Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderwerbungskosten eines Miteigentümers
Leitsatz (NV)
1. Schuldzinsen, die ein Steuerpflichtiger als Miteigentümer eines Grundstücks aufwendet, sind als Sonderwerbungskosten im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zu berücksichtigen (ständige Rechtsprechung).
2. Beim Hauptbeteiligten an einer Grundstücksgemeinschaft gehört es zum Risiko seiner Beteiligung, daß andere Mitberechtigte von persönlichen Werbungskosten Kenntnis erhalten. Deshalb rechtfertigen auch Gründe des Steuergeheimnisses es nicht, solche Werbungskosten erst bei der Veranlagung zur Einkommensteuer geltend zu machen.
3. Keine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO.
Normenkette
AO 1977 § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 30; FGO § 74
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist an einer Grundstücksgemeinschaft beteiligt. Die Einkünfte der Gemeinschaft aus Vermietung und Verpachtung werden vom Finanzamt X (Belegenheits-FA) gesondert und einheitlich festgestellt.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1977 erklärte der Kläger die Einkünfte aus der Gemeinschaft mit . . . DM. Zusätzlich machte er Schuldzinsen in Höhe von . . . DM geltend, die er persönlich im Zusammenhang mit den Einkünften aus der Gemeinschaft (,,Zinsen für Hauskonto") getragen habe.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Wohnsitz-FA) berücksichtigte die Schuldzinsen nicht und legte der Einkommensteuerveranlagung nur die vom Belegenheits-FA festgestellten und mitgeteilten Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von . . . DM zugrunde.
Im Einspruchsverfahren trug der Kläger vor, der Mitberechtigte an der Grundstücksgemeinschaft - sein Onkel - solle von den Schuldzinsen keine Kenntnis erhalten. Zwischen ihnen bestehe ein äußerst schlechtes Verhältnis. Deshalb habe er - der Kläger - ein berechtigtes Interesse daran, daß die Schuldzinsen nicht im Feststellungsverfahren, sondern nur bei der Veranlagung zur Einkommensteuer berücksichtigt würden. Der Einspruch war insoweit erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Die Einkünfte aus der Grundstücksgemeinschaft seien gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) gesondert und einheitlich festzustellen gewesen. Das Belegenheits-FA habe das Feststellungsverfahren durchgeführt und die Einkünfte des Klägers für das Streitjahr mit . . . DM festgestellt. Diese Feststellung sei für das Wohnsitz-FA bindend. Die vom Kläger getragenen Schuldzinsen hätten als Sonderwerbungskosten im Feststellungsverfahren, nicht aber bei der Veranlagung zur Einkommensteuer, berücksichtigt werden müssen.
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er rügt Verletzung der §§ 30, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat ohne Rechtsirrtum entschieden, daß die vom Kläger geltend gemachten Zinsaufwendungen bei der Veranlagung zur Einkommensteuer nicht berücksichtigt werden können.
1. Die Einkünfte der Grundstücksgemeinschaft waren nach §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 gesondert und einheitlich festzustellen. Das Ergebnis dieses Feststellungsverfahrens ist gemäß § 182 Abs. 1 AO 1977 für das Wohnsitz-FA des Klägers bindend.
Die Rechtsauffassung des FG, die vom Kläger geltend gemachten Schuldzinsen seien nicht bei der Veranlagung zur Einkommensteuer zu berücksichtigen, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (vgl. Urteile vom 25. August 1961 VI 202/60 U, BFHE 73, 619, BStBl III 1961, 491; vom 29. August 1973 I R 26/71, BFHE 110, 315, BStBl II 1974, 62; Beschluß vom 5. November 1973 GrS 3/72, BFHE 112, 1, 6, BStBl II 1974, 414; Urteile vom 10. Februar 1988 VIII R 352/82, BFHE 152, 414, BStBl II 1988, 544). Dieser Rechtsprechung hat sich der erkennende Senat angeschlossen (Urteil vom 23. April 1985 IX R 33/80, BFH/NV 1986, 319). Bei den Schuldzinsen handelt es sich um Sonderwerbungskosten im Zusammenhang mit der Miteigentümerstellung des Klägers. Diese Aufwendungen konnten daher nur im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung der Einkünfte der Grundstücksgemeinschaft berücksichtigt werden.
