Leitsatz (amtlich)
Der Selbstverbrauchbesteuerung steht nicht entgegen, daß die Anschaffungskosten für investierte Wirtschaftsgüter im Rahmen einer zulässigen Festwertbildung buchungstechnisch als Betriebsausgaben behandelt werden.
Normenkette
UStG 1967 § 30 Abs. 2
Tatbestand
Die Steuerpflichtige (Klägerin, Revisionsbeklagte) betreibt ein Baugeschäft. Sie hat für Gerüst- und Schalungsteile in ihrer Bilanz einen Festwert gebildet und verbucht die Aufwendungen für Zugänge gewinnmindernd. Das FA (Beklagter, Revisionsbeklagter) unterwarf die Zugänge des Jahres 1969 der Selbstverbrauchsteuer.
Die Sprungklage hatte Erfolg. Das FG, dessen Urteil in den Entscheidungen der Finanzgerichte 1972 S. 48 veröffentlicht ist, hat ausgeführt: Selbstverbrauch entfalle, weil die Aufwendungen für die Gerüst- und Schalungsteile nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften 1969 in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt worden seien. Aus der Zulassung eines Festwertes folge die sofortige Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für Zugänge. Die Festwertmethode sei in § 40 Abs. 4 Nr. 2 HGB (Fassung vom 2. August 1965, BGBl I 1965 S. 665) geregelt und über § 5 EStG auch für die Einkommensteuer maßgeblich. § 30 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 stelle nur auf die Absetzbarkeit ab, gleichgültig, ob diese auf materiellrechtlichen Sonderabschreibungsmöglichkeiten oder auf formalen Buchungsvorgängen beruhe.
Das FA macht mit der Revision im wesentlichen geltend: § 30 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 begünstige nur die Abzugsfähigkeit aufgrund materiell-rechtlicher Bestimmungen. Der Abzug der Ersatzbeschaffungskosten nach der Festwertmethode sei hingegen eine buchmäßige Vereinfachung und lediglich ein Ersatz für eine genaue Berechnung der Absetzung für Abnutzung (AfA).
Die Steuerpflichtige erwidert: Die Erwägungen des FG seien zutreffend. Unabhängig davon seien die Zugänge auch deswegen nicht selbstverbrauchsteuerpflichtig, weil sie einer Sachgesamtheit zugeführt worden seien; die Gerüst- und Schalungsteile seien technisch aufeinander abgestimmt oder genormt gewesen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Der Senat geht mit der Vorinstanz davon aus, daß die Steuerpflichtige die Gerüst- und Schalungsteile gemäß § 40 Abs. 4 Nr. 2 HGB in einem Festwert erfassen durfte (vgl. dazu Gemeinsamen Erlaß der Finanzminister (-senatoren) der Länder vom 11./12. Dezember 1961, BStBl II 1961, 194). Aus der zulässigen Bildung eines Festwerts folgt, daß buchungstechnisch die Aufwendungen für Zugänge so zu behandeln sind, als ob sie Unkosten seien (Urteil des RFH VI A 588/35 vom 16. Dezember 1936, RFH 40, 312, RStBl 1937, 272). Unzutreffend ist aber die weitere Folgerung der Vorinstanz, daß deswegen die Zugänge nicht der Selbstverbrauchsteuer unterliegen; denn die Aufwendungen für die Zugänge konnten nicht gemäß § 30 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 nach "einkommensteuerrechtlichen Vorschriften im Jahr der Anschaffung ... in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt werden".
Es kann dahingestellt bleiben, ob § 40 Abs. 4 Nr. 2 HGB - wie das FG annimmt - eine einkommensteuerrechtliche Vorschrift ist, weil § 5 EStG auf die "handelsrechtlichen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung" Bezug nimmt, oder ob gar die zahlreichen, eine Festbewertung regelnden Verwaltungserlasse derartige einkommensteuerrechtliche Vorschriften sind (bejahend Felix, Der Betriebs-Berater 1967 S. 1121). Die angeführte Einschränkung des Selbstverbrauchs greift jedenfalls deswegen nicht ein, weil bei einer Festbewertung nicht die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Zugänge gewinnmindernd abgesetzt werden, sondern - wie auch im Rahmen der Einzelbewertung - die allein nach dem EStG abzugsfähigen Buchwertminderungen für Abschreibungen und Abgänge. Die Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Zugänge sind nur insoweit von Bedeutung, als sie Bewertungsmaßstab der Buchwertminderungen sind.
