Leitsatz (amtlich)
Steuerpflicht im Sinne des § 3 Abs. 1 KVStG in Verbindung mit § 4 KVStG tritt nicht ein, wenn eine AG als alleinige Gesellschafterin der darlehnsnehmenden Kapitalgesellschaft an der darlehnsgebenden Konzerngesellschaft kapitalmäßig und rechtlich nicht beteiligt ist.
Normenkette
KVStG §§ 3-4
Tatbestand
Streitig ist, ob Betriebskredite, die der Revisionsklägerin (Steuerpflichtigen – Stpfl. –) von Konzerngesellschaften zur Verfügung gestellt worden sind, der Gesellschaftsteuer nach § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 KVStG unterliegen.
Das Stammkapital der X-GmbH (Stpfl.), das nach einer im März 1953 beschlossenen und im April 1953 ins Handelsregister eingetragenen Kapitalerhöhung 20 000 DM betrügt, befindet sich in den Händen der S-AG Zwischen der Stpfl. und der S-AG besteht ein Ergebnisausschließungsvertrag.
Der Geschäftsbetrieb der Stpfl. ist nach den im März 1953 beschlossenen Änderungen des Gesellschaftskapitals und des Gesellschaftszweckes am 1. April 1953 aufgenommen worden, nachdem die Stpfl. Vertriebsorganisation und ihr dienendes Anlagevermögen, dessen Wert rund 117 000 DM. beträgt, von der ebenfalls durch die S-AG beherrschten F-GmbH übernommen hatte. Nach den Feststellungen einer Kapitalverkehrsteuerprüfung im Jahre 1955 übernimmt die Stpfl. die Erzeugnisse der F-GmbH zum Herstellungspreis und vertreibt sie. Dabei arbeitet sie in erheblichem Maße mit Krediten von Konzerngesellschaften, die nach den Prüfungsfeststellungen um 31. Dezember 1953 rd 2 100 000 DM, am 31. Dezember 1954 rd 2 400 000 DM betrugen. In Anbetracht der geringen Eigenkapitalausstattung der Stpfl. in Höhe von nur 20.000 DM sah das Finanzamt (FA) einen auf 280 000 DM. begrenzten Teilbetrag der Konzernkredite als Ersatz für eine nach der Sachlage gebotene Kapitalzuführung im Sinne des § 3 Abs. 1 KVStG an, indem es davon ausging, daß außer dem Anlagevermögen von rd 80 000 DM auch Teile (etwa 10 v. H.) des auf rd 2 000 000 DM berechneten Umlaufvermögens durch Eigenkapital gedeckt sein müßten. Das FA setzte demgemäß eine Gesellschaftsteuer in Höhe von 8 400 DM lest.
Gegen diese Steuerfestsetzung erhob die Stpfl. Einspruch, zahlte aber gleichwohl einen Teilbetrag der festgesetzten Steuer von 3 000 DM vorbehaltlich der im Normenkontrollverfahren vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) noch zu klärenden Rechtsgültigkeit des § 3 Abs. 1 KVStG. Der Einspruch der Stpfl. hatte keinen Erfolg.
Mit der Berufung zog die Stpfl. erneut die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 1 KVStG in Zweifel und wandte sich darüber hinaus insbesondere gegen die Besteuerung der zur Deckung der risikobehafteten Teile des Umlaufvermögens für erforderlich gehaltenen Darlehnsbeträge; dabei wies sie auf den Charakter ihres Unternehmens als reine Vertriebsgesellschaft und außerdem auf den bestehenden Ergebnisausschließungsvertrag hin. Die Berufung wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht (FG) bejahte die Verfassungsmäßigkeit des § 3 Abs. 1 KVStG. Es vertrat im übrigen die Auffassung, die laufend von der Stpfl. in Anspruch genommenen Kontokorrentkredite bei Konzerngesellschaften, die seit dem 31. Dezember 1953 bis zum 31. Dezember 1956 von rund 1,2 Mio DM auf 4,5 Mio DM gestiegen seien, stellten eine Darlehnsgewährung über einen längeren Zeitraum dar; denn die Stpfl. habe damit stillschweigend fortlaufende Zahlungsfristen in Anspruch genommen, die ihr ebenso stillschweigend gewährt worden seien. In Höhe von 100 000 DM erkenne die Stpfl. selbst eine Darlehnsgewährung als Ersatz einer nach der Sachlage gebotenen Kapitalzuführung an, weil sie das Anlagevermögen der F-GmbH zum Buchwert von rd 117 500 DM übernommen habe. Der Kapitalbedarf der Stpfl. sei aber höher gewesen. Denn außer dem Anlagevermögen müsse auch ein gewisser Teil des Umlaufvermögens und zwar in dem Umfang durch Eigenkapital gedeckt sein, daß ein Grundstock an Rohstoffen, Waren, Geldbeständen, Guthaben usw. mit eigenen Mitteln finanziert werden könne. Es sei dehalb nicht zu beanstanden, wenn das FA im Streitfall eine Deckung von rd. 10 v. H. des Umlaufvermögens durch Eigenkapital für erforderlich gehalten habe. Dem sei trotz des Bestehens eines Ergebnisabführungsvertrags zuzustimmen.
