Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Rechtsstellung eines Dauerwohnberechtigten.
Normenkette
EStG § 7b; StAnpG § 11; EStG § 46/1/4; EStG § 46/2/8/b
Tatbestand
Der Beschwerdegegner (Bg.) ist Angestellter. Als solcher hatte er im Jahre 1950 Einkünfte von rund 5.600 DM. Mit der am 1. Oktober 1951 eingereichten Einkommensteuererklärung beantragte er, gemäß § 46 Abs. 1 Ziff. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1950 wegen berechtigten Interesses veranlagt zu werden. Er habe seit Oktober 1950 Mieteinkünfte (Nutzungswert der eigenen Wohnung) aus der als Dauerwohnberechtigter (Eigenwohner) bezogenen Zwei-Zimmerwohnung in der X-Straße 46 erzielt, nach deren Herstellungskosten von 13.098 DM er die erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG 1950 mit 1.309 DM geltend mache. Hierdurch ergebe sich bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ein ausgleichsfähiger Verlust, der zu einer Lohnsteuererstattung führen müsse.
Das Finanzamt lehnte diesen Antrag mit Verfügung vom 16. April 1952 ab, weil die Absetzungen für Abnutzungen nach § 7 b nur dem Wohnungseigentümer, nicht dem Bg. als Dauerwohnberechtigten zuständen.
Mit der Sprungberufung erreichte der Bg. die Zulassung der begehrten Absetzung für Abnutzung nach § 7 b EStG 1950.
Das Finanzgericht kam zu dem Ergebnis, daß nach der Ausgestaltung, die der Bg. und die Genossenschaft in dem über die Wohnung abgeschlossenen Nutzungsvertrag dem Dauerwohnrecht des Bg. gegeben hatten, dem Bg. die Stellung eines wirtschaftlichen Eigentümers der Wohnung eingeräumt war. Als wirtschaftlichem Eigentümer und zugleich Hersteller stünde dem Bg. die Absetzung für Abnutzung gemäß § 7 b EStG zu.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) des Vorstehers des Finanzamts wird eingewandt:
Der Bg. als Dauerwohnberechtigter sei nicht als wirtschaftlicher Eigentümer anzusprechen; die Annahme des wirtschaftlichen Eigentums sei nur auf Ausnahmefälle zu beschränken. Die Rechtsstellung des Bg. sei aber nach den Bestimmungen des Mustervertrages von der des Eigentümers zu weit entfernt, als daß er noch als wirtschaftlicher Eigentümer angesehen werden könne.
Entscheidungsgründe
Die Prüfung der Rb. ergibt folgendes:
Der § 7 b EStG 1950 gewährt dem Hersteller eines nach dem 31. Dezember 1948 errichteten Gebäudes, das zu mehr als 80 % Wohnzwecken dient, im Jahre der Herstellung und dem darauffolgenden Jahre die Möglichkeit der Absetzung von je 10 % der Herstellungskosten. Diese Steuervergünstigung ist nach § 10 Abs. 3 der Durchführungsverordnung zum Einkommensteuergesetz (EStDV) 1950 auch bei der Berechnung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhause und nach § 62 des Wohnungseigentumsgesetzes auch auf das Wohnungseigentum im Sinne des I. Teiles dieses Gesetzes anwendbar.
Streitig ist, ob die Steuervergünstigung auch dem Dauerwohnberechtigten oder Eigenwohner im Sinne des Teiles II des Wohnungseigentumsgesetzes oder des § 1093 BGB zu gewähren ist.
Eine allgemein gültige Entscheidung läßt sich dazu nicht treffen, weil sowohl das Wohnungseigentumsgesetz wie auch § 1093 BGB in weitem Masse den Parteien eine vertragliche Gestaltung des Rechtsverhältnisses, das zwischen der Miete einerseits und dem Eigentum andererseits liegt, offen läßt. Es kommt daher auf die Abmachungen im Einzelfalle an. Sind diese so getroffen, daß der Dauerwohnberechtigte eine Rechtsstellung innehat, die ihn als wirtschaftlichen Eigentümer ausweist, so steht im die Vergünstigung zu.
Das Finanzgericht ist auf Grund der zwischen dem Bg. und der Genossenschaft getroffenen Vertragsabreden zu dem Ergebnis gelangt, daß der Bg. damit eine Rechtsstellung erworben hat, die ihn als wirtschaftlichen Eigentümer der von ihm bewohnten Wohnung erscheinen läßt. Das Finanzgericht schließt dies insbesondere daraus, daß einmal der Bg. das Fremdkapital selbst zu verzinsen und zu tilgen hat, auch die volle Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht für die von ihm genutzten Gebäudeteile übernommen hat, und daß der Bg. nach den geltenden Vertragsbestimmungen in dem Masse in das Eigentum an seiner Wohnung hineinwächst, als er das Fremdkapital tilgt.
