Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Verfahrensrecht, Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Auf die Fortschreibung des Einheitswerts eines Ruinengrundstücks gemäß § 2 des Fortschreibungsgesetzes (Ansatz des Bodenwertanteils) kann nicht verzichtet und statt dessen Art- und Wertfortschreibung des Grundstücks als unbebautes Grundstück nach dem gemeinen Wert des Grund und Bodens gemäß § 4 a. a. O. in Verbindung mit § 225a AO und § 22 BewG gefordert werden.
Die fortgeschriebenen Einheitswerte des kriegszerstörten oder kriegsbeschädigten Grundbesitzes gelten bis zur nächsten Hauptfeststellung, falls nicht besondere Umstände eintreten, die eine weitere Fortschreibung rechtfertigen.
Normenkette
BewG § 22; AO § 225a
Tatbestand
Die Sache ist im zweiten Rechtsgang. Es ist mündliche Verhandlung beantragt. Dem Senat erschien es jedoch zweckmäßig, zunächst ohne mündliche Verhandlung durch Vorbescheid (ß 294 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung - AO -) zu erkennen. Streitig ist die Fortschreibung des Einheitswerts des Grundstücks der Beschwerdeführerin - Bfin. - in X. auf den 21. Juni 1948. Das Grundstück wurde 1935 als Geschäftsgrundstück bewertet und dem Betriebsvermögen der Bfin. zugerechnet. Der Einheitswert 1935 betrug 70.000 RM. Das Gebäude ist durch Kriegseinwirkung völlig zerstört. Auch am 21. Juni 1948 war es noch zerstört, die Trümmer lagen auf dem Grundstück. Das Finanzamt hat den Einheitswert auf 19.400 DM (Bodenwertanteil am alten Einheitswert) fortgeschrieben. Die Bfin. erstrebt Art- und Wertfortschreibung für das Grundstück als unbebautes Grundstück gemäß § 4 des Gesetzes betreffend Fortschreibungen und Nachfeststellungen von Einheitswerten des Grundbesitzes auf den 21. Juni 1948 (Fortschreibungsgesetz) nach dem gemeinen Wert von 40.000 DM. Die Vorbehörden haben den Antrag abgewiesen. Der Senat hat in seinem den ersten Rechtsgang abschließenden Urteil III 184/51 vom 13. Dezember 1951 das Urteil des Finanzgerichts nebst der Einspruchsentscheidung aufgehoben, weil bei der Entscheidung über den Einspruch der Steuerausschuß nicht mitgewirkt hatte. In der Begründung hatte der Senat auf sein ein anderes Grundstück der Bfin. betreffendes Urteil III 183/51 hingewiesen. In diesem Urteil war zu den §§ 2, 3 des Fortschreibungsgesetzes ausgeführt, daß an der Art eines bebauten Grundstücks durch die völlige Zerstörung des Gebäudes nichts geändert werde. Ein Grundstück, dessen Gebäude durch Kriegseinwirkung zerstört, und das am 21. Juni 1948 noch mit Trümmern belastet gewesen sei, müsse nach Abschnitt I des Fortschreibungsgesetzes mit dem anteiligen Bodenwert des früheren Einheitswerts bewertet werden. Das Verlangen der Bfin., das Grundstück als unbebautes Grundstück (Bauland) für den 21. Juni 1948 mit dem gemeinen Wert zu bewerten, scheitere daran, daß das Grundstück am Währungsstichtag kein Bauland gewesen sei. Das Grundstück werde nicht schon dadurch aus einem Trümmergrundstück zu Bauland, daß der Eigentümer sich entschließe, das Gebäude nicht mehr wiederaufzubauen. Die Beurteilung, ob Bauland vorliege, habe nach objektiven Verhältnissen zu erfolgen. Danach könne ein Trümmergrundstück erst zu Bauland werden, wenn es von allen Gebäuderesten befreit und nach der Verkehrsauffassung baureif gemacht worden sei. Dieser Fall liege jedoch hier nicht vor. Auf die subjektiven