Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer
Leitsatz (amtlich)
Steuerschulden, die erst nach Ablauf von 12 Monaten seit der Festsetzung und Zahlungsaufforderung getilgt wurden und demgemäß Dauerschulden geworden sind, dürfen bei der Ermittlung des Gewerbekapitals nicht schon einem Einheitswert des Betriebsvermögens hinzugerechnet werden, dessen Stichtag vor dem Zeitpunkt der Festsetzung der Steuerschuld liegt. Soweit sich aus dem Urteil des Bundesfinanzhofs I 197/57 S vom 11. August 1959 (BStBl 1959 III S. 428, Slg. Bd. 69 S. 447) eine andere Auffassung ergibt, wird sie aufgegeben.
Normenkette
GewStG § 8 Ziff. 1, § 12 Abs. 2 Ziff. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1953 abgezogene Steuerschulden bei der Ermittlung des Gewerbekapitals auf den 1. Januar 1953 nach § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG 1953 wieder hinzuzurechnen sind.
Das Finanzamt erließ gegen die Rechtsvorgängerin der Steuerpflichtigen - eine Aktiengesellschaft - am 17. November 1959 einen auf § 35 b GewStG gestützten Gewerbesteuermeßbescheid für 1953. Bei Ermittlung des Gewerbekapitals zum 1. Januar 1953 rechnete es dem auf den 1. Januar 1953 festgestellten Einheitswert des Betriebsvermögens Steuerschulden in Höhe von 61.880 DM hinzu, die auf Grund einer Betriebsprüfung erstmals im Januar 1958 festgesetzt worden waren. Im Einheitswertbescheid zum 1. Januar 1953 waren diese Steuerschulden durch Rückstellungen berücksichtigt. In dem erfolglos gebliebenen Einspruch vertrat die Steuerpflichtige die Ansicht, die Steuerschulden seien erst dem Einheitswert zuzurechnen, an dessen Feststellungszeitpunkt sie Dauerschulden geworden seien, d. h. nach Ablauf von 12 Monaten seit der Zahlungsaufforderung. Die Berufung hatte Erfolg; das Finanzgericht, dessen Urteil in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1961 S. 65 Nr. 80 veröffentlicht ist, trat der Auffassung der Steuerpflichtigen bei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts ist unbegründet.
Der Senat hat im Urteil I 197/57 S vom 11. August 1959 (BStBl 1959 III S. 428, Slg. Bd. 69 S. 447) entschieden, bei der Einheitsbewertung abgezogene Steuerschulden seien für die Ermittlung des Gewerbekapitals dann als Dauerschulden anzusehen, wenn sie nicht binnen 12 Monaten seit der Zahlungsaufforderung durch das Leistungsgebot getilgt worden seien. Betriebliche Steuerschulden hingen eng mit dem laufenden Geschäftsgang eines Unternehmens zusammen und würden üblicherweise binnen kurzer Frist nach ihrer Festsetzung erfüllt. Dies rechtfertige es, sie für den Regelfall als sogenannte laufende Verbindlichkeiten anzusehen, deren Gegenwert das Betriebskapital nur vorübergehend verstärke. Für die Beurteilung einer Steuerschuld als Dauerschuld würde daher nicht an die kraft Gesetzes entstandene, sondern an die durch Festsetzung und Zahlungsaufforderung konkretisierte Steuerschuld angeknüpft. Eine nur vorübergehende Verstärkung des Betriebskapitals liege dann nicht mehr vor, wenn die Steuerschulden erheblich nach dem durch Verwaltungsakt bestimmten Zahlungszeitpunkt erfüllt würden. Hierbei sei es unerheblich, aus welchen Gründen die mit dem Leistungsgebot angeforderte Steuer nach Ablauf von 12 Monaten nicht erfüllt wurde. Hierbei verbleibt der Senat.
In der Entscheidung wurde aber weiter ausgesprochen, die nicht binnen dieser Frist bezahlten Steuerschulden seien gemäß § 12 Abs. 2 Ziff. 1 GewStG dem Einheitswert als Dauerschulden hinzuzurechnen, bei dessen Festsetzung sie erstmals abgezogen worden seien. Der Senat hält nach erneuter Prüfung der Rechtsfrage an dieser Auffassung nicht mehr fest. Werden die Steuerschulden erst zeitlich nach der Festsetzung zu Dauerschulden, so erscheint es nicht gerechtfertigt, die nicht nur vorübergehende Verstärkung des Betriebskapitals auf einen Zeitraum zurückzubeziehen, der vor ihrer Festsetzung liegt. Die änderung des Charakters der Steuerschuld tritt nach Auffassung des Senats nicht lediglich durch Zeitablauf ein, so daß sich nicht schon auf Grund einer retrospektiven Betrachtung des zwischen ihrer Entstehung nach § 3 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) und ihrer späteren Begleichung abgelaufenen Zeitraums ein von Anfang an bestehender Dauerschuldcharakter ergeben würde, sondern erst durch den für die Konkretisierung der Steuerschuld entscheidenden Akt ihrer Festsetzung durch die Steuerbehörde. Erst diese Festsetzung kann zur Verwandlung des bisherigen Schuldcharakters führen, wenn die Steuerschuld nunmehr nach Ablauf weiterer 12 Monate seit Zahlungsaufforderung nicht bezahlt wird. In einem solchen Fall liegt kein zwingender Grund vor, den Dauerschuldcharakter bzw. die nicht nur vorübergehende Verstärkung des Betriebskapitals bereits auf den Zeitraum zwischen Entstehung der Steuerschuld nach § 3 StAnpG und ihrer Festsetzung durch die Steuerbehörde zurückzubeziehen. Das würde im Streitfall aber geschehen, wenn man der Auffassung des Vorstehers des Finanzamts folgen wollte. Die Rb. war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 410357 |
BStBl III 1962, 222 |
BFHE 1962, 601 |
BFHE 74, 601 |