Leitsatz (amtlich)
Zwei nebeneinanderliegende Eigentumswohnungen, die zu einer Wohnung umgestaltet worden sind und als eine Wohnung genutzt werden, bilden eine wirtschaftliche Einheit des Grundvermögens, wenn sie nach den Verhältnissen am Stichtag nicht ohne größere bauliche Veränderungen voneinander getrennt und veräußert werden können.
Normenkette
BewG 1965 §§ 2, 68 Abs. 1 Nr. 3, §§ 70, 93
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarben das Sondereigentum und die damit verbundenen Miteigentumsanteile an einer Garage und an zwei im 6. Obergeschoß eines Gebäudes geplanten Eigentumswohnungen. Sie ließen die beiden im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht fertiggestellten Wohnungen zu einer Wohnung umgestalten. Küche und Bad der einen Wohnung wurden zu einer Küche vereinigt, während in der für die andere Wohnung geplanten Küche ein Bad eingerichtet wurde. Vom Treppenhaus erhielten die Räume nur einen Zugang.
Das damals zuständige Finanzamt stellte für die beiden Wohnungseigentumsrechte und die Garage zum 1. Januar 1974 (Nachfeststellung) nur einen Einheitswert fest.
Mit der Sprungklage begehrten die Kläger, den Eigentumseintragungen im Grundbuch entsprechend drei gesonderte Einheitswerte festzustellen. Während des finanzgerichtlichen Verfahrens ging die Zuständigkeit auf den jetzigen Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) über.
Das Finanzgericht (FG), dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte 1977 S. 522 (EFG 1977, 522) veröffentlicht ist, wies die Klage ab. Es war der Auffassung, beide Eigentumswohnungen samt Garage seien als eine wirtschaftliche Einheit (§ 2 des Bewertungsgesetzes - BewG - 1965) anzusehen, da sie nicht nur baulich zu einer einheitlichen Wohnung zusammengefaßt seien, sondern auch in dieser umgestalteten Form gemeinsam als Familienwohnung genutzt würden.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung des § 93 Abs. 1 Satz 1 BewG 1965.
Sie tragen vor, das Wohnungseigentum werde nach dieser Vorschrift kraft Gesetzes als besondere wirtschaftliche Einheit behandelt. Daher seien die allgemeinen Vorschriften des § 2 BewG 1965 über die Bestimmung der wirtschaftlichen Einheit nicht anwendbar. Da jede wirtschaftliche Einheit für sich zu bewerten sei (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BewG 1965) und jedes Wohnungseigentum eine wirtschaftliche Einheit bilde (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BewG 1965), seien im Streitfall drei Einheitswerte festzustellen.
Im übrigen bildeten die beiden Wohnungen samt Garage auch nach den allgemeinen Grundsätzen des § 2 BewG 1965 keine wirtschaftliche Einheit. Der Annahme einer wirtschaftlichen Einheit stehe nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vielmehr ihre selbständige Verkaufsfähigkeit entgegen. Es sei beabsichtigt, die Wohnungen später getrennt zu vermieten bzw. auf die beiden Söhne zu übertragen.
Die Kläger beantragen, den Einheitswertbescheid und die Vorentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, das jeweilige Wohnungseigentum gesondert zu bewerten.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Das Wohnungseigentum gehört zum Grundvermögen (§ 68 Abs. 1 Nr. 3 BewG 1965). Jedes Wohnungseigentum bildet eine wirtschaftliche Einheit (§ 93 Abs. 1 Satz 1 BewG 1965) und ist somit als Grundstück i. S. des Bewertungsgesetzes anzusehen (§ 70 Abs. 1 BewG 1965).