Verhältnisse komme es nur im Zweifelsfalle an. Die Auffassung, daß die Bewertung von Grundstücken mit kriegszerstörten Gebäuden mit dem Bodenwertanteil im letzten Einheitswert ein Entgegenkommen des Gesetzgebers an die Steuerpflichtigen darstelle, auf das diese, wenn es für sie vorteilhafter sei, verzichten könnten, sei abzulehnen. Auch im zweiten Rechtsgang hatte die Bfin. mit ihrem Begehren keinen Erfolg. Sie hat noch darauf hingewiesen, daß ein Teil des Trümmergrundstücks als Gartenland verpachtet sei, und daß es sich bei diesem Teil nicht mehr um ein Bestandteil des Trümmergrundstücks handle, sondern Bauland vorliege. Im übrigen ist sie der Auffassung, daß die Bestimmungen des Abschnitts II des Fortschreibungsgesetzes denen des Abschnitts II vorgingen. Sie verharrt dabei, daß der Steuerpflichtige auf die Anwendung der eine niedrige Bewertung ermöglichenden Bestimmungen im Abschnitt I verzichten könne. Die durch Kriegsereignisse erfolgte Zerstörung des Gebäudes stelle außerdem eine Bestandsveränderung des Grundstücks dar, die unter Abschnitt II (ß 4 Abs. 3 des Fortschreibungsgesetzes) falle. Das Finanzgericht hat die Zurückweisung der Berufung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Bestimmungen im Abschnitt I des Fortschreibungsgesetzes enthielten Sonderbestimmungen für kriegszerstörte oder kriegsbeschädigte Grundstücke. Als Sonderbestimmungen gingen sie für derartige Grundstücke der Anwendung der allgemeinen Bestimmungen im Abschnitt II vor. Die Bewertung könne nicht, je nachdem es für den Steuerpflichtigen günstiger sei, bald auf Abschnitt I, bald auf Abschnitt II gestützt werden. In der Regel seien die Bewertungsunterschiede bei Bewertung nach Abschnitt I bzw. Abschnitt II auch geringfügig. Auch eine Artfortschreibung für den Teil des Grundstücks, der als Gartenland am Stichtag verpachtet gewesen sei, könne nicht in Frage kommen. Dieser Teil sei Bestandteil der wirtschaftlichen Einheit des zerstörten Grundstücks bis zu seiner späteren Veräußerung geblieben. Die Feststellung eines besonderen Einheitswerts für diesen Teil komme daher nicht in Frage. Auch für das ganze Grundstück sei eine Art- und Wertfortschreibung nach Abschnitt II des Fortschreibungsgesetzes nicht zulässig.
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) gegen dieses Urteil wiederholt, daß bei Bestandsveränderungen infolge von Kriegsereignissen § 4 Abs. 3 des Fortschreibungsgesetzes anwendbar sei. Dies erfordere die vernünftige Auslegung des Fortschreibungsgesetzes. Es sei nicht verständlich, daß im Falle der Zerstörung eines Gebäudes durch Kriegsereignisse lediglich der Bodenwertanteil im letzten Einheitswert, im Falle der Zerstörung eines Gebäudes aus anderen Gründen dagegen der gemeine Wert des Grund und Bodens anzusetzen sei. Der Hinweis des Finanzgerichts darauf, daß die Unterschiede in der Bewertung nach Abschnitt I oder Abschnitt II des Fortschreibungsgesetzes in der Regel nicht bedeutend seien, verstoße gegen den klaren Inhalt der Akten, da sich im Streitfalle bei Einheitsbewertung nach Abschnitt I ein Betrag von 19.400 DM, nach Abschnitt II ein solcher von 42.200 DM ergebe. Die Bfin. erweitert ihren Antrag in der Rb. dahin, daß der Einheitswert ihres Grundstücks für den Währungsstichtag auf 42.200 DM zu erhöhen sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann nicht zum Erfolg führen.
