Leitsatz (amtlich)
1. Ist einer GmbH ein Erlaubnisschein zum Bezug steuerbegünstigten Heizöls für den Betrieb einer Heizungsanlage erteilt worden, hat der Geschäftsführer der GmbH die Pflicht, dafür zu sorgen, daß das Heizöl nur zu den im Erlaubnisschein angegebenen Zwecken verwendet wird.
2. Bedient er sich bei der Verfügung über das Heizöl irgendwelcher Hilfspersonen, muß er durch eine hinreichende Überwachung Ihrer Tätigkeit die bestimmungsgemäße Verwendung des Heizöls sicherstellen.
Normenkette
AO §§ 103, 109 Abs. 1; MinöStG § 8; MinöStDV § 22 Abs. 5 S. 1, § 23 Abs. 3, 7
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war von 1951–1969 geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH. Der GmbH war für den Betrieb ihrer Dampferzeugungsanlage ein Erlaubnisschein zum Bezug steuerbegünstigten Heizöls bis zu einer Jahreshöchstmenge von 300 000 kg erteilt worden. Bei einer Überprüfung durch die Zollfahndungsstelle wurde festgestellt, daß aus den Zapfstellen der GmbH in der Zeit von April 1964 bis Juni 1968 insgesamt 120 493 Liter Dieselkraftstoff an Firmenfahrzeuge abgegeben worden waren. In diesem Zeitraum hatte die GmbH lediglich 6 400 Liter versteuerten Dieselkraftstoff bezogen, und zwar am 3. April 1964 sowie am 6. Oktober 1964 je 1 500 Liter und am 9. Januar 1966 3 400 Liter. Aus dieser Gegenüberstellung ergab sich, daß mindestens 11 4093 Liter steuerbegünstigtes Heizöl zum Betrieb der Kraftfahrzeuge verwendet worden waren. In dem genannten Zeitraum hatte der Expedient A die Betankung der Firmenkraftfahrzeuge unter sich. Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts N wurde A wegen fortgesetzter Steuerhinterziehung zu 1 000 DM Geldstrafe, ersatzweise 20 Tagen Freiheitsstrafe, verurteilt. Der Kläger wurde auf Kosten der Staatskasse freigesprochen, weil er nach Auffassung des Amtsgerichts strafbefreiende Selbstanzeige erstattet hatte.
Mit Steuerhaftungsbescheid vom 22. April 1971 forderte der Beklagte und Revisionskläger (Hauptzollamt – HZA –) vom Kläger 16 725,50 DM Mineralölsteuer für 53 240 Liter Heizöl an, die in der Zeit vom 1. Januar 1967 bis Juni 1968 bestimmungswidrig als Dieselkraftstoff verwendet worden waren. Für die Zeit vor dem 1. Januar 1967 unterblieb eine Inanspruchnahme, weil das HZA insoweit den Anspruch dem Kläger gegenüber für verjährt ansah.
Nach erfolglosem Einspruch erhob der Kläger gegen den Haftungsbescheid Klage, der das Finanzgericht (FG) mit folgender Begründung stattgab: Während der Geschäftsführertätigkeit des Klägers bei der GmbH seien zwar unbestritten Steuern verkürzt worden; gleichwohl könne der Kläger für die Steuerverkürzung nicht nach § 109 Abs. 1 in Verbindung mit § 103 der Reichsabgabenordnung (AO) als Haftender in Anspruch genommen werden, da er die ihm obliegenden steuerlichen Pflichten nicht schuldhaft verletzt habe. Vorsatz scheide nach Sachlage aus; aber auch Fahrlässigkeit liege nicht vor. Der Kläger habe die Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten an den Angestellten A delegiert. Dieser habe schon bei seinem Eintritt in die Firma im Jahre 1964 berufliche Erfahrung als Expedient besessen. Der Kläger habe nach der nicht widerlegten Aussage seines Sohnes und nach seiner eigenen Einlassung im Strafverfahren den Angestellten A zu Beginn seiner Tätigkeit in sein Arbeitsgebiet eingewiesen und ihm dabei auch an Ort und Stelle gezeigt, in welche Behälter die Heizöllieferungen und in welche die