Leitsatz (amtlich)
Die Wohnräume der Hausgenossen eines gemeinnützigen Vereins, der religiöse Ziele verfolgt, sind nicht von der Grundsteuer befreit.
Normenkette
GrStG 1951 § 4 Nr. 5c, § 5 Nrn. 2, 4
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist eine christliche Gemeinschaft in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins. Er ist aufgrund seiner Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung als gemeinnützig anerkannt.
Der Kläger unterhält eine Missionssiedlung. Mit dieser Missionssiedlung ist eine Missionsschule verbunden, in der der theologische Nachwuchs des Klägers herangebildet wird. Die geschlossene Siedlung bestand aus zehn Gebäuden, u. a. einem Kirchengebäude, drei zweigeschossigen Wohnheimen, einem Wirtschaftsgebäude und einem Werkstattgebäude mit Wohnetage.
Durch bestandskräftigen Feststellungsbescheid zum 1. Januar 1965 waren nur Teile der Gebäude Nr. 1 und 1 A bewertet worden, die den Hausgenossen als Wohnräume dienten. Der übrige Grundbesitz (Gebäude sowie gesamter Grund und Boden) war nicht bewertet worden, weil er nach § 4 Nr. 3 b und § 5 Nr. 2 c des Grundsteuergesetzes (GrStG) von der Grundsteuer befreit sei.
Aufgrund einer Flächenänderung und einer weiteren Bebauung des Grundstücks war zum 1. Januar 1967 eine Wertfortschreibung veranlaßt. Dabei sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Gebäude und Gebäudeteile, die den Missionsschülern als gemeinschaftliche Wohnräume und den Lehrern als Bereitschaftsräume dienten, nicht mehr als grundsteuerbefreit an, nachdem die zuständige Landesregierung die Notwendigkeit der Unterbringung der Schüler in gemeinschaftlichen Wohnräumen zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe nicht anerkannt hatte. Der Kläger ist dagegen der Meinung, die Grundsteuerbefreiung dürfe nicht von der Rechtsform einer religiösen Gemeinschaft abhängig gemacht, sondern sie müsse durch die Aufgabe bestimmt werden. Danach müsse der gesamte Grundbesitz von der Grundsteuer freigestellt werden.
Nach erfolglosem Einspruch hat das Finanzgericht (FG) den Einheitswert herabgesetzt und die Klage im übrigen abgewiesen.
Die Revision des Klägers rügt, das FG habe kirchliche Zwecke und religiöse Zwecke gleichgestellt. Öffentlichrechtliche Religionsgesellschaften hätten zwar gewisse Grundsteuerprivilegien für kirchliche Zwecke. In der Verfolgung der religiösen Zwecke seien aber öffentlichrechtliche und privat-rechtliche Religionsgesellschaften gleichgestellt. Die Verfolgung religiöser Zwecke sei Förderung der Allgemeinheit. Diese Förderung werde nicht durch die Rechtsform berührt, in der sie durchgeführt werde. Die Steuervorteile seien deshalb allein aus der Gemeinnützigkeit abzuleiten und nicht aus der Sonderstellung von öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und den Feststellungsbescheid über den Einheitswert aufzuheben und den Einheitswert auf 0 DM festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Die Grundsteuerbefreiung setzt regelmäßig voraus, daß Grundbesitz
a) eines persönlich begünstigten Eigentümers
b) vom Eigentümer selbst
c) unmittelbar für begünstigte Zwecke
genutzt wird (vgl. § 4 Nr. 1 bis 6 und § 6 GrStG 1951 - im folgenden GrStG -).
2. Der Kläger ist persönlich begünstigter Grundbesitzer, denn er ist ein eingetragener Verein, der als gemeinnützig anerkannt ist. Die persönliche Qualifikation ist jedoch, wie ausgeführt, nur eine von mehreren Befreiungsvoraussetzungen, die sämtlich gegeben sein müssen. Weitere Voraussetzung für die Befreiung des Grundbesitzes des Klägers von der Grundsteuer ist, daß er seinen Grundbesitz für gemeinnützige Zwecke unmittelbar nutzt (§ 4 Nr. 3 b GrStG).