Von einem Verstoß des Finanzgerichts gegen den klaren Inhalt der Akten ist keine Rede. Das Finanzgericht hat nicht erklärt, daß im Streitfall nur ein geringfügiger Unterschied bei Bewertung des Grundstücks nach Abschnitt I oder Abschnitt II des Fortschreibungsgesetzes vorliege, sondern es hat nur davon gesprochen, daß nach seiner Auffassung die Abweichung in der Bewertung in der Regel unbedeutend sei, und daß überdies im Streitfall die Abweichung bei Berücksichtigung aller Umstände, die den Preis des Grundstücks am 21. Juni 1948 nach Wertverhältnissen vom 1. Januar 1935 beeinflußten, nicht den hohen Betrag von 22.800 DM ausmachen könne. Auch rechtsirrige Anwendung der Bestimmungen des Fortschreibungsgesetzes durch das Finanzgericht liegt nicht vor. Die Auffassung der Bfin., daß die Bestimmungen des Abschnitts II des Fortschreibungsgesetzes denen des Abschnitts I vorgingen, ist unzutreffend. Das Gegenteil ist richtig, daß nämlich bei Kriegszerstörungen oder Kriegsbeschädigungen von Grundstücken die Vorschriften des Abschnitts I als Sonderbestimmungen den allgemeinen Bestimmungen des Abschnitts II in Verbindung mit § 225a AO und § 22 des Bewertungsgesetzes (BewG) vorgehen. Für eine den Bestimmungen des Fortschreibungsgesetzes, insbesondere dem Verhältnis der Abschnitte I und II entgegenstehende Gesetzesauslegung ist kein Raum. Es ist daher bei der Zerstörung eines Gebäudes durch Kriegsereignisse nicht zulässig, statt des Bodenwertanteils in dem zuletzt festgestellten Einheitswert (ß 2 des Fortschreibungsgesetzes) den gemeinen Wert des Grund und Bodens nach den §§ 4, 6 a. a. O. in Verbindung mit § 225a AO, §§ 22, 52, 53 BewG anzusetzen. Ebensowenig ist es in das Belieben der Steuerpflichtigen oder das Ermessen der Finanzämter gelegt, ob bei kriegszerstörten Gebäuden Fortschreibung nach Abschnitt I oder II vorgenommen wird. Zutreffend ist, daß unter Umständen die Fortschreibung sowohl wegen Kriegszerstörung oder Kriegsbeschädigung (Abschnitt I) als auch aus anderen Gründen (Abschnitt II) erfolgen kann (Urteil des Bundesfinanzhofs III 139/52 S vom 10. Juli 1953, Slg. Bd. 57 S. 624 Bundessteuerblatt 1953 Teil III S. 240). Aus diesem Urteil kann jedoch die Bfin. nichts für die Berechtigung ihres Standpunkts herleiten. Die Bfin. macht schließlich für ihre Ansicht geltend, daß ein Trümmergrundstück, das für den Währungsstichtag mit dem Bodenwertanteil am letzten Einheitswert bewertet worden sei, für einen späteren Fortschreibungszeitpunkt ohne weiteres mit dem gemeinen Wert des Grund und Bodens bewertet werden könne, und daß dies unmöglich von Gesetzgeber gewollt sei. Es ist nicht zutreffend, daß ein für den Währungsstichtag mit dem Bodenwertanteil bewertetes Trümmergrundstück auf einen späteren Fortschreibungszeitpunkt mit dem gemeinen Wert des Grund und Bodens zu bewerten sei, wenn das Trümmergrundstück noch genau so beschaffen ist, wie es am Währungsstichtag der Fall war und auch noch demselben Eigentümer gehörte. In einem solchen Falle müßte es vielmehr bei dem auf den 21. Juni 1948 nach § 2 des Fortschreibungsgesetzes fortgeschriebenen Einheitswert so lange bewenden, bis ein eine weitere Fortschreibung nach § 225a AO, § 22 BewG rechtfertigender Umstand eingetreten ist. Im Streitfall ist hiernach die von der Bfin. beantragte Höherbewertung des Grundstücks der Bfin. von den Vorbehörden mit Recht versagt worden. Die Rb. unterlag danach der Zurückweisung.
Fundstellen
Haufe-Index 407917 |
BStBl III 1954, 186 |
BFHE 1954, 718 |
BFHE 58, 718 |