel, einen Verstoß gegen den Akteninhalt und unrichtige Anwendung materiellen Rechts; sie macht insbesondere geltend, der Ankauf der Darlehnsforderung sei durch betriebliche, nicht steuerliche Gründe veranlaßt worden und stelle keinen Gestaltungsmißbrauch dar.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Der Vorentscheidung ist darin beizupflichten, daß die Darlehensforderungen zwar zivilrechtlich Gesamthandsvermögen der Klägerin, gleichwohl aber einkommensteuerrechtlich nicht Betriebsvermögen geworden sind; der Forderungsverlust kann deshalb den Gewinn der Klägerin nicht mindern.
1. Gewinn ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres, vermehrt um die Entnahmen und vermindert um die Einlagen (§ 4 Abs. 1 EStG). Dabei haben buchführende Gewerbetreibende das Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (§ 5 Abs. 1 EStG).
Der BFH hat zwar wiederholt ausgesprochen, daß bei einer gewerblich tätigen und bilanzierenden Personengesellschaft ein Wirtschaftsgut, das zivilrechtlich Gesamthandsvermögen der Personengesellschaft ist, und deshalb gemäß § 38 HGB in ihrer Handelsbilanz aufzunehmen ist, wegen der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§ 5 Abs. 1 EStG) grundsätzlich auch einkommensteuerrechtlich Betriebsvermögen der Personengesellschaft ist (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 8. Oktober 1965 VI 185/64 U, BFHE 83, 574, BStBl III 1965, 708; vom 13. Oktober 1972 I R 213/69, BFHE 107, 418, BStBl II 1973, 209; vom 6. Juni 1973 I R 194/71, BFHE 109, 519, BStBl II 1973, 705).
Von diesem Grundsatz gibt es jedoch eine Ausnahme, die ihre rechtliche Grundlage in den spezifisch einkommensteuerrechtlichen Begriffen des Betriebsvermögens (§ 4 Abs. 1 EstG) und der Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) hat. Erwirbt eine Personengesellschaft für ihr Gesamthandsvermögen ein Wirtschaftsgut, ohne daß hierfür ein im Betrieb der Personengesellschaft wurzelnder Anlaß besteht, so sind die Aufwendungen der Personengesellschaft für das Wirtschaftsgut keine Betriebsausgaben, weil sie nicht durch den Betrieb veranlaßt sind. Demgemäß wird das Wirtschaftsgut nicht Betriebsvermögen der Personengesellschaft. Ein betrieblicher Anlaß für den Erwerb eines Wirtschaftsgutes fehlt z. B., wenn beim Erwerb des Wirtschaftsgutes bereits erkennbar ist, daß der Erwerb dem Betrieb der Personengesellschaft keinen Nutzen, sondern nur Verluste bringen kann (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1967 IV 32/63, BFHE 88, 323, BStBl III 1967, 391) oder wenn der Veräußerer des Wirtschaftsgutes Gesellschafter der Personengesellschaft ist oder einem dieser Gesellschafter nahesteht und es nach Lage des Falles als ausgeschlossen angesehen werden muß, daß die Personengesellschaft das Wirtschaftsgut auch von einem Fremden erworben hätte, oder anders formuliert, daß auch eine Personengesellschaft, von deren Gesellschaftern keiner dem Veräußerer des Wirtschaftsgutes nahesteht, dieses Wirtschaftsgut in gleicher Weise erworben hätte.
Der BFH hat bereits mehrfach entschieden, daß ein Einzelkaufmann Wirtschaftsgüter, die er bisher als Privatvermögen führte, nicht in das Betriebsvermögen aufnehmen darf, wenn damit lediglich der Zweck verfolgt wird, sich bereits abzeichnende Verluste aus dem Privatvermögen in den betrieblichen Bereich zu verlagern (vgl. zuletzt BFH-Urteil vom 17. Januar 1973 I R 65/71, BFHE 108, 335, BStBl II 1973, 303). Diese Erkenntnis muß in sinngemäßer Fortbildung der oben dargestellten Rechtsgrundsätze für die Beurteilung des Erwerbs eines Wirtschaftsgutes durch eine Personengesellschaft von einem Gesellschafter oder einer einem Gesellschafter nahestehenden Person gelten, gleichgültig, ob der Erwerb in die Rechtsform einer offenen oder verdeckten Sacheinlage oder eines Kaufvertrags gekleidet ist.
2. Es ist eine Frage der tatsächlichen Feststellungen, ob es beim Erwerb eines Wirtschaftsgutes durch eine Personengesellschaft von einer einem Gesellschafter nahestehenden Person im Einzelfalle als ausgeschlossen angesehen werden muß, daß die Personengesellschaft das Wirtschaftsgut auch von einem Fremden erworben hätte bzw. daß auch eine Personengesellschaft, von deren Gesellschaftern keiner dem Veräußerer des Wirtschaftsgutes nahesteht, dieses Wirtschaftsgut in gleicher Weise erworben hätte.
