Leitsatz (amtlich)
Auch bei Unternehmen, die (nach der Wasserkraftwerk-Verordnung) steuerbegünstigte und nichtsteuerbegünstigte Anlagen betreiben, sind der einheitliche GewSt-Meßbetrag und damit auch die Fehlbeträge nach § 10 a GewStG für den Gewerbebetrieb insgesamt, ohne Trennung in steuerbegünstigte und nichtsteuerbegünstigte Anlagen, zu ermitteln.
Normenkette
GewStG § 6 ff., § 10a; Wasserkraftwerk-Verordnung § 6
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine AG, betreibt Wasserkraftwerke. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung berichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) die Gewerbesteuermeßbescheide 1954 und 1955. Dabei legte es folgende Gewerbeerträge zugrunde, die zum Teil aus steuerbegünstigten Anlagen im Sinne der Verordnung über die steuerliche Begünstigung von Wasserkraftwerken vom 26. Oktober 1944, RGBl I, 278, RStBl I 1944, 657 (WasserkraftwerkVO) stammen:
aus steuerbegünstigten aus nicht steuerbegünstigten Gesamtbetrag durch
Anlagen i. S. der Anlagen i. S. der Saldierung oder
Wasserkraftwerk-VO Wasserkraftwerk-VO Zusammenrechnung
DM DM DM
Gewerbeertrag
1953 1 704 633 ./. 2 048 359 ./. 343 726
Gewerbeertrag
1954 3 248 797 1 066 575 -
./. Gewerbeverlust
1953 - ./. 343 726 -
Gewerbeertrag
1954 3 248 797 722 849 3 971 646
nach Abzug
des Gewerbeverlustes
1953
Gewerbeertrag
1955 3 700 721 591 300 4 292 021
Die Klägerin begehrt dagegen, den negativen Anteil am Gewerbeertrag 1953 in Höhe von 2 048 359 DM aus den nichtbegünstigten Anlagen ausschließlich mit den aus nichtbegünstigten Anlagen entfallenden Teilen der Gewerbeerträge 1954 und 1955 zu verrechnen.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.
Das FG hat ausgeführt, auch im Fall einer Begünstigung nach § 6 Abs. 1 WasserkraftwerkVO sei der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag ausschließlich nach den Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes zu ermitteln. Wenn sich dabei ein einheitlicher Gewerbesteuermeßbetrag über 0 DM ergebe, sei darauf die steuerliche Begünstigung nach § 6 Abs. 1 WasserkraftwerkVO anzuwenden, soweit der Steuermeßbetrag auf begünstigte Anlagen entfalle. Die gedankliche Trennung des gesamten Gewerbebetriebs in einen begünstigten und in einen nichtbegünstigten Teil diene nur der Ermittlung des auf die begünstigten Anlagen entfallenden Anteils am Gewinn aus Gewerbebetrieb sowie am Gewerbeertrag und Gewerbekapital.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin, mit der unrichtige Anwendung der §§ 1, 2, 3, 4 Abs. 2, 6 Abs. 1 WasserkraftwerkVO sowie des Erlasses des Reichsministers der Finanzen vom 26. Oktober 1944 (RStBl 1944, 658) und des § 10 a GewStG gerügt wird.
Die Klägerin meint, das Urteil des FG führe für sie zu steuerlichen Belastungen, die mit der Zielsetzung der WasserkraftwerkVO nicht vereinbar seien. Das Urteil des FG beruhe auf der rechtsirrigen Annahme, daß die WasserkraftwerkVO für die von ihr gewährten steuerlichen Begünstigungen keine Gewinnermittlungsvorschriften, sondern lediglich Tarifvorschriften enthalte. Die unterschiedliche Behandlung von Unternehmen, die ausschließlich steuerbegünstigte Anlagen unterhielten, und solchen mit begünstigten und nichtbegünstigten Anlagen würde der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und damit einem verfassungsrechtlichen Grundsatz widersprechen.
