Leitsatz (amtlich)

Aufwendungen für die Errichtung eines Fabrikhallenanbaus sind in der Regel keine sofort abzugsfähigen Betriebsausgaben i. S. des § 4 Nr. 1 ErfVO (Freiber.).

 

Normenkette

ErfVO (Freiber.) § 4 Nr. 1

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Aufwendungen für die Errichtung eines Fabrikhallenanbaus als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben i. S. des § 4 Nr. 1 der Verordnung über die einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder vom 30. Mai 1951 - ErfVO - (BGBl I 1951, 387, BStBl I 1951, 181), die nach Art. 3 § 1 des Steueränderungsgesetzes 1968 vom 20. Februar 1969 - StÄndG 1968 - (BGBl I 1969, 141, BStBl I 1969, 116) Gesetzeskraft hat, behandelt werden dürfen.

Der persönlich haftende Gesellschafter (G) der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer OHG, ist seit Jahren im Rahmen des Betriebes der Klägerin als Erfinder tätig, ohne daß aus seiner Erfindertätigkeit bisher positive Einkünfte erzielt worden sind. Im Streitfall handelt es sich um die erfinderische Tätigkeit des G zur Entwicklung eines besonderen Verfahrens zur Herstellung von Industrieprodukten mittels einer besonderen Produktionsvorrichtung. Die Erfindung "Verfahren zur Herstellung von Industrieprodukten" ist als volkswirtschaftlich wertvoll anerkannt und zur Patenterteilung angemeldet. Zu einer Verwertung der Erfindung kam es in den Streitjahren wegen ungelöster Schwierigkeiten nicht. Nach vergeblichen Bemühungen um eine Veräußerung oder eine Fremdbeteiligung wurden die kostenintensiven Entwicklungsarbeiten im Laufe des Jahres 1970 bis auf weiteres eingestellt.

Im Herbst 1969 hatte die Klägerin mit der Errichtung eines 15 x 15m großen zweigeschossigen Anbaus an das vorhandene, gleichfalls zweigeschossige Fabrikgebäude begonnen. Der Anbau wurde im Frühjahr 1970 fertiggestellt. Der Anbau ist mit dem bisherigen Fabrikgebäude im Erdgeschoß übergangslos und im Obergeschoß durch einen breiten Durchgang verbunden. Die Strom- und Wasserversorgung im Anbau wurde an die bestehende Installation angefügt und einheitlich betrieben. Die Decke des Untergeschosses ist mit planmäßig verlegten sogenannten "Halfen-Eisen" versehen, die eine Befestigung von Vorrichtungen an der Betondecke zulassen. Großdimensionierte Kabelaufnahmerohre sind im Fußboden des Untergeschosses verlegt. Die Fensterverglasung besteht aus Isolierglas. Bei den statischen Berechnungen wurde bereits die Möglichkeit für einen Deckendurchbruch berücksichtigt für die Anlage einer Verbindungstreppe zwischen Ober- und Untergeschoß.

Nach den Angaben der Klägerin war der Anbau zur Aufnahme der im erfinderischen Entwicklungsstadium befindlichen Produktionsanlage sowie zur Fortsetzung der erfinderischen Tätigkeit des Komplementärs geplant und erstellt worden. Zu einer Ingebrauchnahme des Hallenanbaus für diesen Zweck kam es nicht. Der Betriebsanbau wurde, nachdem er vorübergehend leergestanden hatte, seit Herbst 1970 im Rahmen der laufenden Produktion genutzt. Im Obergeschoß wurde eine im November 1970 erworbene Maschine aufgestellt, das Untergeschoß diente als Lagerraum für Rohmaterial und Fertigteile sowie als Parkraum.

Die Herstellungskosten für den Anbau betrugen im Jahre 1969 53 300 DM, im Jahre 1970 55 315 DM, zusammen also 108 615 DM. Bei ihrer Gewinnermittlung für die Streitjahre 1969 und 1970 behandelte die Klägerin diese Aufwendungen als sofort abzugsfähige Betriebsausgaben nach § 4 Nr. 1 ErfVO. Nach Durchführung einer Betriebsprüfung erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) dies nicht an, sondern aktivierte die genannten Beträge unter Berücksichtigung einer zeitanteiligen AfA und erließ entsprechende Berichtigungsbescheide.

