Leitsatz (amtlich)
1. Die Beförderungsteuerpflicht entsteht bei Überschreitung des Nahzonenbereichs. Es ist unerheblich, ob der Steuerpflichtige auf Grund einer unrichtigen Auskunft des Bürgermeisters seiner Gemeinde annahm, er habe den Nahzonenbereich nicht überschritten.
2. Bei der Berechnung des tkm ist von der tatsächlich durchfahrenen Straßenstrecke auszugehen.
Normenkette
GüKG § 2 Abs. 2; BefStG § 11 Abs. 1 Nr. 2 b
Tatbestand
Der Revisionskläger (Steuerpflichtige – Stpfl. –) betreibt Güternahverkehr. Standort seiner Fahrzeuge war bis zum 21. September 1958 B. Das mit der Revision beklagte Finanzamt (FA) als Beförderungsteuerstelle der Oberfinanzdirektion (OFD) stellte anläßlich einer Betriebsprüfung im November 1960 und einer Beförderungsteuer-Betriebsprüfung im Mai 1961 fest, daß der Stpfl. in den Jahren 1956 bis 1958 in größerem Umfange Zuckerrübentransporte aus dem Raum O. zur Zuckerfabrik S ausgeführt hat.
Das Landesvermessungsamt hatte im Februar 1961 ermittelt, daß die Entfernung in der Luftlinie von S zur Ortsmitte B 54,8 km betrage. Daraufhin betrachtete das FA die Zuckerrübentransporte als im ungenehmigten Güterfernverkehr ausgeführt und unterwarf sie der Beförderungsteuer gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 b BefStG mit einem Steuersatz von 4 Pf. je tkm. Bei der Berechnung der tkm ging das FA von der Eisenbahntarifentfernung zwischen Belade- und Entladestelle aus; es legte aus Vereinfachungsgründen als Beförderungsstrecke für die Fahrten eine Durchschnittsentfernung von 80 km zugrunde. Mit Bescheiden vom 15. Juli 1961 setzte das FA für 1956 4 094,40 DM, für 1957 3 763,20 DM und vom 1. bis zum 21. September 1958 542,40 DM (zusammen 6 400 DM) Beförderungsteuer fest. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Im Berufungsverfahren legte der Stpfl. eine Bescheinigung des Amtes P vor. Nach ihr hat der Bürgermeister der Gemeinde B dem Stpfl. etwa im Jahre 1956 auf Befragen eine Landkarte vorgelegt, auf der die eingezeichnete Nahverkehrszone für den Standort B unmittelbar an die Stadt S grenzte. Das Amt P hat ferner im September 1957 einem ebenfalls in B tätigen Fuhrunternehmer eine Bescheinigung erteilt, wonach S im Bereich der Nahzone des Ortes B liegt.
Der Stpfl. trug weiter vor, die Fachvereinigung Güternahverkehr habe ihm erklärt, daß S vom Mittelpunkt des Standorts von B aus noch im Bereich der Nahzone gelegen sei. Auch anläßlich wiederholter Verkehrskontrollen, bei denen einmal auch ein Angestellter der Bundesanstalt für Güterfernverkehr zugegen gewesen sei, seien seine Transporte nicht beanstandet worden. Er habe im guten Glauben gehandelt und sei erst im Laufe des Kalenderjahres 1958 von einer Firma darauf aufmerksam gemacht worden, daß S nicht mehr im Nahzonenbereich des Ortes B gelegen sei. Er habe daraufhin seinen Standort verlegt.
Das Finanzgericht (FG) hat die Berufung als unbegründet zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, die Festsetzung und öffentliche Bekanntgabe der Nahzone durch die untere Verkehrsbehörde sei kein rechtsgestaltender Verwaltungsakt und binde die Finanzbehörde nach ständiger Rechtsprechung nicht. Die Auskunft des Bürgermeisters der Gemeinde aus dem Jahre 1956 sei deshalb für die Finanzbehörde unverbindlich, abgesehen davon, da der Bürgermeister nicht untere Verkehrsbehörde sei. Auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben brauche die Finanzbehörde sich nicht an die sachlich unrichtige Auskunft gebunden zu fühlen; denn sie sei nicht von einem zuständigen und zeichnungsberechtigten Beamten der Finanzbehörde erteilt worden.
Zur Begründung der gegen das FG-Urteil eingelegten Rb. beruft sich der Stpfl. auf sein früheres Vorbringen. Zusätzlich trägt er vor, Luftvermessungen seien immer ungenau; er bestreite, daß S außerhalb des Bereichs der Nahzone des Standorts B liege. Das FA habe bis zur Beförderungsteuer-Betriebsprüfung die beförderungsteuerrechtliche Behandlung niemals beanstandet. Der Stpfl. habe alles ihm Mögliche und Zumutbare getan, um sich über die Nahzone des Standorts B zu informieren.