Der Verlustvortrag und Verlustausgleich, der jedem Gewerbetreibenden mit ordnungsmäßiger Buchführung im Bereich der Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbeertragsteuer zustehe, müsse nach dem Zweck und der Aufgabe der WasserkraftwerkVO innerhalb einer gesonderten Buchführung und Gewinnermittlung für die begünstigten und nichtbegünstigten Anlagen ebenfalls getrennt erfolgen. Andernfalls könne die steuerliche Gleichbehandlung mit den Unternehmen, die ausschließlich steuerbegünstigte Anlagen unterhielten, nicht erreicht werden.
Nach diesen Grundsätzen ergäben sich folgende begünstigte und nichtbegünstigte Gewerbeerträge 1953, 1954 und 1955:
G e w e r b e e r t r a g
begünstigt nicht
begünstigt
DM DM
1953 1 704 633 ./. 2 048 359
1954 3 248 797 1 066 575
./. vortragsfähiger
Gewerbeverlust
aus 1953 - 2 048 359
Gewerbeertrag 1954 3 248 797 ./. 981 784
1955 3 700 721 591 300
./. vortragsfähiger
Gewerbeverlust aus 1953 - 981 784
Gewerbeertrag 1955 3 700 721 ./. 390 484
Daraus seien die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge wie folgt zu errechnen:
Für 1 9 5 4
Gewerbesteuermeßbetrag nach dem
Gewerbeertrag aus begünstigten
Anlagen
1/2 aus 5 % aus 3 248 797 DM 81 220 DM
Meßbetrag nach dem Gewerbekapital
wie bisher 166 809 DM
Berichtigter einheitlicher
Gewerbesteuermeßbetrag 1954 248 029 DM
Für 1 9 5 5
Gewerbesteuermeßbetrag nach dem
Gewerbeertrag aus begünstigten
Anlagen
1/2 aus 5 % aus 3 700 721 DM 92 518 DM
Meßbetrag nach dem Gewerbekapital
wie bisher 187 102 DM
Berichtigter einheitlicher
Gewerbesteuermeßbetrag 1955 279 620 DM
Die Klägerin beantragt:
1. Den vorläufigen Gewerbesteuermeßbescheid 1954 vom 27. September 1956 und die vorläufigen (berichtigten) Gewerbesteuermeßbescheide 1954 und 1955 vom 29. Mai 1957 und 29. Juli 1964 und die berichtigten Gewerbesteuermeßbescheide 1954 und 1955 vom 19. Januar 1968 sowie die Einspruchsentscheidungen des FA und das Urteil des FG aufzuheben.
2. Den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag für den Erhebungszeitraum 1954 auf 248 029 DM und den einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag für den Erhebungszeitraum 1955 auf 279 620 DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Fehlbeträge nach § 10 a GewStG sind für begünstigte und nichtbegünstigte Anlagen einheitlich zu ermitteln.
Den Feststellungen des FG ist zu entnehmen, daß zum Betriebsvermögen der Klägerin auch Anlagen zur Erzeugung elektrischer Arbeit durch Wasserkräfte (Wasserkraftwerke) gehören, für die die Voraussetzungen der steuerlichen Begünstigung nach den Vorschriften der WasserkraftwerkVO erfüllt sind (§§ 1 bis 3 WasserkraftwerkVO). Die Einkommensteuer oder die Körperschaftsteuer, die auf den Gewinn aus den steuerbegünstigten Anlagen entfällt, die Vermögensteuer, die auf die steuerbegünstigten Anlagen entfällt, sowie die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge, die auf die steuerbegünstigten Anlagen entfallen, ermäßigen sich ab dem Betriebsbeginn für die Dauer von 20 Jahren auf die Hälfte der gesetzlichen Beträge (§§ 4 bis 6 WasserkraftwerkVO).
