Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält hinsichtlich der Auslegung des § 1 Abs. 3 Ziff. 1 und 2 GrEStG an dem Urteil II 138/53 U vom 16. Dezember 1953 (Slg. Bd. 58 S. 315, BStBl. 1954 III S. 34) fest.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 3 Ziff. 1, § 1/3/2
Tatbestand
Bei der Gründung einer GmbH mit einem Stammkapital von 50.000 DM übernahm die Beschwerdegegnerin (Bgin.) einen Geschäftsanteil von 49.000 DM und ein Treuhänder für sie den restlichen Geschäftsanteil von 1.000 DM. Am 22. September 1950 übertrug der Treuhänder den Geschäftsanteil von 1.000 DM auf die Bgin. Zum Vermögen der GmbH gehörte Grundbesitz.
Das Finanzgericht stellte die Bgin. von der aus § 1 Abs. 3 Ziff. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) erhobenen Grunderwerbsteuer frei. Es sieht dem Wortlaut nach den Tatbestand dieser Vorschrift als offensichtlich erfüllt an, führt aber aus: Die Rechtsprechung habe die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 3 GrEStG aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten in gewissen Fällen bejaht, auch wenn rechtlich nicht alle Anteile in einer Hand vereinigt werden; sie sehe eine Vereinigung aller Anteile in einer Hand u. a. auch dann als gegeben an, wenn alle Anteile mit Ausnahme wirtschaftlich bedeutungsloser Zwerganteile in einer Hand vereinigt werden. Diese Betrachtung müsse folgerichtig nicht nur bei der Beurteilung von Vorgängen, sondern auch bei der Beurteilung von Zuständen Platz greifen, d. h. auch bei der Prüfung der Frage, ob alle Anteile einer Gesellschaft in einer Hand vereinigt sind. Im Streitfall sei also im Hinblick darauf, daß der restliche Anteil von 1.000 DM unstreitig einen unbeachtlichen Zwerganteil darstelle, davon auszugehen, daß schon vor dem 22. September 1950 alle Anteile der GmbH in der Hand der Bgin. vereinigt waren. Der Zustand, dessen Herbeiführung durch die Vorschrift des § 1 Abs. 3 Ziff. 1 a. a. O. nach dem Gesetzeszweck getroffen werden solle, habe bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise schon vor der übertragung des Zwerganteils auf die Bgin. bestanden.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde, mit der sich der Vorsteher des Finanzamts unter Berufung insbesondere auf das Urteil des Senats II 138/53 U vom 16. Dezember 1953, Slg. Bd. 58 S. 315, Bundessteuerblatt (BStBl.) 1954 III S. 34, gegen die Auffassung des Finanzgerichts wendet, hat Erfolg.
Der Senat hat in dem Urteil vom 16. Dezember 1953 ausgeführt, durch die übertragung des restlichen Anteils (damals auf die Gesellschaft selbst) sei die Vereinigung aller Anteile in der Person der Hauptgesellschafterin herbeigeführt worden und es könne eine Prüfung der Frage, ob durch eine vorhergehende Vereinigung aller Anteile eine an sich gegebene Steuerpflicht aus § 1 Abs. 3 GrEStG ausgeschlossen werde, nur dann in Betracht kommen, wenn schon der vorhergehende Tatbestand eine Vereinigung aller Anteile in einer Hand im Sinne der genannten Vorschrift darstellt. Das treffe aber für die übernahme von Anteilen bei der Gründung der Gesellschaft oder bei einer Kapitalerhöhung nicht zu.
Der Senat hält an dieser auf der Grunderwerbsteuerlichen Betrachtung beruhenden Auffassung fest. Im Rahmen des § 1 Abs. 3 GrEStG interessieren nur die unter diese Bestimmung fallenden Vorgänge. Der Hergang der Gründung oder einer Kapitalerhöhung ist ebenso wie alle vorhergehenden Anteilsübertragungen, die nicht zu einer Vereinigung aller Anteile im Sinne der Vorschrift geführt haben, ohne Bedeutung und deshalb grundsätzlich als nicht vorhanden anzusehen. Die Rechtsprechung hat bei ihrer Auslegung der Vorschrift Steuerumgehungen vorbeugen wollen, die u. a. dadurch möglich waren, daß bei dem Rechtsvorgang der übertragung von Anteilen auf einen Hauptgesellschafter wirtschaftlich bedeutungslose Zwerganteile von der übertragung ausgeschlossen werden; daraus ergibt sich aber noch nicht die vom Finanzgericht gezogene Schlußfolgerung für die Zeit, in der die Anwendung des § 1 Abs. 3 a. a. O. noch nicht in Betracht gekommen ist. Es bleibt auch folgendes zu bemerken: Werden durch eine Anteilsübertragung wirtschaftlich alle Anteile in einer Hand vereinigt und folgt danach die rechtliche Vereinigung aller Anteile, so würde in sinngemäßer Anwendung des § 1 Abs. 5 GrEStG die Steuer für die zweite Vereinigung nur dann nicht erhoben werden, wenn für jene eine Steuer berechnet worden ist. Um so mehr muß es bei der Steuer des zweiten Vorgangs verbleiben, wenn eine Vereinigung im Sinne des § 1 Abs. 3 a. a. O. überhaupt nicht vorausgegangen ist.
Das Finanzgericht legt außerdem entscheidendes Gewicht auf folgenden Gedankengang: Ein Dritterwerber der 49.000 DM Anteile könnte gegen die Heranziehung aus § 1 Abs. 3 Ziff. 4 GrEStG nicht einwenden, die Zusammenfassung der Anteile in der Hand der Veräußerin sei nicht auf eine übertragung im Sinne der Ziff. 2 a. a. O., sondern auf die übernahme der Geschäftsanteile anläßlich der Gründung der GmbH zurückzuführen. Ebensowenig könne im Streitfall der Steuerfiskus diesen Umstand der die Steuerpflicht bestreitenden Bgin. entgegenhalten. Diese Schlußfolgerung entfällt, weil dem Ausgangspunkt nicht beizutreten ist. Der übergang aller Anteile nach Ziff. 4 ist der übergang der im Sinne von Ziff. 1 oder 2 vereinigten Anteile. Immerhin wäre aber die übertragung der 49.000 DM als erste Vereinigung aller Anteile im Sinne von Ziff. 1 oder 2 steuerpflichtig. Hat jemand bei der Gründung einen Zwerganteil von 1 % übernommen und überträgt er darauf einen Anteil von 1/2 % auf den Hauptgesellschafter, so ist Steuerpflicht aus Ziff. 2 gegeben, obwohl sich hinsichtlich der Tatsache der wirtschaftlichen Vereinigung aller Anteile nichts ändert. Ebenso steht auch der Besteuerung der Abtretung der 49.000 DM aus Ziff. 2 in dem vom Finanzgericht gedachten Fall der Umstand nicht entgegen, daß sich in der Höhe der Beteiligung nichts ändert.
Hiernach war die Einspruchsentscheidung des Finanzamts wiederherzustellen.
Fundstellen
Haufe-Index 408151 |
BStBl III 1955, 152 |
BFHE 1955, 397 |
BFHE 60, 397 |
StRK, GrEStG:1 R 24 |
DNotZ 1955, 494 |