Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Macht ein Diplom-Ingenieur und Hochschulprofessor für bildende Künste Entwürfe für Neubauten, deren künstlerische Oberleitung er übernimmt, so liegt eine Berufstätigkeit als Architekt vor, für die die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG nicht in Betracht kommt.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 34 Abs. 4

 

Tatbestand

Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1959, ob der Steuerpflichtige für Honorare für Entwurfsbearbeitung und künstlerische Oberleitung eines Neubaues die Steuervergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG beanspruchen kann.

Der Steuerpflichtige ist Professor für bildende Künste. Im Streitjahr hat er außer seinen Einkünften aus dieser Tätigkeit auch Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Architekt und Schriftsteller in Höhe von insgesamt 14.184 DM erzielt. Für diese Einkünfte begehrte er die Tarifvergünstigung des § 34 Abs. 4 EStG. Er hat die Vorbildung auf dem Gebiet der Baukunst und sein Examen als Diplom-Ingenieur abgelegt.

Das Finanzamt lehnte die Gewährung der Steuervergünstigung für das aus der Architektentätigkeit erzielte Honorar ab und gewährte sie lediglich für die auf 600 DM geschätzten Einkünfte aus Schriftstellertätigkeit.

Auf die Sprungberufung des Steuerpflichtigen gab ihm die Vorinstanz recht. Sie führte im wesentlichen aus, bei den Entwurfsarbeiten und der künstlerischen Oberleitung für das Bauvorhaben und den für diese Arbeiten erzielten Einkünften handelte es sich um Nebeneinkünfte, die der Steuerpflichtige neben seiner hauptberuflichen Tätigkeit und den aus ihr fließenden Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erzielt habe. Der Begriff der Nebeneinkünfte erfordere nicht, daß die Tätigkeit nur ganz geringfügig sei. Wann Haupttätigkeit und wann Tätigkeit mit Nebeneinkünften vorliege, werde in dem Urteil des Bundesfinanzhofs IV 146/57 U vom 24. Juli 1958 (BStBl 1958 III S. 389, Slg. Bd. 67 S. 297) zwar nach dem Umfang der Tätigkeit entschieden, die ein Ingenieur entfaltete, der außerdem Ruhegehalt und andere Einkünfte bezogen habe. Dieser Auffassung könne sich die Kammer jedoch nicht anschließen. Denn der Gesetzgeber habe den Umfang der Tarifvergünstigung hinreichend eingeengt, indem er eine Abgrenzbarkeit, das überwiegen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder aus freier Berufstätigkeit, verlange und die Vergünstigung nur auf Einkünfte bis zu 50 v. H. der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit oder freier Berufstätigkeit angewendet wissen solle. Hinsichtlich der Abgrenzbarkeit genüge bei Arbeitnehmern im allgemeinen, daß die Nebeneinkünfte aus wissenschaftlicher, künstlerischer oder schriftstellerischer selbständiger Tätigkeit flössen. Im übrigen übe der Steuerpflichtige nach der Verkehrsauffassung nicht zwei Haupttätigkeiten nebeneinander aus, sondern er habe Nebeneinkünfte als Architekt aus Entwurfsarbeiten und künstlerischer Oberleitung. Die begehrte Steuervergünstigung sei ihm daher zu gewähren.

 

Entscheidungsgründe

Die vom Vorsteher des Finanzamts eingelegte Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückweisung der Sprungberufung als unbegründet.

Mit Recht weist das Finanzamt darauf hin, daß die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs Einkünfte nicht als Nebeneinkünfte im Sinne des § 34 Abs. 4 EStG anerkannt habe, die ein Steuerpflichtiger bei Ausübung eines Berufs im Sinne des § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG erzielt. Das hat die Vorinstanz nicht beachtet. Es kommt im Streitfall lediglich darauf an, ob der Steuerpflichtige außer seiner Tätigkeit als Hochschulprofessor eine künstlerische Tätigkeit oder eine Tätigkeit im Rahmen eines der in § 18 Abs. 1 Ziff. 1 EStG aufgezählten Berufe, hier als Architekt, ausübte. Vgl. hierzu insbesondere Urteile des Bundesfinanzhofs IV 171/55 U vom 6. Dezember 1956 (BStBl 1957 III S. 129, Slg. Bd. 64 S. 338), VI 29/59 S vom 24. April 1959 (BStBl 1959 III S. 193 - 195 linke Spalte unten -, Slg. Bd. 68 S. 504), wodurch die von der Vorinstanz angeführte und vom erkennenden Senat im Urteil IV 162/60 U vom 6. Oktober 1960 (BStBl 1961 III S. 2, Slg. Bd. 72 S. 4) aufgegebene Rechtsprechung des Urteils IV 146/57 U gegenstandslos geworden ist. Der Steuerpflichtige hat eine Berufstätigkeit als Architekt und nicht eine für sich gesehen künstlerische Tätigkeit ausgeübt. Das bestreitet er offenbar auch nicht. Auch die Vorinstanz spricht von Nebeneinkünften als Architekt. Der Steuerpflichtige hat die Ausbildung als Architekt und sein Examen als Diplom-Ingenieur. Er hat Entwurfsarbeiten ausgeführt und die künstlerische Oberleitung der nach seinen Plänen zu errichtenden Neubauten übernommen. Hierin liegt eine typische Architektentätigkeit, mögen auch weitere maßgebende Arbeiten an der Herstellung der Bauten durch vom Steuerpflichtigen beschäftigte Architekten erledigt worden sein. In welchem Umfang der Steuerpflichtige im Streitjahr berufsmäßig als Architekt, nicht rein künstlerisch tätig geworden ist, zeigen die für beschäftigte Architekten und Ingenieure ausgeworfenen Gehälter von insgesamt 17.410 DM, die er an acht Architekten, Ingenieure, Diplom-Ingenieure, Maler und Studenten der Architektur gezahlt hat. Einkünfte aus einer solchen Berufstätigkeit sind aber, wie der Wortlaut des Gesetzes im Gegensatz zur Auffassung des Steuerpflichtigen und der Vorinstanz zeigt, nicht begünstigt. Die Berufstätigkeit wird ausdrücklich der wissenschaftlichen, künstlerischen und schriftstellerischen gegenübergestellt. Auf die von der Vorinstanz angestellten Erwägungen zur Frage einer mehrfachen Haupttätigkeit oder der Abgrenzbarkeit der Einkünfte aus Nebentätigkeit gegen die anderen Einkünfte braucht nicht eingegangen zu werden.

Auf die Rb. des Vorstehers des Finanzamts wird die Vorentscheidung aufgehoben und die Sprungberufung des Steuerpflichtigen als unbegründet zurückgewiesen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 411405

BStBl III 1965, 14

BFHE 1965, 39

BFHE 81, 39

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