Die Stpfl. hat Rechtsbeschwerde erhoben, deren Ziel nach dem Ergehen des Beschlusses des BVerfG vom 10. Oktober 1961 – 2 BvL 1/59 – zu § 3 Abs. 1 KVStG (Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 13 S. 153; BStBl 1961 I S. 716) anfänglich darauf gerichtet war, die Besteuerung auf den zur Deckung des Anlagekapitals erforderlichen Darlehnsbetrag von 100 000 DM zu beschränken und die Besteuerung des zur Deckung des Umlaufvermögens vom FA für notwendig erachteten Darlehnsbetrages insbesondere im Hinblick auf den bestehenden Ergebnisabführungsvertrag zu beseitigen. Die Stpfl. hat aber schließlich darauf hingewiesen, daß die Besteuerung der von den Konzerngesellschaften eingeräumten Kontokorrentkredite entsprechend der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 KVStG deshalb ganz entfallen müsse, weil jedenfalls an den hier in Betracht kommenden Stichtagen die S-AG als alleinige Gesellschafterin der Stpfl. weder selbst einen Kontokorrentkredit gewährt habe noch als Gesellschafterin an der kreditgewährenden U-GmbH beteiligt gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die nach dem Inkrafttreten der FGO gemäß den §§ 115, 184 Abs. 1 und 2 Nr. 1 und 2 FGO in Verbindung mit § 286 AO alter Fassung als Revision zu behandelnde Rechtsbeschwerde ist begründet.
Nach dem Beschluß des BVerfG vom 10. Oktober 1961 – 2 BvL 1/59 – a. a. O., war § 3 Abs. 1 KVStG in der Fassung vom 22. September 1955 (BGBl 1955 I S. 590) mit dem Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland vereinbar und demgemäß rechtsgültig. Bei der inhaltlichen Übereinstimmung dieser Vorschrift mit der des § 3 Abs. 1 KVStG in der Fassung vom 16. Oktober 1934 (BGBl I S. 1058) hat die Stpfl. deshalb ihre Einwendungen gegen die Verfassungsmäßigkeit der letzteren Vorschrift fallen lassen.
Gesellschafterkredite im Sinne des § 3 Abs. 1 KVStG sind gesellschaftsteuerpflichtig, wenn sie auch die übrigen Voraussetzungen für die Anwendung des § 3 KVStG erfüllen. Die hier in Betracht kommenden Kredite sind aber, was niemals streitig gewesen ist, nicht von der Alleingesellschafterin der Stpfl., der S-AG, gewährt worden. Nicht diese AG, sondern – wie auch das FA einräumt – die U-GmbH ist am 31. Dezember 1953 und am 31. Dezember 1954 Gläubigerin der Kredite gewesen, die das FA in dem angefochtenen Steuerbescheid erfaßt hat. Eine Besteuerung der bis zum 31. Dezember 1953 bzw. bis zum 31. Dezember 1954 gewährten Kredite konnte deshalb allein auf Grund der Vorschrift des § 3 Abs. 1 KVStG nicht durchgeführt werden. An dieser Rechtslage könnte sich auch dann nichts ändern, wenn die S-AG die von der U-GmbH gewährten Kredite später, in den Jahren 1955 und 1956, selbst als Gläubigerin übernommen hätte. Denn nach dem Stichtagsprinzip, das für die Gesellschaftsteuer gilt, kann die rechtliche Beurteilung auch im Streitfall nicht auf Vorgänge erstreckt werden, die erst nach den für die Besteuerung maßgebenden Zeitpunkten bzw. Zeiträumen eingetreten sind.
