Entscheidungsstichwort (Thema)
Fahrtkosten, Werbungskosten, nachträgliche Anschaffungskosten, Einkünfte aus Kapitalvermögen, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit
Leitsatz (NV)
- Fahrtkosten im Zusammenhang mit einer Beteiligung an einer GmbH stellen keine nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung dar (BFH-Urteil vom 2. Mai 2001 VIII R 32/00, BStBl II 2001, 668).
- Fahrtkosten eines an einer GmbH Beteiligten können als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen oder als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Hinblick auf ein Arbeitsverhältnis mit der GmbH zu berücksichtigen sein.
Normenkette
EStG § 9 Abs. 1, § 19 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), der von Beruf Dolmetscher ist, erzielte mit dieser Tätigkeit im Streitjahr Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Im Einspruchsverfahren betreffend die Einkommensteuer 1996 machte er erstmals Aufwendungen für Reisen in dem Zeitraum zwischen dem 10. März und dem 16. Dezember 1996 in Höhe von … DM als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Der Kläger trug vor, die Aufwendungen seien im Zusammenhang mit seiner Beteiligung in Höhe von 50 v.H. an der kroatischen GmbH A entstanden. Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) Bedenken gegen diese Zuordnung der Aufwendungen erhoben hatte, vertrat der Kläger die Ansicht, es handle sich um vorab entstandene Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Die fraglichen Aufwendungen seien im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Geschäftsführer für die GmbH A in Gründung entstanden, aus der er voraussichtlich 1998 Einkünfte erzielen würde. Dem folgend setzte das FA die Einkommensteuer des Klägers neu fest, wobei es gemäß § 32b des Einkommensteuergesetzes (EStG) entsprechend den geltend gemachten Werbungskosten negative ausländische Einkünfte in die Berechnung des Steuersatzes einbezog.
Mit seinem Einspruch machte der Kläger geltend, die fraglichen Aufwendungen seien in voller Höhe als negative inländische Einkünfte zu berücksichtigen. Das FA nahm in der Einspruchsentscheidung vom 15. September 1998 nach einer vorherigen Ankündigung eine Verböserung insoweit vor, als es die fraglichen Aufwendungen überhaupt nicht mehr steuermindernd berücksichtigte.
Die dagegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) aus, bei den fraglichen Aufwendungen handle es sich nicht um Werbungskosten des Klägers im Zusammenhang mit Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Der Kläger habe im Streitjahr keine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt. Zwar seien auch bei Arbeitnehmern vorab entstandene Werbungskosten denkbar, dafür sei jedoch Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer die Aufwendungen zu tragen und diese zum Zwecke der Erzielung von Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit getätigt habe. Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung habe der Kläger im Streitfall jedoch die Reisekosten nicht als eigene Aufwendungen, sondern fremdnützig für die zu gründende bzw. nach dem 13. Mai 1996 gegründete Gesellschaft verauslagt. Weder aus dem vorgelegten Arbeitsvertrag noch aus sonstigen Abreden oder gesetzlichen Regelungen lasse sich eine Verpflichtung des Klägers ableiten, für seinen "Arbeitgeber" eigene Mittel aufzuwenden. Der Kläger sei davon ausgegangen, dass die spätere Gesellschaft ihm die Aufwendungen ersetze. Das folge aus der Erstellung der Reisekostenabrechnungen, deren einziger Sinn darin bestanden habe, vom Auftraggeber die Auslagen erstattet zu erhalten. Selbst wenn der Kläger die Kosten ―entgegen der ausdrücklichen Bestätigung auf den Reisekostenabrechnungen― tatsächlich nicht erstattet erhalten haben sollte, handele es sich nicht um Werbungskosten, sondern um Kosten, die der Kläger als Gesellschafter im Zusammenhang mit der Gründung der Gesellschaft übernommen habe. Die Verauslagung dieser Kosten sei ―sofern nachfolgend eine Erstattung nicht erfolgt sein sollte― nur durch die Gesellschafterstellung des Klägers in der künftigen Gesellschaft zu erklären. Sollte keine Erstattung vereinbart gewesen sein, könne es sich nur um Einlagen des Klägers handeln. Einlagen in eine Personen- oder Kapitalgesellschaft seien jedoch keine Werbungskosten, sondern beträfen den steuerlich irrelevanten Vermögensbereich.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Zur Begründung trägt er vor, eine auf die Einnahmeerzielung bezogene Veranlassung der Aufwendungen sei dann zu bejahen, wenn objektiv ein Zusammenhang mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit bestehe und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser steuerlich relevanten Tätigkeit gemacht würden. Dagegen sei das Bestehen einer den Ausgaben entsprechenden Erstattungsforderung nicht relevant. Eine Erstattung der Ausgaben in späteren Veranlagungszeiträumen führe erst in diesen zu entsprechenden Einnahmen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidung den Einkommensteuerbescheid 1996 vom 23. Februar 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. September 1998 in der Weise zu ändern, dass weitere Werbungskosten in Höhe von … DM bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt werden.
Das FA beantragt, die Revision aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision des Klägers war das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Das FG hat bei seiner Entscheidung noch nicht das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. Mai 2001 VIII R 32/00 (BFHE 195, 302, BStBl II 2001, 668) berücksichtigen können. Nach Maßgabe der Ausführungen in dem genannten Urteil ist nicht auszuschließen, dass im Streitfall die Fahrtkosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen bzw. aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind. Insoweit enthält das vorinstanzliche Urteil jedoch keine hinreichenden Feststellungen, so dass die Sache nicht spruchreif ist. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass das Bestehen eines Aufwendungsersatzanspruchs dem Werbungskostenabzug nicht entgegensteht. Dies gilt sowohl für den Fall, dass die in Rede stehenden Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu beurteilen sein sollten, als auch dann, wenn es sich um vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit handeln sollte. Werden die Aufwendungen in einem anderen Veranlagungszeitraum als dem der Verauslagung erstattet, sind sie erst in dem Veranlagungszeitraum ihrer Erstattung als Einnahmen bei der entsprechenden Einkunftsart zu erfassen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 195, 302, BStBl II 2001, 668; vom 23. März 1993 IX R 67/88, BFHE 171, 183, BStBl II 1993, 748; vom 22. September 1994 IX R 13/93, BFHE 175, 546, BStBl II 1995, 118). Die fraglichen Aufwendungen könnten deshalb auch dann als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sein, wenn der Kläger entsprechend den von ihm erstellten Reisekostenabrechnungen Erstattungen erhalten sollte bzw. in einem anderen Veranlagungszeitraum als dem der Verauslagung erhalten hat. Insoweit wird das FG ―im Hinblick auf eine mögliche Anwendung des § 32b Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1 EStG bzw. des § 2a EStG― festzustellen haben, ob der Kläger die in Rede stehenden Aufwendungen aufgrund seiner Stellung als (künftiger) Gesellschafter oder als (künftiger) Geschäftsführer der kroatischen GmbH A getätigt hat.
Fundstellen
Haufe-Index 872353 |
BFH/NV 2003, 164 |