Leitsatz (amtlich)
Verkauft ein Spediteur, der auch mit eigenen Fernlastzügen das Frachtgeschäft betreibt (sog. Kraftwagenspediteur), seine Fernlastzüge an verschiedene Erwerber und betreut er in der Folgezeit seine bisherigen Kunden über die Spedition unter Einschaltung fremder Frachtführer weiter, so liegt weder eine Teilbetriebsveräußerung noch eine Teilbetriebsaufgabe vor.
Orientierungssatz
Ein Gewerbebetrieb oder Teilbetrieb ist nur dann aufgegeben, wenn der bisherige Geschäftszweck --wirtschaftlich betrachtet-- nicht mehr weiterverfolgt wird.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 3
Tatbestand
Streitig ist, ob in der Veräußerung von fünf LKW nebst Fernverkehrsgenehmigung durch einen Spediteur und Frachtführer, der die Spedition weiterbetreibt, eine Teilbetriebsaufgabe zu sehen ist.
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Inhaber eines Einzelunternehmens, das seit 1949 ein Speditionsgeschäft betreibt. Um Speditionsaufträge selbst ausführen zu können, nahm die Firma seit 1953 auch das Frachtgeschäft auf. Zwischen 1953 und 1956 erwarb der Kläger fünf Fernlastzüge sowie die für den Güterfernverkehr erforderlichen fünf Fernverkehrskonzessionen. In geringem Umfang betrieb er daneben mit einem Kleinlastwagen auch Güternahverkehr. Eine strenge buch- und bilanzmäßige Trennung der drei Geschäftszweige nach Kosten und Erlösen wurde nicht durchgeführt. Vielmehr wurden die Kosten gleichen Charakters jeweils in einer Kostengruppe zusammengefaßt. Dementsprechend wurde weder in den Bilanzen für 1970 und 1971 noch in den Gewinn- und Verlustrechnungen dieser Jahre eine Trennung nach Betriebszweigen vorgenommen, sondern Aufwendungen und Erträge nach sachlichen Gesichtspunkten zusammengefaßt (u.a. Personalkosten, Abschreibungen auf das Anlagevermögen und das Umlaufvermögen, Raumkosten, Kosten des Fuhrparks, Betriebskosten). Soweit in der Gewinn- und Verlustrechnung 1971 eine Aufteilung der Speditionserlöse nach Betriebszweigen vorgenommen wurde, erfolgte diese im Hinblick auf die unterschiedliche umsatzsteuerliche Behandlung.
Die Eingangs- und Ausgangsrechnungen für das gesamte Unternehmen wurden in der Speditionsabteilung nach Geschäftsbereichen (Spedition, Güternahverkehr und Güterfernverkehr) getrennt erfaßt und entsprechend gekennzeichnet, bevor sie abgerechnet und an die Buchhaltung weitergeleitet wurden. Für die Fahrer der fünf Fernlastzüge, die ausschließlich im Güterfernverkehr eingesetzt wurden, führte die Buchhaltung getrennte Lohnunterkonten. Für die Fernlastzüge wurden jeweils gesonderte Konten für Reparaturen und Betriebskosten geführt sowie regelmäßig fortgeschriebene Einsatzlisten, aus denen sich die jeweiligen Fahrtstrecken und das Ladegut ergaben; diese dienten dazu, die vorab dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) zu meldenden Umsatz- und Straßengüterverkehrsteuern zu berechnen.
Im Sommer 1971 wurde dem Kläger das bisher von ihm gemietete Betriebsgrundstück R-Straße ... zum Kauf angeboten. Um die finanziellen Mittel dafür aufbringen zu können, entschloß sich der Kläger, den Güterfernverkehr aufzugeben und seine Fernlastzüge zu veräußern. Im Juli und August 1971 verkaufte der Kläger deshalb innerhalb von fünf Wochen seine im Fernverkehr eingesetzten fünf LKW sowie die dazugehörigen Konzessionen jeweils mit behördlicher Genehmigung an verschiedene selbständige Frachtführer außerhalb H.. Seine bisherigen Kunden im Fernfrachtverkehr betreute er zum Teil über die Spedition --unter Einschaltung fremder Frachtführer-- weiter. Den Gewinn aus der Veräußerung der Fernlastzüge und Konzessionen in Höhe von 245 502 DM investierte der Kläger wieder in seinem Unternehmen. Er erwarb das Betriebsgrundstück, errichtete eine Lagerhalle und erweiterte seinen Betrieb um das Lagergeschäft. Basierend auf diesen Strukturveränderungen, baute er in den Folgejahren sodann den Güternahverkehr mit Spezialfahrzeugen aus.