Der RFH hat das Wesen des Festwerts darin gesehen, daß "für einen stets etwa in gleicher Höhe benötigten Bestand an Wirtschaftsgütern bestimmter Art zunächst der Anschaffungsaufwand aktiviert wird, daß weiter einerseits an dem aktivierten Festwert jede Absetzung für Abnutzung unterbleibt und andererseits die Anschaffungskosten für Ersatzbeschaffungen usw. nicht aktiviert, sondern sofort über Unkosten abgebucht werden" (RFH-Urteil VI A 588/35, a. a. O.). Ist wie im vorliegenden Fall bereits ein Festwert gebildet, der allseits für zutreffend erachtet wird, bleibt buchmäßig noch folgendes zu veranlassen: Sämtliche Abschreibungen (insbesondere AfA) auf die Altbestände und die Zugänge werden nicht gebucht, obwohl sie Aufwand (Betriebsausgaben) sind. Ebenso werden nicht die Buchwertminderungen infolge Abgangs eines im Festwert erfaßten Einzelwirtschaftsguts (bei Veräußerung, Verlust) erfaßt. Statt dessen sind - hierin liegt die Vereinfachungswirkung des Festwertverfahrens - die Aufwendungen für die Ersatzwirtschaftsgüter so zu buchen, als ob sie Betriebsausgaben seien, obwohl sie aktivierungspflichtig sind. Die buchmäßige Verrechnung zwischen unterlassenen Buchwertminderungen und unterlassenen Aktivierungen auf Ersatzwirtschaftsgüter ist deswegen möglich, weil sich als Folge in etwa gleichbleibender Bestände auch die Buchzugänge und Buchabgänge im wesentlichen ausgleichen müssen (vgl. Stellungnahme des Instituts der Wirtschaftsprüfer NA 3/1966 in Die Wirtschaftsprüfung 1966 S. 328; Adler-Düring-Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Aktiengesellschaft, 4. Aufl., § 152 Anm. 19, § 153 Anm. 62). Diese vereinfachte Buchungsweise darf jedoch nicht zu der Annahme verleiten, die Aufwendungen für Ersatzwirtschaftsgüter seien Betriebsausgaben (so Breidenbach, Der Betrieb 1969 S. 1576). Begrifflich sind trotz eines Buchungsakts mehrere einkommensteuerlich relevante Vorgänge zu unterscheiden: Die Aktivierung der Aufwendungen für die Ersatzwirtschaftsgüter und die Aufwandsverrechnung der Abschreibungen und Abgänge. Die Aktivierung braucht in der Buchführung nicht in Erscheinung zu treten, weil das Festwertprinzip von der Konstanz des Gesamtbestands ausgeht und wegen des Verzichts auf eine Einzelbewertung auch die für das einzelne Wirtschaftsgut auftretenden Veränderungen nicht darzustellen braucht. Die Aufwandsverrechnung der Abschreibungen und Abgänge tritt hingegen in der Betriebsausgabenverbuchung der Zugänge in Erscheinung, allerdings - wie zuzugeben ist - in einer verdeckten und schwer durchschaubaren Form.
Der VI. Senat des BFH hat in grundsätzlicher Übereinstimmung mit der hier vertretenen Auffassung ausgeführt, der Inanspruchnahme einer Investitionszulage nach § 19 BHG 1964 stehe nicht entgegen, daß die Anschaffungskosten im Rahmen einer zulässigen Festwertbildung als Betriebsausgaben gebucht werden (BFH-Urteil VI 302/65 vom 29. Juli 1966, BFH 87, 310, BStBl III 1967, 151).
Die Selbstverbrauchsteuerpflicht kann auch nicht aus anderen Gründen verneint werden. Die 1969 hinzuerworbenen Gerüst- und Schalungsteile sind keine geringwertigen Wirtschaftsgüter im Sinne des § 6 Abs. 2 EStG. Sie sind nicht selbständig nutzungsfähig im Sinne dieser Vorschrift (BFH-Urteile I 84/56 U vom 18. Dezember 1956, BFH 64, 70, BStBl III 1957, 27; IV 289/65 vom 21. Juli 1966, BFH 87, 180, BStBl III 1967, 58; VI 302/65, a. a. O.).
Der Steuerpflichtigen kann nicht darin gefolgt werden, daß die Gesamtheit der genormten und aufeinander abgestimmten Gerüst- und Schalungsteile ein Wirtschaftsgut bilde und daher die Zugänge als nicht steuerbare Ergänzungsinvestitionen oder gar als Erhaltungsaufwand anzusehen seien. Der Begriff "Wirtschaftsgut" im Sinne des § 30 Abs. 2 Satz 1 UStG 1967 bestimmt sich nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen (BFH-Urteil V R 49/70 vom 1. Oktober 1970, BFH 100, 272, BStBl II 1971, 34). Zu dieser Frage wird in dem Urteil VI 302/65 (a. a. O.) ausdrücklich ausgeführt, daß "in einem Baubetrieb vorhandene, technisch aufeinander abgestimmte Gerüst- und Schalungsteile ... selbständig bewertungsfähige Wirtschaftsgüter" sind. Der Senat schließt sich dieser Auffassung für die Selbstverbrauchbesteuerung an.
Fundstellen
BStBl II 1972, 683 |
BFHE 1972, 307 |