Einspruch und Klage waren ohne Erfolg. Das FG ging davon aus, daß der Steuerpflichtige im Rahmen des § 4 oder des § 5 ErfVO "Aufwendungen, die durch seine Erfindertätigkeit veranlaßt sind", unter den Voraussetzungen des § 3 ErfVO - Anerkennung als volkswirtschaftlich wertvoll und gesonderte Aufzeichnung der Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben - sofort in voller Höhe ohne Aktivierungsverpflichtung absetzen kann. Es machte die Vergünstigung auch nicht davon abhängig, ob die Erfindung schon zur Verwertung gekommen sei, weil, wie das FG ausführte, in § 4 Nr. 1 ErfVO u. a. "Aufwendungen zur Entwicklung" ausdrücklich angeführt seien. Die Herstellungskosten für den umstrittenen Fabrikhallenanbau seien aber nicht zu den Aufwendungen zu rechnen, die i. S. des § 4 Nr. 1 ErfVO durch die Erfindung veranlaßt seien. - Die Erfindertätigkeit sei nach § 1 Abs. 2 Satz 1 ErfVO eine Tätigkeit, die auf die Erzielung einer patentfähigen Erfindung gerichtet sei. Lege man die Begriffsbestimmung der Rechtsprechung des BGH zugrunde ("Erfindung ist angewandte Erkenntnis auf technischem Gebiet, also eine Anweisung, mit bestimmten technischen Mitteln ein technisches Ergebnis zur Lösung einer technischen Aufgabe zu erzielen"; vgl. Schulte, Kommentar zum Patentgesetz, 1974, § 1 Rdnr. 8 mit Fußnote 12), so ergebe sich, daß eine auf eine patentfähige Erfindung gerichtete Tätigkeit nur vorliege, wenn diese darauf abziele, eine erfinderische Idee in eine Anweisung zum technischen Handeln mit technischen Mitteln umzusetzen, deren anweisungsgemäße Anwendung durch sachverständige Dritte die technische Lösung des erfinderischen Problems erbringe. Danach seien folgerichtig diejenigen Aufwendungen für solche technischen Mittel als "durch die Erfindertätigkeit veranlaßt" anzusehen, die als Beitrag zur technischen Lösung der Erfinderidee gemacht würden. Im Streitfall beziehe sich die nach § 3 ErfVO (Freiber.) erforderliche Anerkennung als volkswirtschaftlich wertvoll auf ein Verfahren zur Herstellung der Industrieprodukte, also auf eine zur Kategorie der Herstellungsverfahren gehörige Erfindung. Herstellungsverfahren bestünden in der Einwirkung auf ein Ausgangsmaterial zum Zwecke seiner Veränderung oder Bearbeitung oder zur Hervorbringung eines vom Ausgangsmaterial unterschiedlichen Erzeugnisses (vgl. Schulte, a. a. O., § 1 Rdnr. 47).

Einen Beitrag zur Entwicklung des Herstellungsverfahrens hätten in den Streitjahren zwar die maschinellen Vorrichtungen geleistet, mit deren Hilfe das von G konzipierte Verfahren entwickelt und erprobt worden sei, jedoch nicht der im Frühjahr 1970 fertiggestellte Hallenanbau. Dieser habe niemals als technisches Mittel zur Entwicklung des Herstellungsverfahrens beigetragen. Auch die maschinellen Versuche zur Entwicklung und Erprobung des konzipierten Herstellungsverfahrens seien in den Streitjahren ausschließlich in den Räumen der bereits vor der Errichtung des Anbaus vorhandenen Gebäude, vor allem in der Schlosserwerkstatt, durchgeführt worden. - Unter diesen Umständen sei der 1969/1970 errichtete Hallenanbau nicht als durch die auf die Verfahrenserfindung gerichtete Erfindertätigkeit des G veranlaßt anzusehen.

Zur Begründung der Revision der Klägerin wird u. a. vorgetragen: Es liege insofern ein Verstoß gegen den klaren Inhalt der Akten vor, als sich entgegen der Auffassung des FG die Anerkennung als volkswirtschaftlich wertvoll nicht allein auf ein Verfahren zur Herstellung von Industrieprodukten erstrecke, sondern auch auf die Maschinen und Vorrichtungen, die für dieses Verfahren notwendig seien. Das gehe aus dem Betriebsprüfungsbericht und der Anerkennung als volkswirtschaftlich wertvoll durch die zuständigen Behörden hervor.

Die Voraussetzungen für die Anwendung der Verordnung über die einkommensteuerliche Behandlung der freien Erfinder seien damit erfüllt. - Das FA übersehe, daß der Beitrag zur technischen Lösung der Erfinderidee wirksam nur durch den Neubau habe erfolgen können. Dazu trägt die Klägerin vor: In den Räumen der Schlosserei seien Versuche durchgeführt worden; es habe sich hierbei um einen Verfahrenskomplex gehandelt, der nicht Teil des Patentbegehrens gewesen sei. Nach erfolgreichem Abschluß dieser Versuche sei der Anbau in Angriff genommen worden, da eine Erprobung des Verfahrens in den Räumen der Schlosserei nicht möglich gewesen sei. Der Erfinder G habe die einzige Möglichkeit dafür in dem Neubau gesehen.