Der III. Senat des BFH hat die steuerliche Begünstigung für die Vermögensteuer so verstanden, daß nicht erst die Vermögensteuer, soweit sie auf die steuerbegünstigten Anlagen entfällt, auf die Hälfte zu ermäßigen sei, sondern daß bereits die begünstigten Anlagen sowie die mit ihnen zusammenhängenden Schulden nur mit 50 v. H. ihres Wertes bei der Ermittlung des Einheitswertes des Betriebsvermögens anzusetzen sind (BFH-Urteil vom 14. November 1969 III R 10-11/68, BFHE 98, 444, BStBl II 1970, 397). Auch wenn man den Rechtsgedanken dieser Entscheidung, die allerdings auch mit den besonderen Vorschriften des Bewertungsgesetzes begründet ist (§ 59 Nr. 1, § 62 Abs. 1 BewG a. F.), auf die Gewerbesteuer überträgt, führt er nicht dazu, daß bereits bei der Ermittlung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags die Besteuerungsgrundlagen, d. h. Gewerbeertrag und Gewerbekapital (§ 6 GewStG), soweit sie auf steuerbegünstigte Anlagen entfallen, nur zur Hälfte anzusetzen sind.
Vielmehr ist zunächst nach den Vorschriften des Gewerbesteuergesetzes und ohne Rücksicht auf die besonderen Vorschriften der WasserkraftwerkVO der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag zu ermitteln (§ 14 GewStG). Nur wenn sich dabei eine positive Zahl ergibt, ist zu prüfen, wieweit der einheitliche Gewerbesteuermeßbetrag auf steuerbegünstigte und auf nichtsteuerbegünstigte Anlagen entfällt. Die Ermittlung dieses Verhältnisses kann auch entsprechend den Grundsätzen des BFH-Urteils I R 10-11/68 erfolgen.
Zur Ermittlung des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags (§ 14 GewStG) gehört auch der Abzug von Fehlbeträgen nach § 10 a GewStG. Daher sind diese Fehlbeträge für den Gewerbebetrieb insgesamt, ohne Trennung in steuerbegünstigte und nichtsteuerbegünstigte Anlagen, zu ermitteln.
Die Auslegung der Vorschriften der Wasserkraftwerk-VO durch die Klägerin führt in den Fällen zu untragbaren Ergebnissen, in denen ein Unternehmen aus steuerbegünstigten Anlagen nur Fehlbeträge und aus nichtsteuerbegünstigten Anlagen nur Erträge erzielt oder umgekehrt. Dieses Unternehmen müßte dann die Gewerbeerträge versteuern, ohne sie jemals mit den Fehlbeträgen ausgleichen zu können. Das stünde in Widerspruch zum gesetzlichen Begriff des einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrags nach § 14 GewStG, der eine gesonderte Ermittlung der Gewerbeerträge und des Gewerbekapitals nach einzelnen Unternehmensbereichen nicht kennt und der ohne Einschränkung auch in § 6 WasserkraftwerkVO übernommen worden ist.
Die Auffassung des Senats führt zu keiner grundgesetzwidrigen Ungleichbehandlung von Unternehmen, die steuerbegünstigte und nichtsteuerbegünstigte Anlagen betreiben, und Unternehmen, die nur steuerbegünstigte Anlagen betreiben. Beide Unternehmen brauchen die Gewerbeerträge, soweit sie auf die steuerbegünstigten Anlagen entfallen, nur zur Hälfte zu versteuern. Das Unternehmen, das auch nichtsteuerbegünstigte Anlagen betreibt und aus diesen Anlagen Fehlbeträge erzielt, braucht insoweit die Gewerbeerträge aus den steuerbegünstigten Anlagen überhaupt nicht zu versteuern. Der Nachteil, über den sich die Klägerin beschwert, liegt nicht in der Besteuerung der steuerbegünstigten Anlagen, sondern in der Besteuerung der nichtsteuerbegünstigten Anlagen. Daher können Unternehmen, die solche Anlagen haben, und Unternehmen, die solche Anlagen nicht haben, unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes (Art. 3 GG) überhaupt nicht miteinander verglichen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 72213 |
BStBl II 1977, 251 |
BFHE 1977, 74 |