Entscheidungsstichwort (Thema)

Körperschaftsteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Der Senat verbleibt bei den Grundsätzen der Entscheidung I 62/53 U vom 30. Juli 1954 über die Bewertung der sogenannten Mindener Skala-Wolle in der DM-Eröffnungsbilanz.

Bei der Bewertung der über die JEIA erworbenen Importwolle in der DM-Eröffnungsbilanz muß der Importeur die gegenüber der JEIA übernommene Verpflichtung hinsichtlich der Kalkulation berücksichtigen.

 

Normenkette

DMBG § 20 Abs. 1; EStG §§ 5, 6/2

 

Tatbestand

Geschäftszweig der Steuerpflichtigen (Stpfl.) ist die Einfuhr und der Großhandel mit Rohwolle. Sie hat in der RM-Schlußbilanz zum 20. Juni 1948 ihre Wollvorräte mit 72 894,- RM bewertet. In die DM-Eröffnungsbilanz zum 21. Juni 1948 hat sie jedoch einen Wert von 101 970,- DM eingesetzt. Die Höherbewertung beträgt somit 29 076,- DM. Sie hat als Wert zum 21. Juni 1948 die gewöhnlichen Wiederbeschaffungskosten zum 31. August 1948 (Weltmarktpreise) angesetzt. Das Finanzamt hat die Höherbewertung nicht anerkannt und nur den in der RM-Schlußbilanz angesetzten Wert gelten lassen. Es begründet diese Ansicht wie folgt:

Eine Bewertung zum Weltmarktpreis komme nur für Wolle in Betracht, die zum Weltmarktpreis eingekauft worden sei. Die zu den Mindener-Skalapreisen eingekaufte Wolle sei mit einer Verkaufsbeschränkung in der Weise behaftet gewesen, daß auf den Einkaufspreis ( 1 RM = 1 DM) nur etwa 6 1/2 v. H. Gewinn zuzüglich Veredelungskosten habe aufgeschlagen werden dürfen. Es habe über den Verkauf der zu Mindener Skalapreisen erworbenen Wollen eine Vereinbarung zwischen der Standesorganisation des Bremer Wollhandels und der Industrie bestanden, wonach diese Wollen zum Einstandspreis zuzüglich einer Handelsspanne von 6 1/2 v. H. hätten verkauft werden sollen. Der Geschäftsführer der Vereinigung des Wollhandels habe zwar behauptet, daß diese Absprache keinen rechtsverbindlichen Charakter gehabt habe und daß in ihr nur eine Empfehlung habe gesehen werden können. Es sei als erwiesen anzusehen, daß diese Empfehlung von allen verantwortungsbewußten Firmen des Wollhandels befolgt worden sei. Auch die Stpfl. habe diese Wollen nach dem 20. Juni 1948 dementsprechend verkauft. Es genüge, um eine den Wert der Reichsmarkwolle beeinflussende Bindung anzunehmen, daß dieser Absprache alle Firmen des Wollhandels unterworfen gewesen seien, die der Vereinigung des Wollhandels angehörten, und daß alle diese Firmen tatsächlich danach gehandelt hätten, als ob sie durch eine behördliche Maßnahme gebunden gewesen wären. Der Reichsmarkwolle habe nicht der Wert innegewohnt, den die nach dem 20. Juni 1948 zu Weltmarktpreisen eingekaufte Wolle besessen habe. Die Firma habe am 21. Juni 1948 gewußt, daß sie die Reichsmarkwolle nicht zu Weltmarktpreisen verkaufen werde und auch nicht habe verkaufen dürfen, da sie sich an die Absprache gebunden gefühlt habe.

Der Weltmarktpreis für freie Wolle würde insofern zu unsinnigen Ergebnissen führen, als der Unterschied zwischen den am 21. Juni 1948 bereits bekannten Verkaufserlösen und den jeweiligen Weltmarktpreisen von vornherein als Verlust anzusprechen wäre, obwohl jede Wollpartie mit Gewinn verkauft worden sei.