3. Nach § 5 GrStG ist Grundbesitz, der Wohnzwecken dient, nicht als für einen begünstigten Zweck i. S. des § 4 Nr. 1 bis 8 GrStG benutzt anzusehen. Diese Vorschrift gilt ganz allgemein, ohne Rücksicht darauf, welche der persönlichen Befreiungsvoraussetzung der Grundeigentümer erfüllt. Sie betrifft deshalb gleichermaßen Grundbesitz, von öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften wie von privat-rechtlichen Religionsvereinigungen.
4. § 5 GrStG kennt allerdings einige Ausnahmen, die bewirken, daß auch Grundbesitz, der für Wohnzwecke benutzt wird, von der Grundsteuer befreit ist. Das FG hat ohne Rechtsfehler entschieden, daß auf die vom FA als grundsteuerpflichtig angesehenen Teile des Grundbesitzes des Klägers keine dieser Ausnahmevorschriften anwendbar ist.
a) Die von den Missionsschülern bewohnten gemeinschaftlichen Wohnräume können nicht nach § 5 Nr. 2 b GrStG als Wohnräume in Ausbildungsheimen von der Grundsteuer freigestellt werden. Denn nach § 15 Abs. 1 der Grundsteuer-Durchführungsverordnung (GrStDV) ist Voraussetzung für die Grundsteuerbefreiung, daß die Landesregierung die Notwendigkeit der Unterbringung der Schüler in gemeinschaftlichen Wohnräumen zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe anerkennt. Diese Anerkennung erteilte die zuständige Landesregierung nicht. Der Senat kann nicht darüber befinden, ob die Anerkennung zu Recht verweigert wurde; denn insoweit handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der durch die Verwaltungsgerichte auf seine Rechtmäßigkeit überprüft werden müßte. Da die Anerkennung aber Tatbestandsmerkmal der Befreiung ist, fehlt es an den Voraussetzungen des § 5 Nr. 2 b GrStG i. V. m. § 15 Abs. 1 GrStDV.
b) Der als steuerpflichtig angesehene Grundbesitz des Klägers kann auch, soweit er von Missionsschülern bewohnt wird, nicht als Prediger- oder Priesterseminar i. S. des § 5 Nr. 2 c GrStG angesehen werden. Prediger- und Priesterseminare sind Ausbildungsstätten, die der Ausbildung evangelischer und katholischer Geistlicher im pastoralpraktischen Bereich dienen (vgl. Baldus in Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland - HdbStKirchR -, 2. Bd., S. 598, Fußnote 2). Der Ausdruck Prediger- oder Priesterseminar bezieht sich damit eindeutig auf Einrichtungen der evangelischen und der katholischen Kirche.
Der Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) ermöglicht es entgegen der Auffassung des Klägers nicht, den Befreiungstatbestand des § 5 Nr. 2 c GrStG auf den Grundbesitz zu übertragen, der der Ausbildung der Missionsschüler dient. Denn entsprechend den Zugangsvoraussetzungen zum Amt des Geistlichen in der evangelischen und der katholischen Kirche handelt es sich bei Prediger- oder Priesterseminaren um Einrichtungen, die im Zusammenhang mit einer Hochschulausbildung stehen. Der Gleichheitssatz könnte damit allenfalls gebieten, die Befreiung nach § 5 Nr. 2 c GrStG auf vergleichbare, in unmittelbarem Zusammenhang mit einer theologisch-wissenschaftlichen Ausbildung stehende Einrichtungen von privat-rechtlichen Religionsgesellschaften anzuwenden.
Das FG hat unangefochten festgestellt, daß sich die Missionsschüler des Klägers im Alter von 14 bis 21 Jahren befinden. Schon hieraus ergibt sich, daß ihre Ausbildung nicht mit der Ausbildung von Geistlichen in Prediger- und Priesterseminaren verglichen werden kann. Damit kann der Senat unentschieden lassen, ob die Ausdehnung des Begriffs "Prediger- und Priesterseminare" auf andere als öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaften überhaupt möglich wäre.