Im September 1962 hat das Landesvermessungsamt dem FA mitgeteilt, die Entfernung in der Luftlinie vom Ortsmittelpunkt S zum Ortsmittelpunkt B betrage 50,4 km; die frühere Bescheinigung beruhe auf einem technischen Versehen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist gemäß § 184 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO in Verbindung mit § 286 AO alter Fassung und §§ 115 ff. FGO als Revision zu behandeln. Die Revision ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen, weil die Steuerberechnung auf einer unrichtigen Grundlage beruht.
S lag vom Mittelpunkt des Standorts B aus nicht innerhalb der Nahzone, wie das Landesvermessungsamt im September 1962 erneut festgestellt hat. Die Transporte über den Nahzonenbereich hinaus unterliegen der Beförderungsteuer. Ohne Rechtsverstoß hat das FG festgestellt, daß die Auskunft des Bürgermeisters der Gemeinde B aus dem Jahre 1956, wonach S innerhalb der Nahzone des Standortes B liegt, für die Finanzverwaltung nicht verbindlich ist. Selbst wenn der Bürgermeister bzw. das Amt P die untere Verkehrsbehörde und somit für die Feststellung und Bekanntgabe der Nahzone zuständig gewesen wäre, wäre die Finanzverwaltung an eine unrichtige Festsetzung und Bekanntgabe nicht gebunden. Der Gesetzgeber hat im § 2 Abs. 2 des Güterkraftverkehrsgesetzes (GüKG) selbst festgelegt, welches Gebiet die Nahzone umfaßt. Die Feststellung der Nahzone und ihre Bekanntgabe durch die Verkehrsbehörden sind somit keine rechtsbegründenden Verwaltungsakte. Nur an solche Verwaltungsakte ist die Finanzbehörde nach ständiger Rechtsprechung gebunden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – II 20/60 U vom 24. Juli 1963, BFH 77, 209; BStBl III 1963, 396; II 201/57 S vom 20. Juli 1961, BFH 73, 413; BStBl III 1961, 418; II 144/61 vom 24. Juni 1964, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung – HFR – 1964 S. 369 Nr. 333). Die Grundsätze der Richtigkeit und Gleichmäßigkeit der Besteuerung sowie der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung erheischen, daß die Steuern der tatsächlichen Sachlage gemäß festgesetzt werden. Ohne Rechtsirrtum ist das FA davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 Nr. 2 b BefStG wegen Überschreitung des Nahzonenbereichs im Streitfall gegeben sind. Der gute Glaube des Stpfl., daß er sich mit seinen Transporten in der Nahzone gehalten habe, hindert die Entstehung der Beförderungsteuer nicht. Die Beförderungsteuer knüpft allein an die objektive Verwirklichung des gesetzlichen Steuertatbestandes an, unabhängig von einem Verschulden des Steuerpflichtigen (vgl. das oben zitierte Urteil des BFH II 144/61).
Die Geltendmachung der Beförderungsteuer für die Jahre 1956 bis 1958 verstößt auch nicht gegen den Grundsatz von Treu und Glauben; denn unstreitig hat das FA dem Stpfl. nicht eine Zusage des Inhalts gemacht, daß die Zuckerrübentransporte als Nahzonentransporte behandelt würden. Aus der Tatsache, daß das FA bis zur Beförderungsteuerprüfung im Mai 1961 die Transporte nicht der Beförderungsteuer unterworfen hat, folgt weder eine solche Zusage des FA noch ein Verzicht auf die gesetzlich entstandene Beförderungsteuer. An Auskünfte eines Berufsfachverbandes ist das FA ebensowenig gebunden, wie an das Ergebnis von Verkehrskontrollen.
Die angefochtene Entscheidung muß jedoch aufgehoben werden, weil das FA bei der Berechnung der Beförderungsteuer gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 2 b BefStG von einem unrichtigen Begriff des tkm ausgeht. Es hat der Streckenberechnung eine durchschnittliche Eisenbahntarifentfernung der Belade- und Entladestelle zugrunde gelegt. Nach dem Urteil des BFH II 141/60 S vom 11. November 1964 (BFH 81, 171; BStBl III 1965, 62), ist jedoch von der tatsächlich durchfahrenen Straßenstrecke auszugehen. Der nochmaligen Überprüfung bedarf es, ob hierbei weiterhin eine Durchschnittsentfernung von 80 km als Beförderungsstrecke zugrunde gelegt werden kann. Im übrigen muß es den Finanzbehörden überlassen bleiben, zu erwägen, ob der weitgehend entschuldbare Irrtum des Stpfl. über den Nahzonenbereich von B mindestens insoweit Anlaß zu Billigkeitsmaßnahmen bieten könnte, als die für den ungenehmigten Güterfernverkehr geltenden Steuersätze die Steuerbelastung für genehmigten Güterfernverkehr übersteigen.
Fundstellen
Haufe-Index 514529 |
BFHE 1966, 70 |