Das FA lehnte es ab, den durch die Veräußerung der fünf LKW entstandenen Gewinn als Veräußerungsgewinn i.S. §§ 16, 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen und erließ einen dementsprechenden gesonderten Gewinnfeststellungsbescheid. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Es sah den Verkauf der LKW als Teilbetriebsaufgabe an und änderte den Feststellungsbescheid vom 17.Januar 1979 dahingehend, daß der laufende Gewinn für das Kalenderjahr 1971 auf 205 490 DM und der Veräußerungsgewinn i.S. § 16 EStG auf 245 602 DM festgestellt wird.
Zur Begründung führte das FG im wesentlichen aus, daß trotz nicht eindeutiger personeller und organisatorischer Abgrenzung des Bereichs Fernverkehr von den sonstigen betrieblichen Aktivitäten die Fernverkehrssparte als Teilbetrieb anzusehen sei. Das FG ist der Auffassung, daß nach der von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) entwickelten, sich ständig verfeinernden Definition ein Teilbetrieb nur noch als völlig selbständig wirtschaftender, kalkulierender, personell besetzter Betrieb mit eigenem Anlage- und Umlaufvermögen, mit eigener Buchhaltung und eigenem Kundenstamm --gewissermaßen als ein in sich geschlossener Gesamtbetrieb-- denkbar ist, der kaum noch Bezüge zu den anderen selbständigen Betrieben desselben Unternehmers habe. Diese Abgrenzung werde der Absicht des Gesetzgebers nicht mehr gerecht, die darin liege, langfristig angesammelte betriebliche stille Reserven, die durch die Veräußerung in einem Zuge aufgedeckt würden, nicht mit dem vollen Steuersatz zu erfassen, sondern zu begünstigen und dadurch Umstrukturierungsmaßnahmen zu erleichtern. Insbesondere könne, wenn äußerlich abgrenzbare Betätigungen gegeben seien, die technisch gemeinsame Abwicklung der Buchführung die Abgrenzbarkeit und Lebensfähigkeit eines Teilbetriebs nicht beseitigen oder beeinflußen. In vorliegendem Falle seien Spedition einerseits und Frachtführer andererseits schon nach handelsrechtlicher Systematik verschiedene Geschäfte. Daß der Kläger beides in einer Hand geführt habe, ändere nichts daran, daß es sich um grundsätzlich andersartige Tätigkeiten handle.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 16 EStG. Es macht geltend, daß das FG von der ständigen Rechtsprechung des BFH abgewichen sei. Das FG habe zu Unrecht aus der Genehmigungspflicht des Güterfernverkehrs gefolgert, daß es sich dabei um eine "vom übrigen Frachtverkehr abgehobene gesondert zu regelnde Verkehrsart handelt" und deshalb einen Teilbetrieb bejaht. Damit befinde sich das FG in Widerspruch zum Urteil des BFH vom 20.Februar 1974 I R 127/71 (BFHE 111, 499, BStBl II 1974, 357). Dort habe der BFH ausdrücklich in dem Genehmigungsverfahren für den Güterfernverkehr keine solchen Besonderheiten gesehen, die ihm im Gegensatz zum Güternahverkehr bereits aus sich heraus den Charakter eines Teilbetriebs geben müßten.
Das FA beantragt die Aufhebung der Vorentscheidung und die Abweisung der Klage.
Der Kläger beantragt die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Er legt dar, daß die Bereiche Güterfernverkehr und Güternahverkehr nicht vermischt worden seien. Die Fernlastzüge seien ausschließlich für den Fernverkehr eingesetzt und durch besonderes Personal betrieben worden. Im übrigen sei das Urteil des BFH in BFHE 111, 499, BStBl II 1974, 357 auf den vorliegenden Fall deshalb nicht anwendbar, weil es bei jenem Verfahren um die Abgrenzung Güternahverkehr-Güterfernverkehr gegangen sei, es sich im vorliegenden Fall hingegen um die Abgrenzung Spedition zu Güterfernverkehr handle. Er weist schließlich darauf hin, daß das Fehlen einer Kostenrechnung für einzelne Teilbereiche kein Kriterium für die Voraussetzung eines Teilbetriebs sein könne, da die Abgrenzung bereits aus der völlig anders gearteten Tätigkeit des Teilbetriebs Güterfernverkehr im Verhältnis zum Gesamtbetrieb geschlossen werden könne (vgl. Urteil des BFH vom 4.Juli 1973 I R 154/71, BFHE 110, 245, BStBl II 1973, 838).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung zur Abweisung der Klage.
Selbst wenn man mit dem FG den Unternehmensbereich Güterfernverkehr im Verhältnis zum Güternahverkehr als Teilbetrieb ansehen würde, wäre dieser im Streitjahr weder veräußert noch aufgegeben worden.
