Leitsatz (amtlich)
Lehnt das FA einen Antrag auf Gewährung einer Ablösungsvergünstigung gemäß § 199 LAG im Billigkeitswege unter Hinweis auf eine Anweisung der OFD ab, so ist hiergegen die Beschwerde an die OFD gegeben. Auch eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung macht in diesen Fällen die Berufung (jetzt Klage) nicht zulässig, denn es fehlt an einer Sachurteilsvoraussetzung.
Normenkette
AO a.F. § 237; LAG § 199
Tatbestand
Streitig ist, ob der Antrag auf Gewährung der Ablösungsvergünstigung für einen am 30. September 1949 zurückgezahlten Teilbetrag einer Umstellungsgrundschuld zu Recht abgelehnt worden ist.
Der Rechtsvorgänger des Abgabeschuldners hat am 30. September 1949 einen Teilbetrag der Umstellungsgrundschuld vorzeitig abgelöst. Mit Schreiben vom 27. Dezember 1958 hat er beantragt, ihm einen Teilbetrag dieser damals geleisteten außerplanmäßigen Tilgungsbeträge auf Grund des BdF-Erlasses IV C/4 - LA 2831 - 33/57 vom 6. März 1957 - Grünland-Betriebsaktion - (LA-Kartei § 203 Abs. 5 Karte 16) zu erlassen und den "zuviel gezahlten" Betrag zu erstatten. Das FA hat diesen Antrag mit Bescheid vom 9. Januar 1959 abgelehnt. Die Beschwerde blieb ohne Erfolg. Auch die Berufung gegen die ablehnende Beschwerdeentscheidung der OFD war erfolglos. Das FG ging in seinem Urteil vom 9. Februar 1960 unter Berücksichtigung der Entscheidung des erkennenden Senats III 150/53 S vom 3. Juni 1955 (BFH 61, 121, BStBl III 1955, 245) davon aus, daß HGA und Umstellungsgrundschuld nicht identisch seien und daher als fällige Leistungen nur solche in Betracht kommen könnten, die bei Inkrafttreten des LAG weder erbracht noch fällig gewesen seien. Es sei daher auch nicht möglich, die vor Inkrafttreten des LAG auf die Umstellungsgrundschulden entrichteten Leistungen nachträglich zu Leistungen auf die HGA zu machen. Der Abgabeschuldner könne daher auch nicht die Vergünstigung nach dem oben genannten BdF-Erlaß vom 6. März 1957 in Anspruch nehmen. Da der Abgabepflichtige sonst keine Gründe, die einen Erlaß nach § 131 AO rechtfertigen könnten, vorgetragen habe, habe die OFD den beantragten Erlaß zu Recht abgelehnt. Dieses Urteil des FG wurde rechtskräftig.
Mit Schreiben vom 5. Dezember 1963 beantragte der Rechtsnachfolger des Abgabeschuldners unter Hinweis auf das Urteil des erkennenden Senats III 176/61 S vom 23. August 1963 (BFH 77, 605, BStBl III 1963, 541), ihm die Ablösungsvergünstigung gemäß § 199 LAG für den am 30. September 1949 getilgten Teilbetrag zu gewähren. Er begründete sein Begehren damit, daß durch diese Entscheidung das frühere Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) III 150/53 S vom 3. Juni 1955 (a. a. O.) aufgehoben sei und damit auch die Rechtsgrundlage für das FG-Urteil vom 9. Februar 1960 in Wegfall gekommen sei.
Das FA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 21. Februar 1964 mit folgender Begründung ab:
Die Entscheidung ergeht auf Anweisung der Oberfinanzdirektion in Übereinstimmung mit dem Bundesminister der Finanzen und den Finanzministern der Länder. Der maßgebliche Stichtag für die Gewährung der Ablösungsvergünstigung soll vom 31.12.1951 auf den 20.1.1951, den Tag der Einbringung des Gesetzentwurfes, vorverlegt werden. Eine entsprechende Änderung des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 19.9.1955 - IV C/5 - LA 2611 - 11/55 - [LA-Kartei vor § 129 Karte 10] wird demnächst erfolgen. Da die Rückzahlung bereits am 30.9.1949 erfolgt ist, muß der Antrag abgelehnt werden.
Die Rechtsmittelbelehrung beginnt mit dem Satz: "Gegen diese Entscheidung ist, da sie im Einverständnis mit der Oberfinanzdirektion ergeht, die Berufung an das Finanzgericht zulässig." Auf Grund der dem Antrag beigefügten Rechtsmittelbelehrung legte der Rechtsnachfolger des Abgabeschuldners Berufung ein. Die Berufung blieb ohne Erfolg. Die Vorinstanz hielt die Berufung zwar für zulässig, da der Antrag nicht auf Aufhebung des früheren rechtskräftigen Urteils des FG, sondern gegen einen neuen ablehnenden Bescheid gerichtet sei. Die Vorinstanz hielt die Berufung jedoch mit Rücksicht auf die materielle Rechtskraft des früheren FG-Urteils für unbegründet. Die Rechtskraft des früheren FG-Urteils würde nur dann einer erneuten gerichtlichen Überprüfung des Sachverhalts nicht entgegenstehen, wenn eine Änderung der tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse vorläge. Das sei aber unstreitig nicht der Fall. Es handle sich um denselben Sachverhalt wie in dem früheren FG-Urteil. Es sei auch keine Veränderung der gesetzlichen Vorschriften eingetreten. Sie liege bei einer Änderung der Rechtsprechung nicht vor.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die von dem Rechtsnachfolger des Abgabeschuldners (= Revisionsklägers) hiergegen eingelegte Rechtsbeschwerde, die nach der am 1. Januar 1966 in Kraft getretenen FGO als Revision zu behandeln ist, führt aus Verfahrensgründen zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung.
