Entscheidungsstichwort (Thema)
VGA: Pensionszusage im Jahr der Errichtung der GmbH; vertraglich nicht geregelte private Kfz-Nutzung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Erteilung einer Pensionszusage an den Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft setzt im Allgemeinen die Einhaltung einer Probezeit voraus, um die Leistungsfähigkeit des neu bestellten Geschäftsführers beurteilen zu können. Handelt es sich um eine neu gegründete Kapitalgesellschaft, ist die Zusage überdies erst dann zu erteilen, wenn die künftige wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft verläßlich abgeschätzt werden kann (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
2. Eine vertraglich nicht geregelte private Kfz-Nutzung durch den Geschäftsführer und Ehemann der Alleingesellschafterin einer Kapitalgesellschaft stellt in Höhe der Vorteilsgewährung eine vGA dar. Der Vorteil ist nicht gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG mit 1 v.H. des Listenpreises, sondern nach Fremdvergleichsmaßstäben zu bewerten.
Normenkette
KStG § 8 Abs. 3 S. 2; EStG § 6 Abs. 1 Nr. 4 S. 2, § 8 Abs. 2 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im August 1995 errichtete GmbH. Ihr Geschäftsführer war BS, dessen Ehefrau Alleingesellschafterin einer weiteren GmbH war, die ihrerseits zunächst sämtliche Anteile an der Klägerin hielt. 1996 wurden die Anteile auf einen Treuhänder übertragen.
Nach dem Anstellungsvertrag vom 29. September 1995 erhielt BS u.a. einen gesellschaftseigenen PKW für Dienstfahrten einschließlich Fahrten zwischen Wohnung und Betrieb. Neben einem Gehalt sagte die Klägerin ihm am 30. November 1995 eine Pension in Form einer Altersrente, Invalidenrente und Witwen- und Vollwaisenrente zu.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) ging davon aus, dass der Dienstwagen von BS auch privat genutzt worden sei. Da die geführten Fahrtenbücher nur Zeit- und Ortsangaben, nicht aber Reisezweck und Geschäftspartner enthielten, setzte er entsprechende Aufwendungen als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) an, und zwar ausgehend von der sog. 1 %-Regelung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für jeden Kalendermonat mit 1 v.H. des inländischen Listenpreises des Fahrzeugs. Die Aufwendungen für die Pensionszusage hielt das FA für gesellschaftsrechtlich mitveranlasst, weil diese unmittelbar nach Errichtung der Klägerin vereinbart und keine hinreichende Erprobungszeit abgewartet worden sei.
Die Klage gegen die hiernach geänderten Steuerbescheide blieb erfolglos. Das Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts (FG) vom 9. Dezember 2003 6 K 138/02 ist in Deutsches Steuerrecht/ Entscheidungsdienst (DStRE) 2005, 161 abgedruckt.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.
Sie beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die angefochtenen Steuerbescheide ohne Ansatz der vGA zu ändern.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Dessen bisherige Feststellungen reichen für eine abschließende Entscheidung durch den Senat nicht aus.
1. Unter einer vGA i.S. des § 8 Abs. 3 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) zu verstehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist, sich auf die Höhe des Unterschiedsbetrages gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG auswirkt und in keinem Zusammenhang zu einer offenen Ausschüttung steht. Für den größten Teil der entschiedenen Fälle hat der Senat die Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis angenommen, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahe stehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 16. März 1967 I 261/63, BFHE 89, 208, BStBl III 1967, 626). Ist der begünstigte Gesellschafter ein beherrschender, so kann eine vGA auch dann anzunehmen sein, wenn die Kapitalgesellschaft eine Leistung an ihn oder an eine ihm nahe stehende Person erbringt, für die es an einer klaren, im Voraus getroffenen, zivilrechtlich wirksamen und tatsächlich durchgeführten Vereinbarung fehlt (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. Senatsurteile vom 17. Dezember 1997 I R 70/97, BFHE 185, 224, BStBl II 1998, 545; vom 27. März 2001 I R 27/99, BFHE 195, 228, BStBl II 2002, 111, jeweils m.w.N.). In diesen Fällen indiziert das vom Fremdvergleich abweichende Verhalten der Kapitalgesellschaft und ihres Gesellschafters oder der diesem nahe stehenden Person die Veranlassung im Gesellschaftsverhältnis.
2. a) Wie der Senat wiederholt entschieden hat (vgl. z.B. Senatsurteil vom 24. April 2002 I R 18/01, BFHE 199, 144, BStBl II 2002, 670, m.w.N.), ist davon auszugehen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer neu gegründeten GmbH ihrem Geschäftsführer eine Pension erst dann zusagen wird, wenn er die künftige wirtschaftliche Entwicklung und damit die künftige wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kapitalgesellschaft ebenso wie die Leistungsfähigkeit des neu bestellten Geschäftsführers zuverlässig abzuschätzen vermag. Ohne Erprobung des Geschäftsführers und ohne gesicherte Kenntnis der künftigen Ertragsentwicklung der Kapitalgesellschaft würde eine Pension nicht zugesagt werden.
An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten: Ein noch junges Unternehmen muss sich erst am Markt bewähren. Ein langfristiges finanzielles Engagement zugunsten des Geschäftsführers wie eine betriebliche Altersversorgung muss deshalb sorgfältig bedacht sein. Aufgabe eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ist es, unmittelbar im unternehmerischen Interesse der Körperschaft und damit nur mittelbar im Interesse der Gesellschafter, nicht aber unmittelbar im Interesse einzelner Gesellschafter zu handeln (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 28. November 1991 I R 13/90, BFHE 166, 251, BStBl II 1992, 359).