Dort habe das Ausgangsmaterial für die Durchführung der eigentlichen Versuche gewonnen werden sollen, die Gegenstand der volkswirtschaftlich anerkannten Erfindung bzw. des Patentbegehrens gewesen seien.

Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil, die Einspruchsentscheidung und die Berichtigungsbescheide ersatzlos aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision kann keinen Erfolg haben.

Das FG hat mit Recht die fraglichen Aufwendungen für den Fabrikanbau nicht als sofort in vollem Umfang abzugsfähige Betriebsausgaben i. S. des § 4 Nr. 1 ErfVO behandelt. Diese Aufwendungen waren nicht als Aufwendungen zur Entwicklung oder Verbesserung der Erfindung durch die Erfindertätigkeit veranlaßt.

Die Klägerin rügt zu Unrecht, daß sich die Anerkennung als volkswirtschaftlich wertvoll entgegen der Auffassung des FG nicht nur auf das Verfahren zur Herstellung von Industrieprodukten, sondern auch auf die Maschinen und Vorrichtungen erstreckt habe, die für dieses Verfahren notwendig gewesen seien. Die dem FA und dem FG vorgelegte Bescheinigung des Ministers für Wirtschaft des Landes ..., auf die sich die Anerkennung des Finanzministers des Landes ... und die Zustimmung des Bundesministers für Wirtschaft beziehen, nennt als volkswirtschaftlich wertvoll die Erfindung "Verfahren zur Herstellung von Industrieprodukten", wie auch das FG festgestellt hat. Selbst wenn aber die Maschinen und Produktionsvorrichtungen in das Anerkennungsverfahren einbezogen wären, wäre damit die Entscheidung des FG nicht in Frage gestellt. Das FG ging selbst in der Begründung seiner Entscheidung davon aus, daß wohl die maschinellen Vorrichtungen, mit deren Hilfe das von G konzipierte Verfahren entwickelt und erprobt worden sei, einen Beitrag zur Entwicklung dieses Herstellungsverfahrens geleistet hätten, daß dies aber nicht für den Hallenanbau gelte.

Mit Recht hebt das FG hervor, daß der Anbau niemals als technisches Mittel zur Entwicklung des - unter Verwendung der Produktionsvorrichtungen geplanten - Herstellungsverfahrens des Erfinders G beigetragen hat. Insoweit handelte es sich nicht um Aufwendungen, die sich als Beitrag zur technischen Lösung der Erfinderidee darstellten.

Dem Vorbringen der Klägerin in der Revisionsinstanz über die mit Erfolg abgeschlossenen Versuche in der Schlosserei, für deren weitere Erprobung der Anbau erforderlich gewesen sei, um das Ausgangsmaterial für die Durchführung der eigentlichen Versuche zur Entwicklung der als volkswirtschaftlich wertvoll anerkannten Erfindung zu gewinnen, kann kein entscheidendes Gewicht beigemessen werden. Es kann dahingestellt bleiben, inwieweit es sich dabei um ein neues und deshalb in der Revisionsinstanz nicht mehr verwertbares Tatsachenvorbringen handelt. Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Notwendigkeit des Anbaus an das Fabrikgebäude und der Entwicklung der Erfindung des Verfahrens zur Herstellung der Industrieprodukte läßt sich aus dem gesamten Vorbringen der Klägerin auch dann nicht entnehmen, wenn die Entwicklung der Produktionsvorrichtungen innerhalb des Herstellungsverfahrens gleichfalls Gegenstand der als wertvoll anerkannten Erfindung sein sollte. Der Hallenanbau konnte weder zu dem Herstellungsverfahren selbst noch zu einer notwendigen Entwicklung von Maschinen und Vorrichtungen beitragen.

Schließlich kann auch der Hinweis der Klägerin auf das Urteil des BFH vom 20. November 1974 I R 1/73 (BFHE 114, 530, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1975 S. 276) der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Die dort angesprochene planmäßige Verwirklichung der Erfinderidee, die mit dem Beginn der Entwicklung der Erfindung gleichgesetzt wurde, war in jenem Urteilsfall nur deshalb von Bedeutung, weil es um die Abgrenzung von Beginn und Auswirkung zweier sich überschneidender Erfindungen ging. Es läßt sich aber aus dem BFH-Urteil nichts zu der Frage folgern, wann bestimmte Aufwendungen durch eine Erfindertätigkeit veranlaßt werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 72595

BStBl II 1978, 38

BFHE 1978, 338

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