2. Die Rechtsprechung des BFH ist im Schrifttum auf Widersprüche gestoßen (vgl. Tipke / Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 180 AO 1977 Tz. 38 a; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 7. Aufl., S. 430 f.; dies., Die Besteuerung des Gewinns der Personengesellschaft und der Sondervergütungen der Gesellschaft, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1974, 1, 39 ff.; Thiel, Funktion und Gehalt der Sonderbilanzen der Gesellschafter bei der Besteuerung der Gewinne aus einer Personengesellschaft, Finanz-Rundschau - FR - 1974, 333, 336 f.; Stephan in Littmann, Einkommensteuergesetz, 15. Aufl., § 21 Anm. 540; für ein Wahlrecht: Schmidt, Einkommensteuergesetz, 9. Aufl., § 15 Anm. 99). Der Senat folgt dieser Kritik nicht. Würden Sonderbetriebsausgaben oder Sonderwerbungskosten nicht im Feststellungsverfahren, sondern ausschließlich bei der Veranlagung des einzelnen Gesellschafters oder Mitberechtigten zur Einkommensteuer berücksichtigt werden, bestünde die Gefahr unterschiedlicher Entscheidungen der Wohnsitz-FÄ insbesondere insoweit, als die einzelnen Beteiligten gleichartige Aufwendungen, z. B. Fahrt- oder Fortbildungskosten, geltend machen. Dies aber sollte durch die Einführung des besonderen Feststellungsverfahrens gerade verhindert werden (vgl. RT-Drucks 1924/25, 3. Wahlperiode, Nr. 795, S. 70 ff., teilweise abgedruckt bei Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925, Bd. 2, Berlin 1929, § 65 Anm. 1, S. 1019).
Aber auch dann, wenn - wie im Streitfall - nur ein Beteiligter bestimmte Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten geltend macht, kann in der Regel nur das jeweilige Belegenheits-FA diese Aufwendungen steuerrechtlich sachgerecht beurteilen. Die Frage, ob Aufwendungen tatsächlich Sonderbetriebsausgaben oder Sonderwerbungskosten sind und ob sie dem einzelnen Beteiligten oder aber der Gesellschaft oder Gemeinschaft zuzurechnen sind, läßt sich häufig erst aus den vertraglichen Vereinbarungen und deren tatsächlichen Vollzug durch die Beteiligten entnehmen. Beides ist aber regelmäßig nur dem jeweiligen Belegenheits-FA, das das Feststellungsverfahren durchzuführen hat, bekannt.
Dies rechtfertigt es, Sonderwerbungskosten eines Hauptbeteiligten entsprechend dem Zweck des Feststellungsverfahrens stets nur in diesem Verfahren zu berücksichtigen.
3. Soweit der BFH eine Einbeziehung bestimmter steuerrechtlicher Tatbestände in das Feststellungsverfahren einer Gesellschaft aus Gründen des Steuergeheimnisses (§ 30 AO 1977) abgelehnt hat (BFH-Urteil vom 30. Juni 1966 VI 237/65, BFHE 86, 576, BStBl III 1966, 582; Anrufungsbeschluß vom 28. Juni 1972 I R 206/67, BFHE 106, 261, BStBl II 1972, 803, unter Abschn. III 1. c; Beschluß in BFHE 112, 1, 6, BStBl II 1974, 414; vgl. auch Urteil in BFHE 110, 315, BStBl II 1974, 63 für Unterbeteiligungen; Urteil vom 14. September 1978 IV R 49/74, BFHE 126, 262, BStBl II 1979, 159, für den Fall des Gesellschafterwechsels), sind die Grundsätze dieser Entscheidungen auf den Streitfall nicht übertragbar. Der Kläger gehört der Grundstücksgemeinschaft als Hauptbeteiligter an. Bei ihm gehört es zum Risiko seiner Beteiligung, daß der Mitberechtigte von seinen persönlichen Werbungskosten Kenntnis erhält; er muß deshalb in Kauf nehmen, daß die von ihm geltend gemachten Sonderwerbungskosten jedenfalls nicht im Einkommensteuerveranlagungsverfahren berücksichtigt werden.
4. Zu der Frage, ob das Belegenheits-FA zur Wahrung des Steuergeheimnisses zumindest einen nur dem Kläger bekanntzugebenden Ergänzungsbescheid (§ 179 Abs. 3 AO 1977) erlassen könnte (so FG Berlin, Urteil vom 16. April 1969 II 182/67, Entscheidungen der Finanzgerichte 1969, 619, aufgehoben durch BFH-Urteil vom 5. Februar 1974 VIII R 95/69, nicht veröffentlicht), kann der Senat nicht Stellung nehmen, weil nicht über die Rechtmäßigkeit des Feststellungsbescheids oder die Rechtmäßigkeit der Ablehnung eines Ergänzungsbescheids zu entscheiden ist. Gegenstand dieses Rechtsstreits ist lediglich die Einkommensteuerveranlagung, in dem - wie ausgeführt - über die Abziehbarkeit der Sonderwerbungskosten nicht zu entscheiden ist.
5. Der Senat sieht davon ab, den Rechtsstreit nach § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auszusetzen, bis über den Erlaß eines Ergänzungsbescheides zum Feststellungsbescheid 1977 entschieden ist. Eine Aussetzung ist wegen der entgegenstehenden höchstrichterlichen Rechtsprechung und im Hinblick auf den Zeitablauf nicht zweckmäßig.
Fundstellen
Haufe-Index 417763 |
BFH/NV 1991, 653 |