In der Berufung legte die Firma zunächst dar, daß von der Höchstbewertung von insgesamt 29 076,- DM 6080 DM auf General-Import-Wollen, 7300,-DM auf Export-Wollen und 18.696,00 DM auf Stockpile-Wollen entfielen. Die "Stockpile-Wollen seien nicht anders zu bewerten als die anderen "Mindener-Skala-Wollen". Die Abwicklung der Importe sei so erfolgt, daß die JEIA, die nach außen hin als Importeur aufgetreten sei, die gekauften Weltmarktwollen an das Wolleinkaufskontor weitergeleitet habe. Von hier aus sei dann die Verteilung an den Wollhandel vorgenommen worden. Für die praktische Durchführung der Wollimporte habe der Wollhandel auf Grund seiner ihm aus dem Ausland vorliegenden Angebote zu üblichen Weltmarktpreisen dem Wolleinkaufskontor vorgeschlagen, welche Wollpartien er für günstig und preiswert halte. Auf Grund dieser Vorschläge, die von einem Ausschuß von Fachleuten geprüft worden seien, habe dann das Wolleinkaufskontor den Import dieser Weltmarktwollen durch die JEIA veranlaßt. Die Verteilung der Importwollen über das Wolleinkaufskontor an die Wollhandelsfirmen sei im Rahmen der für die Wollfirmen erteilten Kontingente erfolgt. Die eingekauften Wollen seien von dem Wolleinkaufskontor in entsprechende Einfuhrprogramme eingeteilt worden. Es seien so nach diesen Einfuhrprogrammen die Begriffe "Internal-Wolle", "Export-Wolle", "Stockpile-Wolle" und "General-Wolle" entstanden. Für alle diese Wollen habe als Oberbegriff die Bezeichnung "Mindener-Skala-Wollen" gegolten, da auf Grund einer Verfügung der JEIA alle diese Importe, die zwar zu Weltmarktpreisen im Ausland gekauft worden seien, im innerdeutschen Handel auf der Grundlage der Vorkriegspreise vom Wolleinkaufskontor an den Wollhandel abgerechnet worden seien. In Minden, dem damaligen Sitz der Verwaltung für Wirtschaft, sei, um eine einheitliche Preisgestaltung zu gewährleisten, eine Skala der verschiedenen Wollqualitäten und der entsprechenden Vorkriegspreise aufgestellt worden. Diese Regelung der Preiseinstufung sei am 15. Mai 1948 aufgehoben worden. Die Internal- und General-Wollen hätten dem allgemeinen Inlandsbedarf gedient, die Exportwollen für zum Export bestimmte Waren. Die Stockpile-Wollen hätten als Reserve bei der Industrie zur Verfügung der JEIA bzw. bei der von der JEIA mit der Kontrolle beauftragten Deutschen Waren-Treuhand-AG gelagert werden sollen.

Die Stpfl. verneinte, daß nach dem 21. Juni 1948 noch preisgebundene Stockpile-Wollen zu beschaffen waren. Der Wollhandel habe bereits vor dem Währungsstichtag, ab 15. Mai 1948, die Wollen zu Weltmarktpreisen wiederbeschaffen zu müssen. Am Währungsstichtag habe es keine preisgebundenen Wollen gegeben.