Bei der Entscheidung des FA über den Antrag des Revisionsklägers, ihm nachträglich die Ablösungsvergünstigung gemäß § 199 LAG für die vorzeitige Ablösung eines Teilbetrages der Umstellungsgrundschuld im Billigkeitsweg zu gewähren, handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Nach § 237 AO a. F. war gegen derartige Verfügungen die Beschwerde an die OFD gegeben. Von dieser Möglichkeit wurde im Streitfall nicht Gebrauch gemacht. Ein Beschwerdeverfahren ist nicht durchgeführt worden und eine Beschwerdeentscheidung ist demgemäß nicht ergangen. Damit fehlt es an einer notwendigen Voraussetzung für das finanzgerichtliche Verfahren. Daß das FA vor seiner Entscheidung die Zustimmung der OFD eingeholt und in der Rechtsmittelbelehrung zum Ausdruck gebracht hat, daß mit Rücksicht auf die Zustimmung der OFD als Rechtsbehelf unmittelbar die Berufung zum FG gegeben sei, ist ohne Bedeutung. Eine unmittelbare Anrufung des FG war unter diesen Umständen nicht möglich (siehe hierzu auch die BFH-Urteile I 136/57 U vom 24. Juni 1959, BFH 69, 209, BStBl III 1959, 340, und III 365/59 U vom 16. Februar 1962, BFH 74, 548, BStBl III 1962, 204). Das Fehlen der Beschwerdeentscheidung ist kein Verfahrensmangel, der nur auf Rüge hin zu berücksichtigen wäre (§ 118 Abs. 3 FGO). Ob der Verwaltungsrechtsweg ausgeschöpft ist oder nicht, muß der BFH von Amts wegen prüfen, weil die ordnungsmäßige Durchführung des außergerichtlichen Vorverfahrens Sachurteilsvoraussetzung ist. Da die Vorentscheidung gegen diese Verfahrensgrundsätze verstößt, war sie aufzuheben.
Die OFD, die nunmehr über die Beschwerde gegen den Ablehnungsbescheid des FA vom 21. Februar 1964 zu befinden haben wird, ist an einer erneuten Entscheidung des Sachverhalts entgegen der Meinung der Vorinstanz nicht durch das rechtskräftige Urteil des FG vom 9. Februar 1960 gehindert. Das ergibt sich eindeutig aus der Begründung des Ablehnungsbescheids. Diese befaßt sich nur mit der Ablehnung der Ablösungsvergünstigung gemäß § 199 LAG; der Streitgegenstand ist daher ein anderer als derjenige des 1. Verfahrens, bei dem es um die Gewährung eines Billigkeitserlasses auf Grund der sogenannten Grünland-Betriebsaktion ging. Damit hat das FA eine neue Sachentscheidung getroffen, die selbständig anfechtbar ist.
Der erkennende Senat hat in dem schon wiederholt erwähnten Urteil III 176/61 S vom 23. August 1963 (a. a. O.) ausgeführt, daß zwar der Ablösungsvergünstigung des § 199 LAG keine Rückwirkung zukomme, daß aber die benachteiligende Behandlung derjenigen Schuldner, die unter der Herrschaft des Hypothekensicherungsgesetzes (HypSichG) Umstellungsgrundschulden ganz oder teilweise abgelöst haben, in ungerechtfertigter Weise benachteiligt sind und daß zum Beispiel bei der Prüfung, ob ein Erlaß nach § 131 AO insoweit in Betracht kommen kann, die Unbilligkeit in der Sache selbst liege. In diesem Zusammenhang hat der Senat geprüft, von welchem Zeitpunkt ab sich die objektiv günstigere Regelung im LAG gegenüber dem HypSichG als Unbilligkeit darstellt. Er kam zu dem Ergebnis, daß die Unbilligkeit in der Sache grundsätzlich den ganzen Zeitraum vom 1. Juli 1948 bis 31. August 1952 umfaßt (BFH-Urteil III 176/61 S, a. a. O., hier: BStBl III 1963, 542, rechte Spalte, vorletzter Absatz).
Im Hinblick darauf, daß sich der Abgabeschuldner zur Stützung seiner Rechtsauffassung auch auf die weiteren Ausführungen des erkennenden Senats in dem vorgenannten Urteil III 176/61 S (a. a. O.) und die darin gemachten Ausführungen über die Bindung der Vorinstanz im Falle der Zurückweisung an das FG zu eigen gemacht hat, wird bemerkt, daß diese Ausführungen des Abgabeschuldners im Streitfall neben der Sache liegen. Es handelte sich bei der Vorentscheidung nicht um die Überprüfung desselben Sachverhalts nach Aufhebung seines Urteils durch den BFH und der Zurückverweisung der Sache an das FG, sondern um einen anderen Streitgegenstand, wie oben bereits ausgeführt wurde.
Fundstellen
Haufe-Index 68422 |
BStBl II 1969, 204 |
BFHE 1969, 411 |