Eine Betriebsveräußerung ist schon deshalb zu verneinen, weil die fünf LKW nach und nach an verschiedene Erwerber verkauft wurden. Gegenstand jedes einzelnen Vertrags war nicht die Veräußerung eines Betriebs, sondern eines einzelnen Fahrzeugs. Eine derartige Gestaltung kann nicht als Betriebsveräußerung, sondern allenfalls --beim Hinzutreten weiterer Voraussetzungen-- als Betriebsaufgabe gewertet werden (Herrmann/Heuer/Raupach, Einsteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 16 EStG Rz.113; Schmidt, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 7.Aufl., § 16 Anm.21; vgl. auch das zur Umsatzsteuer ergangene Urteil des BFH vom 3.Juni 1976 V R 164/71, nicht veröffentlicht).
Auch eine Betriebsaufgabe liegt indes nicht vor. Denn der Kläger hat den Funktionsbereich Güterfernbeförderung auch nach dem Verkauf der LKW's weitergeführt.
Die Speditions- und Frachtführertätigkeiten des Klägers waren bis zum Streitjahr eng miteinander verknüpft. Nach den vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen, an die der Senat gebunden ist, nahm der Kläger, um Speditionsaufträge selbst ausführen zu können, seit 1953 auch das Frachtgeschäft auf und betreute 1971 nach Veräußerung der im Fernverkehr eingesetzten fünf LKW's seine bisherigen Kunden im Fernfrachtverkehr zum Teil über die Spedition unter Einschaltung fremder Frachtführer weiter. Gemäß § 412 des Handelsgesetzbuches (HGB) hatte der Kläger mithin bis zur Veräußerung der LKW's zugleich die Rechte und Pflichten eines Spediteurs und die eines Frachtführers. Als selbstbefördernder Spediteur (sog. Kraftwagenspediteur; vgl. Helm in Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, 3.Aufl., 1980, §§ 407 bis 409 Anm.1 b) galt für ihn das Frachtführerrecht (vgl. auch Baumbach/Duden, Handelsgesetzbuch, 24.Aufl., § 407 Anm.1; Entscheidung des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 25.Oktober 1962 II ZR 39/61, BGHZ 38, 150, 154). Durch die Veräußerung der LKW veränderte sich bezüglich der vom Kläger weiter betreuten Kunden lediglich die Art seiner Dienstleistung, nicht dagegen deren Ergebnis. War es als Frachtführer Aufgabe des Klägers, "die Beförderung von Gütern ... auszuführen" (§ 425 HGB), so oblag es ihm als Spediteur, "die Güterversendung durch Frachtführer ... in eigenem Namen zu besorgen" (§ 407 HGB). In beiden Fällen bewirkte er --bis 1971 unmittelbar, sodann durch Einschaltung anderer Frachtführer--, daß im Auftrag der Kunden ein Gut von einem Ort an einen anderen verbracht wurde. Da stets nur zwischen dem Versender und dem Kläger, nicht dagegen zwischen dem Versender und dem (dritten) Frachtführer oder anderen an der Ausführung der Transporte beteiligten Personen Rechtsbeziehungen bestanden (Helm, a.a.O., Anm.7), war die Stellung der Kunden bei beiden Gestaltungen nahezu gleich. Der Speditionsvertrag unterscheidet sich vom Frachtvertrag lediglich dadurch, daß der Spediteur keine Beförderungspflicht übernimmt (Helm, a.a.O., Anm.4 aa), sich aber vor Übernahme des Auftrags vergewissern muß, ob der Auftrag ausführbar sein wird (Helm, a.a.O., Anm.41).
Angesichts dieser wirtschaftlichen Gleichartigkeit beider Gestaltungen steht die Weiterbetreuung der bisherigen Kunden nach Verkauf der LKW einer Betriebsaufgabe entgegen. Denn ein Gewerbebetrieb oder Teilbetrieb ist nur dann aufgegeben, wenn der bisherige Geschäftszweck --wirtschaftlich betrachtet-- nicht mehr weiterverfolgt wird. Hieran fehlt es, wenn das Angebot an den Kundenkreis vom wirtschaftlichen Gehalt her gleichbleibt und nur in einer anderen rechtlichen Gestalt erscheint.
Fundstellen
Haufe-Index 62210 |
BFH/NV 1989, 14 |
BStBl II 1989, 357 |
BFHE 155, 318 |
BFHE 1989, 318 |
BB 1989, 1675-1676 (LT1) |
DB 1989, 859-860 (LT) |
DStR 1989, 213 (KT) |
HFR 1989, 302 (LT) |