Das FG ist im Rahmen der freien Beweiswürdigung (§ 96 FGO) zu der Überzeugung gekommen, daß "ein fremder Betrieb die Darlehen nicht übernommen hätte". Darin ist die tatsächliche Feststellung enthalten, daß die Klägerin die Darlehensforderungen von einem Fremden nicht erworben hätte bzw. daß eine Personengesellschaft, deren Gesellschafter sämtliche den Veräußerern der Darlehensforderung nicht nahegestanden hätten, die Darlehensforderung nicht käuflich erworben hätte.
Diese Feststellung ist für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 FGO). Das FG stützt seine Überzeugung in erster Linie auf die schlechte wirtschaftliche Situation der EL GmbH im Zeitpunkt der Forderungsabtretung; dabei sieht das FG in der von der Klägerin behaupteten Absicht, geschäftliche Beziehungen zur EL GmbH herzustellen, keinen hinreichenden Grund für einen betrieblichen Anlaß zum Erwerb der Forderungen. Diese Beweiswürdigung ist möglich. Sie verstößt weder gegen die Denkgesetze noch gegen die allgemeine Lebenserfahrung und ist auch frei von Rechtsirrtümern.
Die Darlehensforderungen waren ungesichert und unverzinslich. Nach der Bilanz der EL GmbH zum 31. Dezember 1966 standen den Darlehensforderungen - abgesehen vom Umlaufvermögen, das in etwa durch gleichhohe Rückstellungen, Wertberichtigungen und passive Rechnungsabgrenzungsposten ausgeglichen war - lediglich Maschinen, ein Kraftfahrzeug (Kfz)-Anhänger und ein Betriebsgebäude im Bilanzwert von rd. 41 000 DM gegenüber. Die Rentabilität der EL GmbH war schlecht: In den ersten beiden Jahren ihres Bestehens hatte sie erhebliche Verluste (insgesamt rd. 67 000 DM) erlitten. Bei dieser Situation war nicht nur keine Verzinsung des darlehensweise investierten Kapitals zu erwarten, sondern auch mit dessen Verlust zu rechnen. Es ist nicht ersichtlich, das einen Fremden unter diesen Umständen dazu hätte bestimmen können, die Darlehensforderungen käuflich zu erwerben. Zutreffend hat das FG insbesondere ausgeführt, daß die behauptete Absicht der Aufnahme von Geschäftsbeziehungen den käuflichen Erwerb der Darlehensforderungen aus betrieblicher Sicht nicht plausibel erscheinen läßt. Wenn die Revision hiergegen einwendet, das FG habe außer Betracht gelassen, daß die unzureichende Rentabilität der EL GmbH lediglich ein Problem der Geschäftsleitung gewesen sei und daß bei einer neuen Geschäftsleitung eine Aufwärtsentwicklung zu erwarten gewesen wäre, so kann dieser Einwand keinen Erfolg haben, da er nicht schlüssig ist. Ein Fremder hätte erst die Lösung des Geschäftsführungsproblems abgewartet, bevor er sich zum Erwerb der Darlehensforderungen als Mittel der Anbahnung späterer Geschäftsbeziehungen entschlossen hätte. Auch der Hinweis der Revision darauf, daß die Gruppe S dem Erwerb der Darlehensforderungen zugestimmt habe, und daß die Mitglieder der Gruppe S mit Herrn L und Frau E weder verwandt noch verschwägert sind, kann die Beweiswürdigung des FG nicht in Frage stellen. Diese Umstände bilden kein zwingendes Indiz dafür, daß der Erwerb der Darlehensforderungen für die Klägerin betrieblich veranlaßt war, denn es ist weder substantiiert dargetan noch sonst ersichtlich, daß die Gruppe S nicht in irgendeiner Form einen Ausgleich für ihr Entgegenkommen gegenüber der Gruppe L in der Frage des käuflichen Darlehenserwerbs gefunden hat. Die Annahme eines derartigen Ausgleichs drängt sich geradezu auf, wenn man berücksichtigt, daß die Gruppe L noch im Jahre 1967 der Aufnahme eines weiteren Mitglieds der Gruppe S als Gesellschafterin der Klägerin zugestimmt hat und damit neben einem Verlust der Stimmenmehrheit bei der Klägerin auch eine Verminderung der Gewinnbeteiligung der Kommanditistin L von 63,334 v. H. auf 47,5 v. H. hingenommen hat. Mit einem Finanzierungsbedarf der Klägerin und einem Mangel an Finanzierungsmitteln bei der Gruppe L läßt sich die gefundene Lösung angesichts der Beträge, die HL der EL GmbH zur Verfügung gestellt hat, nicht erklären.
Auf die Höhe des Teilwerts der Forderungen im Zeitpunkt ihres Erwerbs kommt es daher nicht an.
Fundstellen
BStBl II 1975, 804 |
BFHE 1976, 328 |