Gewiß wächst der Bg. nach der Ausgestaltung des Vertrages allmählich in das Eigentum hinein und hat damit zumindest wirtschaftlich eine Stellung, die über die eines bloßen Mieters hinausgeht. Jedoch reicht dies nicht aus, ihn schon bei der Erstellung des Gebäudes als wirtschaftlichen Eigentümer anzusprechen. Es geht zu weit, wenn das Finanzgericht annimmt, daß die Errichtung der Wohngebäude von einer Gemeinschaft künftiger Eigenwohner durchgeführt sei, die sich der Genossenschaft - der formellen Eigentümerin - nur zur organisatorischen, finanziellen und technischen Durchführung bedient habe. Die Stellung der Genossenschaft gegenüber dem Bg. ist - jedenfalls für die nächsten Jahrzehnte - so stark, daß dem Bg. noch nicht das wirtschaftliche Eigentum an seiner Wohnung zuzuerkennen ist. Nach § 3 des Mustervertrages ist der Bg. sowohl zur Vermietung wie zur Veräußerung seines Dauerwohnrechts stets an die Zustimmung der Genossenschaft gebunden. Von einer Nutzung nach Belieben und damit dem wesentlichen Inhalt des Eigentums kann man bei dieser Ausgestaltung nicht sprechen. Allerdings soll diese Zustimmung nur aus einem wichtigen Grunde versagt werden; immerhin ist aber damit doch eine Einschränkung des Rechts des Dauerwohnberechtigten niedergelegt, die der Annahme eines wirtschaftlichen Eigentums entgegensteht.
Das beschwerdeführende Finanzamt weist auch auf die im § 3 Ziff. 3, § 3 Ziff. 5, § 7 und § 11 des Nutzungsvertrages enthaltenen Einschränkungen hin, denen der Dauerwohnberechtigte unterliegt. Diese Bestimmungen bringen zwar Beschränkungen des Rechts des Dauerwohnberechtigten; es ist aber dem Bg. zuzugeben, daß sich gleichartige Bestimmungen im Wohnungseigentumsgesetz auch für das Wohnungseigentum finden. Das Vorhandensein dieser Bestimmungen allein würde der Annahme eines wirtschaftlichen Eigentums des Bg. nicht entgegenstehen. Wohl aber läßt die Gestaltung betreffend Verschaffung des Wohnungseigentums im § 12 des Vertrages erkennen, daß das Recht des Bg. gegenüber der Genossenschaft stark beschnitten ist. Nach diesem § 12 kann der Bg. die Verschaffung des Wohnungseigentums erst dann verlangen, wenn alle auf dem von ihm bewohnten Grundstück ruhenden Grundpfandrechte getilgt sind, oder die eingetragenen Gläubiger mit der Aufteilung der zu ihren Gunsten eingetragenen Grundpfandrechts einverstanden sind und 60 v. H. der auf einem Grundstück wohnenden Eigenwohner dies beantragen. Da der Bg. von den auf seiner Wohnung ruhenden Belastungen von 10.580 DM im Rahmen der von ihm zu leistenden Nutzungsgebühr jährlich nur 260,75 DM tilgt, ist der Zeitpunkt des Erwerbes des Wohnungseigentums noch in sehr weite Ferne gerückt. Jahrzehnte hindurch muß sich der Bg. mit seiner augenblicklichen rechtlichen Stellung begnügen, ehe sein Fernziel - das Wohnungseigentum - erreicht ist. Bis dahin jedoch ist die Genossenschaft auch wirtschaftlich als Eigentümer zu betrachten, was die Annahme des wirtschaftlichen Eigentums bei dem Bg. ausschließt.
Es ist nicht angängig, allein aus dem Grundgedanken des § 7 b, der durch steuerliche Vergünstigung die Förderung des Wohnungsbaus bezweckt, im gegebenen Falle bereits ein von vornherein bestehendes wirtschaftliches Eigentum des Bg. anzunehmen. Dazu ist seine durch die Ausgestaltung des Nutzungsvertrages ihm zugewiesene rechtliche und wirtschaftliche Stellung zu schwach.
Nach alledem stand dem Bg. auch nicht die Geltendmachung der Absetzung für Abnutzung zu, und das Finanzamt hat daher mit Recht den Antrag auf Vornahme einer Veranlagung, bei der die erhöhte Absetzung für Abnutzung vorgenommen werden sollte, abgelehnt. Die angegriffene Entscheidung war daher aufzuheben und die Sprungberufung des Bg. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 407651 |
BStBl III 1953, 171 |
BFHE 1954, 439 |
BFHE 57, 439 |