Das Finanzamt war im Berufungsverfahren der Ansicht, daß gerade für Stockpile-Wollen die Preisbindung besonders wirksam gewesen sei. Diese Wollen seien für besondere Zwecke bestimmt gewesen. Abrechnungsmäßig seien die verschiedenen Einfuhrarten getrennt zu behandeln gewesen. Bei den Stockpile-Wollen seien nicht, wie bei den allgemeinen Einfuhren, für Fälligkeitstag und Abrechnungspreis der Ankunftstag der Ware im Bestimmungshafen, sondern der Tag der Freigabe durch die JEIA bestimmend gewesen. Die bei den Wollhandelsfirmen am Tag der Währungsreform vorhandenen Bestände an ausländischer Wolle seien überwiegend nach den Preisen der Mindener-Skala abgerechnet und durch Bezahlungen in Reichsmark beglichen worden. Dabei habe die Sicherung der Niedrighaltung der Preise im Vordergrund gestanden. Zur Erreichung dieses Zwecks hätten sich die Wollabnehmer des Handels und der Industrie hinsichtlich der Stockpile-Wollen einschließlich der Exportwolle ausdrücklich verpflichten müssen, bei ihrer Kalkulation von den Einkaufspreisen auszugehen und bei einem überschreiten dieser Preise den Mehrpreis an die Bank deutscher Länder abzuführen oder an den Verkäufer zurückzuerstatten. Diese Verpflichtungserklärung für die Stockpile- und Export-Wolle hätte mehr noch als die Vereinbarung zwischen Wollhandel und Industrie für die Wollen aus allgemeinen Einfuhren die Wirkung einer Wertminderung gegenüber den mit solchen Bindungen oder Belastungen nicht behafteten Importwaren gehabt.

Die Berufung der Firma gegen die Entscheidung des Finanzamts war von Erfolg. Das Finanzgericht nahm in der Streitfrage den gleichen Standpunkt ein, wie er in der veröffentlichten Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 62/53 U vom 30. Juli 1954, Slg. Bd. 59 S. 252, Bundessteuerblatt III S. 310, dargestellt ist.

 

Entscheidungsgründe

Der Senat hat zu dem Rechtsproblem bereits in der Entscheidung I 62/53 U vom 30. Juli 1954 Stellung genommen. Er sieht keine Veranlassung, von der in diesem Urteil vertretenen Rechtsauffassung abzuweichen. Ergänzend zu den Ausführungen des Urteils I 62/53 U sei folgendes bemerkt:

Die rechtliche Grundlage für die Preisbildung der Importwolle in der RM-Zeit und in der Zeit kurz nach der Währungsumstellung bilden folgende Vorschriften:

Die Verordnung über Preisbildung für ausländische Waren (Auslandswarenpreisverordnung) vom 15. Juli 1937, Reichsgesetzblatt I S. 881. Nach § 1 der Verordnung darf für ausländische Waren im inländischen Geschäftsverkehr höchstens der Preis gefordert, versprochen oder gewährt werden, der dem tatsächlichen Einkaufspreis zuzüglich der volkswirtschaftlich gerechtfertigten Kosten und Gewinnaufschläge entspricht.

Eine entsprechende Vorschrift für den Export enthält § 2 der Anordnung PR Nr. 45/47 des Verwaltungsamtes für Wirtschaft des amerikanischen und britischen Besatzungsgebietes über den RM-Preis im Außenhandel vom 3. Juni 1947 (Mitteilungsblatt des Verwaltungsamtes für Wirtschaft S. 172).

Durch die Anordnung PR Nr. 70/48 über die Preisbildung im Außenhandel vom 21. Juni 1948 (Mitteilungsblatt des Verwaltungsamtes für Wirtschaft 1948 Teil II S. 94) wurde die Preisstellung für Einfuhren wie für Ausfuhren neu geregelt.

Für ausländische Waren und Leistungen darf hiernach der Einführer im inländischen Geschäftsverkehr höchstens Preise und Entgelte fordern, die dem Einstandspreis, umgerechnet in inländische Währung, nach dem amtlich bekanntgemachten Umrechnungssatz entsprechen, und einen volkswirtschaftlich gerechtfertigten Kosten- und Gewinnaufschlag enthalten.

Einstandspreis im Sinne des vorstehenden Absatzes ist der tatsächliche Einstandspreis zuzüglich etwaiger in ausländischer Währung entstandener Nebenkosten. Volkswirtschaftlich gerechtfertigte Kosten und Gewinnaufschläge im Sinne dieses Absatzes sind höchstens die absoluten Beträge der am 20. Juni 1948 zulässigen Handelsspanne, erhöht um die Hälfte des Hundertsatzes, um den der hiernach umgerechnete Einstandspreis den am 20. Juni 1948 zulässigen Einstandspreis (RM-Einfuhrpreis im Sinne der Anordnung PR Nr. 45/47 über den RM-Preis im Außenhandel vom 3. Juni 1947) übersteigt.