Bei dieser Rechtslage hat das FA den Erlaß des angefochtenen Gesellschaftsteuerbescheides nicht nur auf die Vorschrift des § 3 Abs. 1 KVStG gestützt, sondern ihn ausdrücklich durch den Hinweis auf § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 KVStG begründet, indem es – offensichtlich von der Lehre vom organischen Machtkreis ausgehend – die von Konzerngesellschaften gewährten Kredite der Alleingesellschafterin der Stpfl., der S-AG, zugerechnet hat. Nach § 4 KVStG wird die Steuerpflicht nicht dadurch ausgeschlossen, daß Leistungen (§ 2) nicht von den Gesellschaftern selbst bewirkt werden, sondern von Personenvereinigungen, an denen die Gesellschafter als Mitglieder oder Gesellschafter beteiligt sind. Den Leistungen im Sinne des § 2 KVStG sind Darlehnsgewährungen im Sinne des § 3 KVStG gleichgestellt. Da § 4 KVStG nur von Personenvereinigungen spricht, an denen die Gesellschafter der kreditempfangenden Gesellschaft selbst als Mitglieder oder Gesellschafter beteiligt sind, so könnten die Kreditgewährungen von Konzerngesellschaften, bei denen dies nicht zutrifft, weil ihre Gesellschafter nicht zugleich auch Gesellschafter der kreditnehmenden Gesellschaft sind, nur bei einer erweiternden (extensiven) Auslegung des § 4 KVStG steuerrechtlich erfaßt werden. Einer solchen erweiternden Rechtsauslegung hat insbesondere der Rechtsgedanke vom sogenannten organischen Machtkreis zugrunde gelegen, der der früheren Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs und des BFH entsprach. Unter ausdrücklichem Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG (vgl. Urteil des BVerfG I BvR 232/60 vom 24 Januar 1962 – Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bd. 13 S. 318 ff., BStBl 1962 I S. 506, 509/510 Abschn. III Nr. 3) hat aber der erkennende Senat diese erweiternde Gesetzesauslegung aufgegeben und hat ausgesprochen, daß Mitglied oder Gesellschafter im Sinne von § 4 KVStG 1934 nur derjenige ist, der rechtlich und damit auch kapitalmäßig an der Personenvereinigung beteiligt ist, welche die Leistung bewirkt oder das Darlehen gewährt, und daß es nicht ausreicht, wenn sich hinter den der Form nach rechtlich Beteiligten wirtschaftlich eine andere Rechtsperson verbirgt, die sowohl auf die gewährende als auch auf die empfangende Gesellschaft einen ausschlaggebenden Einfluß ausüben kann (vgl. Urteile des BFH II 19/58 S vom 22. November 1962, BFH 76, 179; BStBl III 1963, 64, und II 197/61 U vom 12. Februar 1964, BFH 79, 116; BStBl III 1964, 274). An dieser neueren Rechtsprechung wird festgehalten.
Da das angefochtene Urteil des FG diesen Rechtsgrundsätzen schon deshalb nicht entspricht, weil sich die tatsächlichen Feststellungen des FG zur Person des Kreditgebers darauf beschränken, daß die Kredite von Konzerngesellschaften gewährt worden seien, ohne etwas darüber auszusagen, ob die alleinige Gesellschafterin der Stpfl. kapitalmäßig an den kreditgebenden Gesellschaften beteiligt gewesen sei, so unterliegt es schon aus diesem Grunde der Aufhebung.
Die Sache ist entscheidungsreif. Da aktenmäßig feststeht, daß alleinige Gesellschafterin der Stpfl. die S-AG ist, diese aber an der kreditgewährenden U-GmbH nicht als Gesellschafterin beteiligt war, so ist Steuerpflicht im Sinne des § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 KVStG im Streitfalle nicht eingetreten.
Da die Rechtslage insoweit auf Grund des Schriftsatzes der Stpfl. vom 12. November 1965, also noch vor dem Inkrafttreten der FGO, klargestellt und aus diesem Vorbringen der Stpfl. ihr Begehren auf volle Freistellung von der Gesellschaftsteuer ersichtlich ist, so ist der Senat – ungeachtet der Zwischenanträge im Schriftsatz vom 18. Dezember 1961 – insbesondere unter Berücksichtigung der Überleitungsvorschriften, vornehmlich des § 184 Abs. 2 Nr. 2 FGO, der Auffassung, daß wegen des schon vor Inkrafttreten der FGO ausdrücklich erklärten Revisionsbegehrens der Stpfl. volle Steuerfreiheit zu gewähren ist. Diese Entscheidung ist um so mehr gerechtfertigt, als das jetzige Revisionsbegehren nicht über das ursprüngliche Klagebegehren hinausgeht, das die volle Beseitigung des angefochtenen Steuerbescheides bezweckte.
Die Stpfl. war daher nach Aufhebung des angefochtenen Urteils, der Einspruchsentscheidung und des zugrunde liegenden Steuerbescheides von der Gesellschaftsteuer in vollem Umfang freizustellen, ohne daß die Frage des Kapitalersatzes im Sinne des § 3 KVStG im Streitfall zu erörtern war.
Fundstellen
Haufe-Index 514538 |
BFHE 1966, 402 |