c) Schließlich können weder die Wohnräume der Lehrer noch die der Hausgenossen im engeren Sinne (das sind Angehörige des Klägers, die nach Abschluß der Ausbildung für die Mission zur Verfügung stehen) nach § 5 Nr. 4 GrStG von der Grundsteuer befreit werden. Dieser Befreiungstatbestand bezieht sich nur auf Bereitschaftsräume, die nicht zugleich die Wohnung des Inhabers des Raumes sind. Die Wohnung im Sinn dieser Vorschrift ist nicht gleichzusetzen mit dem Wohnungsbegriff, wie ihn der Senat für die Abgrenzung von Einfamilienhäusern und Mehrfamilienhäusern entwickelt hat. Für diese Abgrenzung kann als Wohnung nur die Zusammenfassung einer Mehrheit von Räumen angesehen werden, in denen aufgrund ihrer Beschaffenheit die Führung eines selbständigen Haushalts möglich ist (vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. März 1974 III R 11/73, BFHE 112, 198, BStBl II 1974, 403).
Der Wohnungsbegriff i. S. des § 5 Nr. 4 GrStG ist dagegen unter Berücksichtigung des Sinnzusammenhangs mit den Bereitschaftsräumen zu sehen, denen er gegenübergestellt ist. Bereitschaftsräume sind solche, in denen sich Personen für den sofortigen Einsatz während einer bestimmten Zeit des Tages aufhalten müssen. Hieraus folgt, daß ein Bereitschaftsraum nicht der Mittelpunkt des Lebens der sich darin aufhaltenden Personen sein darf. Wird er dadurch zu diesem Mittelpunkt, daß die in dem Bereitschaftsraum befindliche Person keinen anderen wohnlichen Bezugspunkt als den Bereitschaftsraum selbst hat, so handelt es sich bei diesem Raum nicht mehr um einen Bereitschaftsraum, sondern um eine Wohnung i. S. des § 5 Nr. 4 GrStG.
Das FG hat unangefochten festgestellt, daß sämtliche Hausgenossen des Klägers keine andere Wohnung haben, als die Räume, die sie auf dem Grundstück des Klägers innehaben. Damit können diese Räume aber nicht als Bereitschaftsräume angesehen werden, sondern sie sind die Wohnung dieser Hausgenossen (vgl. auch Troll, Grundsteuer, Kommentar, 1974, § 5 Anm. 10).
5. Schließlich kann der Kläger für die Wohnräume seiner Hausgenossen und Lehrer auch nicht die Grundsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 5 c GrStG in der für den Feststellungszeitpunkt maßgebenden Fassung des Gesetzes vom 24. August 1965 (BGBl I 1965, 905, BStBl I 1965, 407) beanspruchen. Dabei kommt es nicht darauf an, daß der Kläger keine öffentlich-rechtliche Religionsgesellschaft ist, denn die von seinen Hausgenossen, Lehrern und Schülern bewohnten Räume sind weder ein Dienstgrundstück noch eine Dienstwohnung i. S. dieser Vorschrift.
a) Ein Dienstgrundstück eines Geistlichen oder Kirchendieners i. S. des § 4 Nr. 5 c GrStG ist nur gegeben, wenn der betreffende Grundbesitz unmittelbar zum Unterhalt des Stelleninhabers bestimmt ist und der Stelleninhaber über Nutzungsart und Verwendung der Erträgnisse befinden kann (BFH-Entscheidung vom 9. Juli 1971 III R 19/69, BFHE 103, 85, BStBl II 1971, 781). Diese Voraussetzungen sind bei den Wohnräumen des Klägers unstreitig nicht gegeben.
b) Eine Dienstwohnung i. S. des § 4 Nr. 5 c GrStG setzt voraus, daß die Wohnung einem mit Dienstbezügen ausgestattetem Stelleninhaber unter Anrechung auf sein Diensteinkommen zur Nutzung überwiesen wird (BFH-Entscheidung vom 16. Mai 1975 III R 54/74, BFHE 116, 176, BStBl II 1975, 746). Auch diese Voraussetzung ist bezüglich der den Hausgenossen und Lehrern überlassenen Wohnräume nicht gegeben.
6. Die Entscheidung des FG entspricht somit im Ergebnis der Rechtslage. Die Revision konnte deshalb keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 73161 |
BStBl II 1979, 524 |
BFHE 1979, 428 |