Nach § 3 der Anordnung unterliegen die auf Grund von Be- und Verarbeitung ausländischer Waren gewonnenen Erzeugnisse den im inländischen Geschäftsverkehr jeweils geltenden Preisvorschriften.

§ 6 in Verbindung mit § 13 der Anordnung enthält die Bestimmungen über die Ausfuhr.

Die allgemeinen Vorschriften für die Preisbildung und Preisüberwachung nach der Währungsreform enthält die Anordnung vom 25. Juni 1948 (Gesetz- und Verordnungsblatt des Wirtschaftsrats des Vereinigten Wirtschaftsgebietes 1948 S. 61). § 1 der Anordnung zählt die Wirtschaftsgüter auf, für die die Preisvorschriften noch weiter gelten. Die Spinnstoffe gehören nicht zu diesen Wirtschaftsgütern. § 7 Ziff. 6 der Anordnung bestimmt jedoch ausdrücklich, daß die Preisvorschriften für eingeführte und auszuführende Waren durch die Vorschrift nicht berührt werden.

Die Anordnungen vom 21. und 25. Juni 1948 sind erst am 8. Juli 1948 bzw. 7. Juli 1948 in Kraft getreten.

Nach der Währungsumstellung bestand in der Wirtschaft keine volle Klarheit über die am 21. Juni 1943 geltenden Preisvorschriften. Formal betrachtet waren am 21. Juni 1948 die Preisvorschriften für Textilien noch unverändert. Es bestand Unklarheit, inwieweit die am 7. und 8. Juli 1948 verkündeten Verordnungen auf den 21. Juni 1948 zurückwirkten. Hierzu kam, daß die Vorschriften der Anordnung Nr. 70/48 teilweise verschiedene Auslegungsmöglichkeiten zuließen. So wurde z. B. in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzhof von der Firma die Ansicht vertreten, die Importeure von Wolle fielen nicht unter § 1, sondern unter § 3 der Verordnung, da die Reinigung der Wolle bereits eine Verarbeitung im Sinne dieser Vorschrift darstelle. Hierzu kam weiter, daß die JEIA von ihren Abnehmern eine Preiskalkulation auf der Grundlage der Anschaffungspreise ( 1 RM = 1 DM) forderte. Auch von Seiten der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes wurde angestrebt, rasche Preissteigerungen in Textilien zu vermeiden.

Diese Verhältnisse führten zu Besprechungen der Wirtschaftskreise unter sich und mit den amtlichen Stellen. Eine Auswirkung hiervon war die Besprechung vom 26. und 27. Juli 1948 in Königstein mit den in der Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 62/53 U vom 30. Juli 1954 wiedergegebenen Empfehlungen. Die tatsächliche Lage spiegelt sich in folgenden Vorgängen wieder:

In einem Schreiben der Arbeitsgemeinschaft des Wollhandels Bremen vom 10. Juli 1948 (Rundschreiben Nr. 15) wird mitgeteilt, daß die importierte Wolle entsprechend dem § 1 der Anordnung PR Nr. 70/48 vom 21. Juni 1948 kalkuliert werden müsse.

In einem Rundschreiben mit einem Protokoll über eine in Bremen am Dienstag, den 12. Oktober 1948 abgehaltene Sitzung des Verwaltungsrats der Wolleinfuhrkontor GmbH wird ausgeführt:

"Sämtliche Firmen des Handels und der Industrie werden in einer besonderen Verpflichtungserklärung anerkennen müssen, daß sie die Stockpile-Wollen zum Einstandspreis kalkulieren werden. Da der Handel in Königstein provisorisch die Verpflichtung übernommen hat, die zur Mindener Skala einstehenden Wollen zum Einstandspreis zu verkaufen, hat das Wolleinkaufskontor den Verkauf der Wollen an die Industrie freigegeben".