Der Sinn und Zweck der Fiktion des § 93 Abs. 1 Satz 1 BewG 1965 besteht darin, den Besonderheiten des Wohnungseigentums bewertungsrechtlich Rechnung zu tragen. Dadurch wird einmal das Wohnungseigentum aus der Einheit des bebauten Grundstücks herausgenommen und diesem gegenüber verselbständigt, zum anderen wird klargestellt, daß das Sondereigentum an der Wohnung und der Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum nicht getrennt, sondern als Einheit zu bewerten sind. Eine weitere Bedeutung kommt dem § 93 Abs. 1 Satz 1 BewG 1965 nicht zu, so daß es daneben möglich ist, vom Gesetz fingierte wirtschaftliche Einheiten nach § 2 BewG 1965 zu einer (größeren) wirtschaftlichen Einheit zusammenzufassen.
Was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, ist nach den Anschauungen des Verkehrs zu entscheiden (§ 2 Abs. 1 Satz 3 BewG 1965). Dabei sind nach § 2 Abs. 1 Satz 4 BewG 1965 die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen. Es sind also neben objektiven Merkmalen auch subjektive Merkmale maßgebend. Das gilt insbesondere für die Zweckbestimmung, die in erster Linie vom Willen des Eigentümers abhängt. Nach der Rechtsprechung des Senats muß allerdings dieser Wille in der äußeren Gestaltung seinen Ausdruck gefunden haben. Außerdem darf der subjektive Wille des Eigentümers nicht zu der Verkehrsauffassung in Widerspruch stehen, weil dann die Verkehrsauffassung als objektives Merkmal ausschlaggebend ist (BFH-Urteile vom 2. Oktober 1970 III R 163/66, BFHE 100, 213, BStBl II 1970, 822; vom 4. Oktober 1974 III R 127/73, BFHE 113, 470, BStBl II 1975, 302). Darüber hinaus kommt es bei der Frage, ob mehrere nebeneinanderliegende und verbundene Eigentumswohnungen eine wirtschaftliche Einheit bilden, entscheidend darauf an, ob die ursprünglich selbständigen Wohnungen nach den Verhältnissen am Stichtag ohne größere bauliche Veränderungen voneinander getrennt werden können und jede für sich veräußert werden kann (vgl. zu ähnlich gelagerten Sachverhalten BFH-Urteile vom 29. November 1963 III 157/61, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964 S. 113; vom 7. Februar 1964 III 230/61 U, BFHE 78, 465, BStBl III 1964, 180; III R 163/66).
2. In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen hat das FG zu Recht angenommen, daß die drei nach bürgerlichem Recht selbständigen Sondereigentumsrechte und die zugehörigen Miteigentumsanteile eine einzige wirtschaftliche Einheit bilden. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG wurden die beiden im selben Geschoß nebeneinanderliegenden Eigentumswohnungen entgegen der ursprünglichen Planung nicht nur baulich zu einer einheitlichen Wohnung zusammengefaßt, sondern auch in dieser umgestalteten Form gemeinsam als Familienwohung genutzt. Die von den Klägern erklärte Absicht, die Wohnungen später getrennt zu vermieten bzw. auf ihre beiden Söhne zu übertragen, kann zum Stichtag 1. Januar 1974 nicht berücksichtigt werden. Entscheidend ist allein, daß die Wohnungen am Stichtag nicht ohne größere bauliche Veränderungen hätten getrennt und einzeln veräußert werden können. Die Räume besitzen nur einen Zugang vom Treppenflur. Durch die Umgestaltung besitzt die eine Wohnung keine Küche, während in der anderen Wohnung das Badezimmer fehlt. Sie können daher bewertungsrechtlich nicht mehr als zwei selbständige Wohnungen angesehen werden und sind somit als wirtschaftliche Einheit zu behandeln. Zu Recht hat das FG auch die Garage als Zubehörraum mit in diese wirtschaftliche Einheit einbezogen (vgl. auch BFH-Urteil vom 16. September 1959 II 94/57 U, BFHE 70, 10, BStBl III 1960, 5) und für die drei Sondereigentumsrechte samt den dazugehörigen Miteigentumsanteilen nur einen Einheitswert festgestellt.
Fundstellen
Haufe-Index 73173 |
BStBl II 1979, 547 |
BFHE 1979, 83 |