Allerdings hat der Senat das Erfordernis einer Probezeit bei solchen Unternehmen für verzichtbar gehalten, die aus eigener Erfahrung Kenntnisse über die Befähigung des Geschäftsleiters haben und die die Ertragserwartungen aufgrund ihrer bisherigen unternehmerischen Tätigkeit hinreichend deutlich abschätzen können. Diese Kriterien sind bei einem Unternehmen als erfüllt angesehen worden, das seit Jahren tätig war und lediglich sein Rechtskleid ändert, wie beispielsweise bei Begründung einer Betriebsaufspaltung oder einer Umwandlung (vgl. Senatsurteile vom 29. Oktober 1997 I R 52/97, BFHE 184, 487, BStBl II 1999, 318; vom 18. Februar 1999 I R 51/98, BFH/NV 1999, 1384; vom 18. August 1999 I R 10/99, BFH/NV 2000, 225). Gleichermaßen verhält es sich bei einem sog. Management-buy-out, wenn bisherige leitende Angestellte eines Unternehmens dieses "aufkaufen" und sodann in Gestalt eines anderen Unternehmens fortführen (Senatsurteil in BFHE 199, 144, BStBl II 2002, 670).
b) Das FG hat diese Grundsätze auf den Streitfall angewandt. Es hat dennoch ausgeschlossen, dass ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter unter den Gegebenheiten des Streitfalles bereits am 30. November 1995, knapp drei Monate nach Errichtung der Klägerin, auch einem gesellschaftsfremden Geschäftsführer eine vergleichbare Pension zugesagt hätte. Die Klägerin habe weder vorgetragen, dass sie die Tätigkeit eines anderen Unternehmens rechtlich oder wirtschaftlich fortgeführt habe, noch behauptet, dass sie aus anderen Gründen die Ertragaussichten bereits zu Beginn ihrer Tätigkeit zuverlässig habe einschätzen können. Diese Sachverhaltswürdigung des FG mag nicht zwingend sein. Sie lässt jedoch keine Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze erkennen und ist deswegen aus revisionsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Denn die Klägerin hat nicht in der gebotenen Weise (vgl. § 120 Abs. 3 Nr. 2 Buchst. b der Finanzgerichtsordnung ―FGO―; dazu im Einzelnen z.B. Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 120 Rz. 69 und 72, m.w.N.) gerügt, dass das FG den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt (vgl. § 76 Abs. 1 FGO) oder dass es gegen den klaren Akteninhalt verstoßen habe. Sie rügt lediglich, das FG habe die "feststehenden Tatsachen", also den Akteninhalt unberücksichtigt gelassen und hätte den Sachverhalt abweichend würdigen müssen.
3. a) Ebenso wenig ist es im Ergebnis zu beanstanden, dass das FG die Privatnutzung des BS von der Klägerin überlassenen PKW als vGA behandelt hat. Dabei kann dahinstehen, ob die Klägerin nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG ein ordnungsgemäß geführtes Fahrtenbuch vorgelegt hat und ob ein solcher Fahrtenbuchnachweis überhaupt erforderlich war, um insoweit die Annahme einer vGA auszuschließen. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, dass eine derartige Annahme schon deshalb gerechtfertigt ist, weil es an vorherigen, klaren und eindeutigen Abmachungen zwischen der Klägerin und BS über eine Privatnutzung des PKW gefehlt hat.
b) Allerdings ist die dadurch bedingte vGA nicht mit dem lohnsteuerrechtlichen Wert (1 v.H. des Listenpreises des Fahrzeugs, § 8 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG) zu bewerten. Zwar mag dieser Wert beim Gesellschafter-Geschäftsführer für die einkommensteuerliche Erfassung des Nutzungsvorteils unbeschadet dessen Qualifizierung als Arbeitslohn (§ 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) oder als vGA (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) maßgeblich sein (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 19. Dezember 2003 VI B 281/01, BFH/NV 2004, 488). Im Einzelnen kann dies unbeantwortet bleiben. Denn für die Bewertung der vGA im Rahmen des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG auf der Ebene der Kapitalgesellschaft ist § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG) nicht einschlägig. Der Vorteil ist hier vielmehr ausschließlich nach Fremdvergleichsmaßstäben zu bewerten, was in der Regel zum Ansatz des gemeinen Wertes führt und damit einen angemessenen Gewinnaufschlag einbezieht (vgl. Gosch, Körperschaftsteuergesetz, § 8 Rz. 715). Bei der erforderlich werdenden Schätzung können ―unter Beachtung einer Bandbreite― die marktmäßigen Mietraten eines professionellen Fahrzeugvermieters nur grobe Orientierungspunkte liefern, weil Kapitalgesellschaften im Allgemeinen keine solchen Vermieter sind. Der Nutzungsüberlassende und der Nutzungsempfänger werden deswegen gemeinhin auf Kostenbasis abrechnen und sich etwaige Gewinnaufschläge teilen (vgl. ähnlich Senatsurteil vom 22. Oktober 2003 I R 36/03, BFHE 204, 106, BStBl II 2004, 307, m.w.N. zu Darlehensausleihungen; Gosch, a.a.O.).
4. Die Vorinstanz hat zu dem letzten Punkt eine abweichende Rechtsauffassung vertreten. Ihr Urteil war aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Es fehlen die notwendigen tatsächlichen Feststellungen zu der Wertbestimmung des Vorteils infolge der PKW-Privatnutzung. Diese Feststellungen sind im 2. Rechtsgang nachzuholen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 1349396 |
BFH/NV 2005, 1203 |
BStBl II 2005, 882 |
BFHE 2005, 252 |
BFHE 209, 252 |
BB 2005, 1209 |
BB 2005, 1947 |
DB 2005, 1145 |
DStR 2005, 918 |
DStRE 2005, 735 |
DStZ 2005, 395 |
HFR 2005, 679 |