Das Rundschreiben Nr. 177 des Wolleinkaufskontors vom 23. November 1948 teilt mit, daß die JEIA nach langwierigen und schwierigen Verhandlungen sich bereit erklärt habe, die RM-Zahlungen als vollgültige Zahlungen anzuerkennen und die Freigabe der Stockpile-Wollen veranlaßt habe. Anschließend wird folgendes bemerkt:

"Allerdings knüpft die JEIA hieran die ausdrückliche Bedingung, daß die Stockpile-Wollen und die daraus hergestellten Halb- und Fertigfabrikate auf Grund der tatsächlichen Einstandspreise (Mindener Basis) bis an den Konsumenten abfliessen. Zur Gewährt hierfür verlangt die JEIA, daß sowohl Wollhandel als auch Wollindustrie für die bezogenen Stockpile-Wollen Verpflichtungserklärungen abgeben, deren Fassung für die Firmen des Wollhandels lt. beigefügtem Muster von der JEIA in Zusammenarbeit mit der Verwaltung für Wirtschaft festgelegt worden ist.

Die Firmen des Wollhandels sollen die Verpflichtungserklärungen für die bezogenen und zu beziehenden Stockpile-Wollen an das Wolleinfuhrkontor einsenden".

Die Wollhändler mußten gegenüber dem Wolleinkaufskontor folgende Verpflichtungserklärung abgeben:

"Betrifft: Wollhandels-Verpflichtungserklärung für den Weiterverkauf von JEIA-Wolleinkaufskontor-Wolle aus der Einfuhrsaison 1947/1948. Exportwollen laut anliegender Liste.

Hierdurch verpflichte (n) ich (wir) mich (uns), alle Wollen, die von der JEIA Control Branch nach dem 20. Juni 1948 freigegeben worden sind bzw. freigegeben werden, auf der Basis des tatsächlichen Einstandspreises zu kalkulieren und mit der Bezeichnung "St. - Wolle" nur an Abnehmer zu verkaufen und zu liefern, die mir von der Verwaltung für Wirtschaft über Sie als bezugsberechtigt genannt werden. Ich (wir) unterwerfe (n) mich (uns) hinsichtlich der Kalkulation und der Lieferungen freiwillig einer entsprechenden Nachprüfung.

Ich (wir) bin (sind) mir (uns) bewußt, daß ich (wir) bei Verstoß gegen diese freiwillig übernommene Verpflichtung mit weiteren Wollzuteilungen nicht zu rechnen habe (n) und daß ich (wir) einen etwaigen Mehrerlös auf Grund verpflichtungswidriger Kalkulation dem Käufer in D-Mark zurückzuerstatten habe (n)."

Nach dem Bericht über die Sitzung der Vereinigung des Wollhandels in Bremen vom 13. Oktober 1948 verlangte die JEIA, daß die Dienststelle Prof. Erhard die Verantwortung dafür übernehme, daß die in Frage kommenden Wollen tatsächlich zu billigen Preisen weitergeleitet und den Konsumenten zur Verfügung gestellt werden. Der Bericht führt hierzu aus, daß eine diesbezügliche Bestätigung der Dienststelle des Prof. Erhard z. Zt. noch erwartet werde. Insgesamt handle es sich bei diesem Objekt um etwa 100 Mio. DM. Große Unannehmlichkeiten habe jede Firma zu erwarten, die nicht zu Mindener-Skala-Preisen weiterverkaufe.

Ein Rundschreiben der Arbeitsgemeinschaft des Wollhandels vom 26. Januar 1949 Nr. 28 enthält folgende Ausführungen:

"Zu der Preisgestaltung für diese Rohwollen ist seitens der Verwaltung für Wirtschaft als der hierfür berufenen Instanz bereits am 24. Januar 1949 Stellung genommen worden. Wie es in deren Erklärung heißt, war vorgesehen worden, daß die in Frage kommenden Wollmengen zum Einstandspreis und keinesfalls zu dem wesentlich höheren Weltmarktpreis weitergegeben werden sollten. Für diese Lösung ist das Wolleinfuhrkontor von Anfang an eingetreten, um zu verhindern, daß ungerechtfertigte Gewinne erzielt werden, und um zu erreichen, daß dem Konsum die preiswerten Rohwollen zugute kommen. Folgend der Initiative des Wolleinfuhrkontors wurde, um dieses Ziel zu erreichen, in Zusammenarbeit mit der JEIA und der Verwaltung für Wirtschaft eine Verpflichtungserklärung formuliert, mit welcher Wollimporteure und Wollindustrielle sich ausdrücklich verpflichten, die Rohwollen und Halbfabrikate aus dieser, durch die JEIA blockierten, Rohstoffmenge zum Einstandspreis in ihre Kalkulationsrechnung aufzunehmen. Für die vom Wolleinfuhrkontor zur Verteilung gebrachten Wollmengen befinden sich in den Akten die Verpflichtungserklärungen der Empfänger, daß sie diese Bedingungen anerkennen. Damit hat das Wolleinfuhrkontor alles, was in seiner Zuständigkeit liegt, getan, um zu unterbinden, daß unberechtigte Gewinne erzielt werden. Wir sind nach wie vor überzeugt, daß unsere Mitglieder die ihnen von der JEIA auferlegte Verpflichtung eingehalten haben. Wir bitten dringend, auch in Zukunft bei weiteren Verkäufen von Stockpile-Wollen genauestens darauf zu achten und weisen darauf hin, daß auch die Kalkulation von Mischpreisen mit Wollen anderer Programme nicht zulässig ist.

In einem Rundschreiben der Arbeitsgemeinschaft des Wollhandels vom 7. Februar 1949 Nr. 30 wird darauf hingewiesen, daß sich der Vorstand entschlossen habe, durch einen Sonderbeauftragten bei den Mitgliedsfirmen eine Nachprüfung der Kalkulation der Stockpile-Wollen vornehmen zu lassen. Er halte es für erforderlich, sich hierüber die entsprechende Gewißheit zu verschaffen.

Auch die mündliche Verhandlung, in der die Firma sich bemühte, die Freiwilligkeit der Kalkulation auf der Grundlage der Anschaffungskosten nachzuweisen, bestätigte die oben mitgeteilten Rundschreiben und Protokolle. Durch einen ehemaligen Angestellten der JEIA wurde ausgeführt, daß die Firmen unter Berücksichtigung der Verpflichtung gegenüber der JEIA kalkulieren mußten. Des weiteren wurde durch den von der Arbeitsgemeinschaft bestellten Prüfer dargestellt, daß die Prüfungen tatsächlich durchgeführt und auch Beanstandungen vorgenommen worden seien. Er behauptete allerdings, nicht allzu tief in die Verhältnisse des einzelnen Betriebes eingedrungen zu sein.

Nach Lage der Verhältnisse muß davon ausgegangen werden, daß die Wollimporteure mit der Verpflichtung gegenüber der JEIA belastet waren, auf der Grundlage der Anschaffungspreise zu kalkulieren. Diese Verpflichtung ist nach den allgemeinen Grundsätzen der Buchführung und des Handelsrechts, die auch durch das D-Markbilanzgesetz (DMBG) nicht beseitigt worden sind, passivierungspflichtig. Im übrigen trifft es auch nicht zu, daß nach den für den 21. Juni 1948 geltenden gesetzlichen Bestimmungen eingeführte und ausgeführte Waren frei kalkuliert werden konnten, wie dies bei Wollvorräten, die am 31. August 1949 auf dem Weltmarkt gekauft worden sind, der Fall gewesen wäre. Die Anordnung Nr. 70/48 hätte wohl eine günstigere Kalkulation zugelassen, als sie den wolleinführenden Firmen von der JEIA vorgeschrieben war. Für die Bilanzierung muß aber der Tatbestand zugrunde gelegt werden, wie er am 21. Juni 1948 tatsächlich gegeben war.

Die JEIA war nicht lediglich ein Organ, das in privatrechtlicher Hinsicht der Durchführung der Ein- und Ausfuhr für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet diente. Sie hatte vielmehr auch öffentlich-rechtliche Funktionen, die in der allgemeinen Regelung des deutschen Außenhandels bestanden (Außenhandelsjahrbuch 1952). Wie in den Erläuterungen zu einer schematischen übersicht über den Aufbau der JEIA (Heft 8/1949 der Zeitschrift "Außenhandel" S. 247 f.) im einzelnen ausgeführt wird, war die Rechtslage folgende.