Dieselöllieferungen zu füllen seien. Er habe A in seiner Tätigkeit auch laufend überwacht, indem er sich von Zeit zu Zeit die Tankbücher, sowohl für den Verbrauch an Dieselkraftstoff als auch an Heizöl, habe vorlegen lassen. Wenn er bei dieser Kontrolle die Unregelmäßigkeiten deshalb nicht entdeckt habe, weil er nicht auf den Gedanken gekommen sei, A könne Heizöl zweckwidrig als Dieselkraftstoff verwenden, und es daher unterlassen habe, den Verbrauch an LKW-Treibstoff mit den Rechnungen über die Lieferungen an Dieselkraftstoff zu vergleichen, könne ihm hieraus kein Schuldvorwurf gemacht werden. Das Verhältnis des in den Kraftfahrzeugen verfahrenen Dieselöls zu Heizöl sei nicht – wie es das HZA darstelle – etwa 6 000 zu 100 000 kg; es seien insgesamt rund 300 000 Liter Dieselöl in diesem Zeitraum verfahren worden, wie der Kläger, vom HZA unwidersprochen, glaubwürdig vorgetragen habe. Außerdem sei der Kläger zu dieser Zeit sowohl körperlich als auch zeitlich nicht in der Lage gewesen, bis ins kleinste sämtliche Geschäftsvorfälle nachzuprüfen. Seit 1966 sei er ernstlich krank, so daß er nur stundenweise im Betrieb habe arbeiten können. Er habe sich in dieser Zeit im wesentlichen nur den wichtigsten Betriebsaufgaben widmen können. Er habe nach Ansicht des Gerichts alles getan, was ihm mit Rücksicht auf seine Erkrankung möglich gewesen sei, um seinen Verpflichtungen nachzukommen.
Hiergegen wendet sich das HZA mit der Revision, mit der Verletzung des § 109 AO gerügt wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Das FG hat zu Unrecht eine Haftung des Klägers nach § 109 Abs. 1 AO verneint. Nach dieser Vorschrift haften neben dem Steuerpflichtigen deren Vertreter – hierzu rechnen auch die gesetzlichen Vertreter juristischer Personen – insoweit persönlich, als durch schuldhafte Verletzung der ihnen in den §§ 103 bis 108 AO auferlegten Pflichten Steueransprüche verkürzt worden sind. Die gesetzlichen Vertreter haben nach § 103 AO alle Pflichten zu erfüllen, die den Personen, die sie vertreten, obliegen. Ist daher einer GmbH ein Erlaubnisschein zum Bezug steuerbegünstigten Heizöls für den Betrieb einer Heizungsanlage erteilt worden, hat der Geschäftsführer der GmbH die Pflicht, dafür zu sorgen, daß das Heizöl nur zu den im Erlaubnisschein angegebenen Zwecken verwendet wird (§ 22 Abs. 5 Satz 1 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes – MinöStDV –). Diese Pflicht kann der Geschäftsführer nicht mit steuerrechtlicher Wirkung auf andere Personen übertragen. Bedient er sich bei der Verfügung über das Heizöl irgendwelcher Hilfspersonen, muß er durch eine hinreichende Überwachung ihrer Tätigkeit die bestimmungsgemäße Verwendung des Heizöls sicherstellen. Wird nämlich steuerbegünstigtes Heizöl bestimmungswidrig verwendet, wird die darauf ruhende bedingte Mineralölsteuerschuld in der Person des Erlaubnisscheinnehmers unbedingt und sofort fällig (§ 23 Abs. 3 Nr. 4 und Abs. 7 Nr. 1 MinöStDV). Der Erlaubnisscheinnehmer hat in diesem Falle das Mineralöl, für das eine Steuerschuld bedingt geworden ist, sofort der Zollstelle anzumelden und die Steuer ohne Aufforderung zu zahlen (§ 23 Abs. 7 Satz 3 MinöStDV). Da im vorliegenden Fall bei der bestimmungswidrigen Verwendung des Heizöls weder die Anmeldungen an die Zollstelle noch die unaufgeforderten Zahlungen erfolgt sind, ist der objektive Anknüpfungspunkt für eine Haftung des Klägers nach § 109 Abs. 1 in Verbindung mit § 103 AO gegeben.