Die Proklamation Nr. 2 des Alliierten Kontrollrats verhängte über Deutschland ein grundsätzliches Außenhandelsverbot, das in den Gesetzen der Militärregierung Nr. 161 und Nr. 53 näher erläutert wurde. Durch Art. 4 des Bevin-Byrnes-Abkommens wurde die Gründung der JEIA angeordnet. Ihr Statut erhielt die JEIA zunächst in der JEIA-Charta vom 6. Februar 1947 von Bipartite Board, die später durch die revidierte Charta vom 21. Januar 1948 ersetzt wurde. Die Aufgaben der JEIA sind im einzelnen aus den Ziff. 16 bis 24 der revidierten Charta vom 21. Januar 1948 ersichtlich. Sie erhielt hiernach als Organ der Militärregierung unter anderem die Ermächtigung, Befreiungen von dem grundsätzlichen Außenhandelsverbot durch Erteilung allgemeiner und besonderer Anweisungen und Genehmigungen zu verfügen, um die Zwecke der Charta zu verwirklichen. Die Anweisungen der JEIA lösten rechtliche Wirkungen aus. Die allgemeinen Anweisungen der JEIA sind echte Rechtsvorschriften im formellen wie im materiellen Sinn (vgl. auch S. 10 der Rechtsvorschriften der Besatzungsmächte - herausgegeben vom Juristischen Ausschuß der Ministerpräsidenten - Kommissionsverlag Mohr in Tübingen). Aber auch die besonderen Anweisungen der JEIA waren für die in Betracht kommenden Personenkreise rechtlich bindend. Ausfuhrgeschäfte, die gegen die JEIA-Anweisungen verstießen - sei es auch nur gegen einzelne dieser Bestimmungen -, blieben nach den angeführten Militärregierungsgesetzen verboten und unterlagen den Strafbestimmungen dieser Gesetze. Nach der JEIA-Charta sollten die Verantwortlichkeiten der Agentur, sobald es praktisch möglich war, auf deutsche Verwaltungsstellen übertragen werden. Vor und insbesondere nach der Währungsreform hat die JEIA hiervon Gebrauch gemacht und bestimmte Aufgaben der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes übertragen. Bei Beurteilung des Rechtsproblems muß aber beachtet werden, daß sich die Besatzungsbehörden über die JEIA die letzten wichtigsten Entscheidungen in allen Außenhandelsangelegenheiten immer noch vorbehalten hatten.

Unter Würdigung der gesamten Verhältnisse ist der Senat der Ansicht, daß die Belastung, wenn sie auch in ihren Einzelheiten erst einige Wochen später genau festgelegt worden ist, bereits am Bilanzstichtag gegeben war. Der Passivierung der Verpflichtung steht auch § 20 DMBG nicht entgegen. Wie bereits das Finanzamt ausgeführt hat, ist es im Ergebnis ohne Bedeutung, ob die Wollvorräte auf der Aktivseite der Bilanz zu den Anschaffungspreisen (eine RM = eine DM) angesetzt werden, oder zu den Weltmarkt-Stichtagspreisen unter gleichzeitiger Passivierung eines entsprechenden Gegenpostens für die Verpflichtung zur Kalkulation auf der Grundlage der Anschaffungskosten. Nur diese Art der Bilanzierung entspricht dem Wortlaut des DMBG.

Der Senat verbleibt bei den Grundsätzen der Entscheidung I 62/53 U vom 30. Juli 1954. Die Vorentscheidung muß aufgehoben und die Berufung gegen die Einspruchsentscheidung des Finanzamts als unbegründet zurückgewiesen werden.

 

Fundstellen

Haufe-Index 408334

BStBl III 1956, 34

BFHE 1956, 85

BFHE 62, 85

DB 1956, 150

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