Das Verschulden des Klägers an der Steuerverkürzung kann entgegen der Auffassung des FG nicht verneint werden. Eine Beschränkung des Verschuldensgrades etwa auf vorsätzliches oder grobfahrlässiges Verhalten kann aus dem Wortlaut des § 109 Abs. 1 AO nicht hergeleitet werden (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 21. Januar 1972 VI R 187/68, BFHE 104, 294, BStBl II 1972, 364), mag auch im Einzelfall ein fahrlässiges Handeln nur dann eine Haftung begründen, wenn ein Pflichtenverstoß vorliegt, der dem in Anspruch Genommenen nach seinen Verhältnissen und Erfahrungen zum Vorwurf gereicht (BFH-Urteil vom 12. Juni 1964 III 193/61, Steuerrechtsprechung in Karteiform – StRK–, Reichsabgabenordnung, § 109, Rechtsspruch 21).
Es widerspricht schon jeder Lebenserfahrung, daß es der Aufmerksamkeit des Geschäftsführers eines mittleren Betriebs entgeht, daß insgesamt vier Dieselkraftfahrzeuge aus der betriebseigenen Zapfstelle annähernd das 20fache der Menge als Dieselkraftstoff getankt haben, die der Betrieb von seinem örtlichen Mineralöllieferanten als Dieselkraftstoff tatsächlich bezogen hat. Es können in diesem Zusammenhang, wie das HZA zu Recht rügt, nicht etwa die Mengen Dieselkraftstoff in die Vergleichsrechnung einbezogen werden, die die Fahrzeuge auswärts auf ihren betrieblichen Fahrten getankt haben. Als besonders auffällig erweist sich, wie das HZA ebenfalls zutreffend hervorhebt, ferner der Umstand, daß in verschiedenen Jahren des von der Zollfahndungsstelle geprüften Zeitraums überhaupt kein Dieselkraftstoff für die firmeneigene Zapfstelle bezogen worden ist.
Der Kläger hat seinen steuerlichen Pflichten nicht etwa dadurch hinreichend genügt, daß er den Expedienten A lediglich zu Beginn seiner Tätigkeit angewiesen hat, in welche Tanks jeweils das angelieferte Heiz- und Dieselöl einzufüllen ist, und ihm dann alles weitere überlassen hat. Die bestimmungsgemäße Verwendung des Heizöls war dadurch nicht sichergestellt. Ebensowenig genügte es, daß sich der Kläger von Zeit zu Zeit die Tankbücher vorlegen ließ. Hierdurch allein hat er sich kein zutreffendes Bild darüber machen können, ob das bezogene Heizöl allein zum Betrieb der Dampferzeugungsanlage oder etwa bestimmungswidrig für andere Zwecke verwendet wird. Wie sich aus der Vorentscheidung ergibt, hat der Kläger keine besonderen Vorkehrungen getroffen, die eine bestimmungswidrige Verwendung des Heizöls hätten verhüten können. Es kommt daher nicht entscheidend darauf an, ob der Kläger an Hand der Treibstoffrechnungen und der Belege über auswärtiges Tanken hätte erkennen müssen, daß seine Fahrzeuge bestimmungswidrig Heizöl verfahren.
Der Kläger ist durch seine Krankheit, wie das FG irrtümlich meint, nicht etwa entlastet. Trotz seiner Krankheit hat er die Tätigkeit eines alleinigen und verantwortlichen Geschäftsführers weiterhin ausgeübt und sich um alle betrieblichen Angelegenheiten mehr oder weniger intensiv selbst gekümmert. Wenn er krankheitshalber nicht auf jede betriebliche Angelegenheit sein Augenmerk hat richten können, hätte er doch für ein Gebiet, wo er selbst erhebliche steuerliche Pflichten zu erfüllen hat und wo, wie allgemein bekannt ist, leicht Unregelmäßigkeiten vorkommen können, wenigstens für eine entsprechende Überwachung sorgen müssen, um einen Mißbrauch so gut wie möglich auszuschließen. Der Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit kann dem Kläger somit entgegen der Auffassung des FG nicht erspart bleiben.
Das HZA hat nach alledem den Kläger zu Recht für einen Steuerbetrag, dessen Höhe nicht in Streit ist, in Anspruch genommen. Die Vorentscheidung, die zu einem anderen Ergebnis gelangt ist, war somit aufzuheben und, da die Sache entscheidungsreif ist, die Klage als unbegründet abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 514713 |
BFHE 1974, 539 |